Selbstfahrende Autos: Wer braucht schon 5G?
Auch bei der neuen Mobilfunkgeneration 5G stellt sich eine Frage, die sich viele Mobilfunknutzer bereits bei 4G gestellt haben: Braucht man das wirklich? Die Mobilfunkindustrie beantwortet diese Frage naturgemäß mit einem „Ja“ und führt dabei unter anderem die Autoindustrie und das selbstfahrende Auto als Kronzeugen an. Allerdings: Das berühmte Google Car fährt auch ganz ohne Mobilfunkverbindung und nur auf seine Sensoren gestützt. Es fährt langsam, aber es fährt.
LTE und WLAN bieten Alternativen
In Österreich kommunizieren bald WLAN-Boxen mit Autos.
Bild: Asfinag
Und auch wenn man Funktechnik zur Unterstützung der Fahrzeugsteuerung nutzen will, gibt es Alternativen.
Beispielsweise den bereits fertigen Standard C-V2X, der LTE nutzt. Oder auch den WLAN-Standard 802.11p
und darauf aufbauend die „Dedicated Short Range Communication“ (DSRC), auch ITS-G5 genannt.
Damit können beispielsweise Staumeldungen und Navigationsdaten zum Auto übertragen werden, auch mobile
Nachrichten- und Unterhaltungsdienste sind denkbar. Eine bereits genutzte Anwendung für den WLAN-Dienst
ist die Mauterfassung, wie sie etwa in Italien, Österreich und Frankreich üblich ist.
Auch die EU-Kommission hat im März dieses Jahres vorgeschlagen, beim vernetzten Fahren zunächst auf den WLAN-Standard zu setzen. Dagegen haben sich vor allem die Mobilfunkanbieter, aber auch Autokonzerne wie BMW gewehrt. Sie bevorzugen die Mobilfunknetze als Basis.
G5 vs. 5G
Zumindest bei den Mobilfunkern ist die Reaktion verständlich. Sie bauen für viel Geld eine neue Technologie auf und wollen sie auch genutzt sehen. Und zumindest auf dem Papier ist die WLAN-Technik LTE-V2X und vor allem 5G unterlegen. Zwar ist auch G5 reaktionsschnell und arbeitet in einem speziell dafür reservierten Frequenzspektrum von 5,9 Gigahertz. Und es bietet derzeit sogar noch einen deutlichen Kostenvorteil bei der Ausrüstung von Fahrzeugen. Es ist aber deutlich langsamer bei der Datenübertragung und gilt nur als Übergangslösung. Und vor allem ist keineswegs geklärt, wie ein solches System europaweit finanziert werden soll.
LTE-V2X hingegen gilt bei seinen Kritikern als noch nicht ausgereift, für den rauen Autoeinsatz wird ihm mangelnde Robustheit zugeschrieben. Aber auch 5G hat so seine Problemchen: Die Sender sind teuer und das Übertragungsverfahren ist komplizierter als bei WLAN. So gibt es beispielsweise aufgrund der genutzten Frequenzen immer noch Probleme, die komplexe Empfangs- und Sendetechnologie unauffällig und vor allem effizient im Auto unterzubringen.
Tatsache ist aber, dass Funktechnik, egal ob LTE-V2X, 5G oder ITS-G5, viele Vorteile bringt. So können die Autos auch untereinander kommunizieren, etwa um auf die Sensor-Daten des vorausfahrenden Fahrzeugs zuzugreifen und so die eigene Reichweite zu erhöhen. Rettungsdienste können eine Aufforderung senden, die Rettungsgasse vor ihnen frei zu machen. Die Fahrzeuge können Funkbarken bekommen, die die Position an andere Autos melden. Das kann beispielsweise die Sicherheit bei unübersichtlichen Ausfahrten oder vor Kuppen erhöhen.
Österreich prescht vor
Der österreichische Autobahnbetreiber ASFINAG macht unterdessen Nägel mit Köpfen und setzt auf die WLAN-Technologie. Das Unternehmen will bis 2023 bis zu 500 WLAN-Boxen neben Autobahnen und Schnellstraßen aufbauen. Damit sollen, so die ASFINAG, künftig „wichtige Informationen ausgesendet und von WLAN-tauglichen Fahrzeugen auch empfangen werden können“.
