Fragen und Antworten zu 5G Broadcast
So könnte Fernsehen über 5G künftig funktionieren
Foto: teltarif.de
Unsere Beiträge zu 5G Broadcast wecken großes Interesse bei Lesern, führen aber auch zu einer gewissen Verunsicherung. Eine der Fragen lautet: Wozu soll man heute ein Empfangsgerät für digital-terrestrisches Fernsehen (DVB-T2 HD) oder Radio (DAB+) kaufen, wenn in wenigen Jahren schon wieder ein neuer Standard kommt? Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren 5G Broadcast.
Was ist 5G Broadcast überhaupt?
So könnte Fernsehen über 5G künftig funktionieren
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5G Broadcast ist einer von mehreren Arbeitstiteln für einen neuen Rundfunkmodus. Eine offizielle Bezeichnung wie DVB-T2 HD gibt es noch nicht. Das Verfahren dahinter nennt sich FeMBMS (Further evolved Multimedia Broadcast Multicast Service) und basiert auf den Mobilfunkstandards 4G und 5G. Die Standardisierung des Verfahrens ist 2017 abgeschlossen worden. 5G Broadcast sorgt für neue Möglichkeiten der Rundfunkverbreitung an mobile Endgeräte. Erstmals werden hierbei High-Power High-Tower (HPHT)-Anwendungen im Downlink only-Modus möglich, beispielsweise über das bestehende Rundfunksendernetz. In schlecht erreichbaren Regionen und Großstädten können Mobilfunk-Basistationen das Netz ergänzen.
Wir haben heute DVB-T2 HD und DAB+. Wozu braucht man wieder einen neuen Standard?
5G Broadcast hat zunächst einmal gar nichts mit DAB+ und DVB-T2 HD zu tun. Es geht hier vorrangig um den mobilen Empfang auf Smartphones oder Tablets. Auf diesen Endgeräten konnten sich aus diversen Gründen die bestehenden digitalen Rundfunktechnologien nicht etablieren. Ein Broadcast-Modus hat den entscheidenden Vorteil, dass Daten nicht wie bisher an nur einen (Point-to-Point), sondern an tausende Teilnehmer gleichzeitig und nur einmal (Point-to-Multipoint) gesendet werden müssen. Schon oft haben wir darüber berichtet, dass es beispielsweise bei der Übertragung eines Fußballspiels zu einem völligen Zusammenbruch beim Streaming gekommen ist. Diese Probleme gehören mit 5G Broadcast der Vergangenheit an.
Soll über 5G Broadcast nur lineares Fernsehen und Radio übertragen werden?
Nein, rein theoretisch können über 5G Broadcast auch non-linerare Inhalte, etwa Videos oder Podcasts, gesendet werden. Das ist bei bisherigen Rundfunktechnologien nicht der Fall. Es besteht lediglich die Möglichkeit per internetbasierten Technologien wie HbbTV Broadcast und Broadband miteinander zu verknüpfen. Erstmals wird es über 5G Broadcast auch möglich, den Rückkanal direkt ohne Umwege "aus einer Hand" zu nutzen. Für diese Interaktion wird allerdings aus Kapazitätsgründen das bestehende Mobilfunknetz verwendet und nicht die High-Power-Sendeanlagen. Außerdem ist es möglich, durch eine Verknüpfung von Rundfunk- und Mobilfunkinfrastruktur Inhalte und Werbung personalisiert zu übertragen, was bei bisherigen Rundfunkverfahren nicht möglich ist.
Werden Inhalte über 5G Broadcast kostenlos zugänglich sein?
Im Standard ist zumindest theoretisch festgelegt, dass es möglich sein muss, die ausgestrahlten Inhalte auch ohne Verschlüsselung und ohne SIM-Karte zu empfangen. Dagegen wehren sich aber bisher die Mobilfunkbetreiber. Sie investieren erheblich in den Netzaufbau und refinanzieren diese Investitionen durch Highspeed-Datenvolumina oder immer mehr Flatrates.
