Editorial: Ein Netz für alles
Schauen wir künftig Fernsehen über 5G?
Bild: dpa
Der Kerngedanken bei der Entwicklung der
5G-Mobilfunktechnologie war es,
ein Netz für alles zu entwickeln. Als fast schon sprichwörtliche
"eierlegende Wollmilchsau" soll 5G vom ultraschnellen Smartphone
(Spitzengeschwindigkeit: 10 000 000 000 Bit pro
Sekunde) über Echtzeitkommunikation zwischen Fahrzeugen (maximale
Latenz bei gegenseitigen Unfallwarnungen: 1 bis 2 Millisekunden)
bis zum ultrasparsamen Agrarsensor (durchschnittliche
Datenrate: 0,01 Bit pro Sekunde, Batterielaufzeit:
4000 Tage) quasi alle denkbaren Anwendungsfälle mobiler
Kommunikation abdecken. Dem Ziel des Universalnetzes für alles kommt 5G
nun bereits vor dem Start mit dem
Votum vieler TV-Sender für die Einführung
von 5G-Broadcast einen weiteren großen Schritt näher.
Anders als herkömmliche digitale Broadcast-Netze wie DVB-T2
oder DAB+ verfügt 5G Broadcast auch über einen Rückkanal vom
Endgerät (wie Fernseher, Receiver oder Radio) zum Sender. Zwar denkt
man möglicherweise, dass ein solcher Rückkanal für ein reines
Live-Medien-Verteilnetz gar nicht benötigt wird. Das klassische Modell,
dass der Sender das Signal "in die Luft pumpt" und die Empfänger es
dort rausfischen, wenn sie es benötigen, ist doch schon seit Jahrzehnten
bewährt.
Schauen wir künftig Fernsehen über 5G?
Bild: dpa
Doch der Rückkanal hat erhebliche Vorteile: Die beginnen schon damit,
dass kostbare Bandbreite und Sendeleistung für solche Inhalte eingespart
werden kann, die aktuell in einer Zelle gar nicht benötigt werden. Zu
Zeiten, als es drei Programme gab, die zudem eh nachts Sendepause hatten,
war das sicher kein Problem. Bei 30 bis 300 Programmen, die rund um die
Uhr über übliche Broadcast-Kanäle wie terrestrischen Funk, Kabel oder
Satellit verteilt werden, tritt das Problem dagegen schon eher auf.
Hinzu kommt die hohe Zelldichte im 5G-Netz: Über alle Netzbetreiber
zusammen werden wir in absehbarer Zeit auch in Deutschland die Zahl von
100 000 Basisstationen überschreiten. Damit verbleiben aber
im Schnitt nur 800 Nutzer pro Zelle, von denen zudem nur ein
Teil das Fernsehen terrestrisch empfängt, und auch zur
"prime time" abends in der Regel nur die Hälfte fernsieht. Und an
den Tagen, an denen die Zuschauerzahlen besonders hoch sind, ist es
meist genau ein Programm, das die Nutzer vor die Bildschirme treibt.
Der Rückkanal erlaubt es zudem, die Sendeleistung an den tatsächlichen Bedarf der Nutzer anzupassen. Wenn die drei Nutzer in der Zelle, die beispielsweise Super RTL schauen, alle eine "gute Sicht" auf die Basisstation haben, kann diese Super RTL dennoch mit geringer Sendeleistung ausstrahlen, und folglich mehr Leistung für den einen Nutzer reservieren, der ZDF info in einer Souterrain-Wohnung empfängt. Schließlich ermöglicht es der Rückkanal auch, gezielt die Datensätze noch einmal anzufordern, die nicht richtig empfangen werden konnten. Bei DVB-T reicht schon, dass ein Prozent der Datenblöcke so stark verrauscht sind, dass sie nicht richtig dekodiert werden können, um den Fernsehgenuss stark zu trüben. Bei 5G-Broadcast kann der Receiver hingegen genau für dieses eine fehlende Prozent um eine Verbesserung bitten, beispielsweise zusätzliche Fehlerkorrekturbits oder eine erneute Übertragung des jeweiligen Blocks.
Noch größere Gefahr durch Technologie-Missbrauch
Die genannte Auflistung zeigt, wie viel Vorteile es bringt, das Mobilfunknetz auch für den klassischen Rundfunk zu nutzen. Einheitliche 5G-Chips in Smartphone, Fernseher/Receiver oder Autos erhöhen zudem die Stückzahlen und drücken die Preise pro Chip. Einziger Nachteil: Die Macht der Ausrüster, die Chipsätze für Endgeräte und Basisstationen für die Netzbetreiber liefern, nimmt natürlich zu. Hier ist wirksame staatliche Kontrolle wichtig, dass diese Macht nicht missbraucht wird. Willkürlicher Ausschluss einzelner Lieferanten nach politischen Gesichtspunkten ist hingegen nicht zielführend.