Allerdings: 5G ist damit noch nicht aus dem Rennen. Die Entscheidung, jetzt auf diese Technologie zu setzen, habe keinen Einfluss auf andere, zukünftige ergänzende Technologien, wie etwa die Mobilfunktechnologie 5G. „Aber WLAN ist ausgereift und sicher“, ist ASFINAG-Geschäftsführer Bernd Datler überzeugt.
Weswegen 5G trotzdem ins Auto einziehen wird
Einen Unterstützer bekommt die ASFINAG durch VW. Volkswagen hat die Serieneinführung der WLAN-Technologie in einem der nächsten Fahrzeuge bereits angekündigt. Weitere Hersteller planen ebenfalls in den nächsten Fahrzeug-Generationen die WLAN-Technologie einzubauen, zum Beispiel auch um die teilautomatische Fahrt in LKW-Konvois zu unterstützen („Platooning“). Dabei übernimmt nur noch das erste Fahrzeug die Lenkung. Alle anderen Fahrer haben dann Pause und durch das Windschatten-Fahren wird viel Sprit gespart. Zudem kann der Abstand der LKW auf 15 Meter schrumpfen, was die Lastwagen-Kolone deutlich verkürzt und den Verkehrsfluss verbessert. Das System ist aber noch in der Erprobung, es sind noch eine ganze Reihe von Fragen zu klären. Alexander Doll, Bahn-Vorstand für Güterverkehr, Logistik und Finanzen, schätzt, dass es noch bis Mitte oder Ende der 2020er-Jahre dauert, bis das System praxisreif ist.
Alles für die Sicherheit
In Österreich soll die Technik als Zwei-Wege-Kommunikation genutzt werden. Von den Fahrzeugen können Informationen an die ASFINAG gesendet werden, um so andere Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer besser mit Updates entlang der Strecke versorgen zu können. Der ASFINAG geht es dabei vor allem um die Sicherheit. So können zum Beispiel Informationen über Fahrstreifensperren, Baustellen, Tempolimits, Pannen oder Unfälle entlang der Strecke direkt ins Fahrzeug gesendet und dort via Bordcomputer angezeigt werden. Von der Betreibergesellschaft gesendete Informationen werden automatisch in die Sprache des Herkunftslandes des Fahrzeugs übersetzt.
Platooning ist noch in der Testphase.
Bild: picture alliance/Bernd Settnik/dpa-Zentralbild/dpa
Also braucht man doch kein 5G? Frank Fitzek, Inhaber des Telekom-Lehrstuhls für Nachrichtennetze
an der TU Dresden, glaubt doch. In einem Beitrag für die Webseite
car-it.com
sagt er: „Ohne 5G wird man beim hoch automatisierten Fahren auf vieles verzichten müssen,
auf Sicherheit und auf zügiges Vorankommen zum Beispiel.“
5G ermöglicht neue Anwendungen
Es gibt nämlich Anwendungen, bei denen der 5G-Standard mit seinen kurzen Latenzzeiten und seiner Ausfallsicherheit unabdingbar scheint. Schon jetzt ein beliebter Showcase: Die Fernsteuerung von Fahrzeugen, bei der es auf minimale Latenzzeiten ankommt. Eine solche Steuerung könnte wichtig bei einem Notfall werden.
Oder das Beispiel Stadtverkehr: An Ampeln könnten die Fahrzeuge durch 5G alle gleichzeitig losfahren. Der Ziehharmonika-Effekt wird vermieden und der Verkehrsfluss optimiert. Zumindest theoretisch: Handgesteuerte Oldtimer dürfen dann wohl keine mehr vor der Ampel warten.
Und damit diese Visionen wahr werden, muss 5G flächendeckend verfügbar sein. Bis dahin wird es aber noch eine Zeit lang dauern. Eine Zeit, in der die Autokonzerne auch weiterhin innovative Autos verkaufen wollen. Und die werden dann eben mit der verfügbaren Technik ausgerüstet werden. Es wird also wahrscheinlich so kommen, wie Datler es prophezeit: 5G wird im Auto der Zukunft Einzug halten, aber nur als Ergänzung zu bestehenden Systemen.
Mehr über die LTE- und WLAN-Technik für das autonome Fahren und den politischen Streit dahinter können Sie übrigens in einem weiteren Bericht lesen.