Eine der Hauptanwendungen hierbei ist das Streaming von Medieninhalten. Die Telkos wollen daher nicht, dass Fernsehen und Radio kostenlos und ohne SIM-Karte, also ohne "Mautstelle", auf mobile Endgeräte übertragen wird, selbst wenn sie die Netze nicht oder nicht vorrangig selbst betreiben. Hier wäre eine EU-weite Regulierung des kostenlosen Zugangs zu Diensten über 5G gefragt - notfalls auch ohne die Mobilfunkunternehmen.
Müssen Contentanbieter für 5G Broadcast zusätzlich zahlen?
Da die Übertragung der Medieninhalte über 5G Broadcasting nicht internetbasiert erfolgt, müssen Contentanbieter die Verbreitungskosten zusätzlich übernehmen, ähnlich wie es heute bei DAB+ oder DVB-T2 HD der Fall ist. Wichtig für die Contentbetreiber dürfte sein, wie viele Personen gleichzeitig auf einen Stream zugreifen. Ab einer noch nicht näher definierten Teilnehmerzahl wäre eine Verbreitung über Broadcast kostengünstiger als das klassische Point-to-Point-Streaming. Endgeräte würden in diesem Fall von sich aus regeln, ob sie den Stream klassisch oder im Broadcast-Modus zugänglich machen.
Ab wann kann man 5G-Broadcast-Inhalte empfangen?
Bislang wird der Empfang der Signale noch in Labors erprobt. Eines der größten Forschungsprojekte auf dem Gebiet ist 5G Today. Daran sind das Institut für Rundfunktechnik (IRT), der Antennenhersteller Kathrein, der Senderhersteller Rohde & Schwarz, der Bayerische Rundfunk (BR) und der Mobilfunkanbieter Telefónica beteiligt. Die Partner untersuchen die großflächige TV-Übertragung im Rundfunkmodus über zwei Rundfunksender (Wendelstein und Ismaning) in Oberbayern. In Kürze startet ein ähnliches Projekt in NRW. Erstmals für Endverbraucher zugänglich werden sollen diese Anwendungen ab dem Jahr 2025, beispielsweise auf den dann auf dem Markt etablierten 5G-Smartphones.
Wird es 5G Broadcasting auch auf anderen Endgeräten geben?
Geplant ist, die über 5G Broadcast ausgestrahlten Medieninhalte auch abseits von Smartphones und Tablets empfangbar zu machen. Ein wichtiger Bestandteil soll der Bereich Car-Entertainment werden, aber auch eine Integration auf klassischen Kofferradios, HiFi-Anlagen, Set-Top-Boxen oder Fernsehern wird angestrebt. Hierfür müssen aber zunächst tragfähige Geschäftsmodelle entwickelt werden. Vor 2030 rechnen Experten nicht mit einem entsprechenden Roll-Out.
Können wir also ab 2030 alle DVB-T2- oder DAB+-Geräte wieder entsorgen?
Ob sich 5G Broadcast tatsächlich derart durchsetzt, dass es die bestehenden digitalen Rundfunktechnologien wieder aus dem Markt verdrängt ist mehr als fraglich. Wahrscheinlicher ist das noch beim Fernsehen. Die UHF-Frequenznutzung der Kanäle 21 bis 48 durch das terrestrische TV ist zunächst nur bis 2030 gesichert. Es droht die Abschaltung, wenn der Mobilfunk nach den gesamten Frequenzen im UHF-Band greift (Digitale Dividende 3). Darüber soll auf den nächsten Weltfunkkonferenzen beraten werden. 5G Broadcasting könnte dann das terrestrische Fernsehen auch nach einem möglichen Ende von DVB-T2 HD sichern.
Beim Radio dagegen wird 5G Broadcast maximal ein "Abfallprodukt" sein. Hier laufen derzeit alle, auch internationalen, Bestrebungen und Entwicklungen auf eine langfristige Etablierung von DAB+ als UKW-Nachfolger und neuem Hauptverbreitungsweg für Radio, auch weit nach 2030, hinaus.
Es kann auch genau das Gegenteil eintreten: Mit DVB-H, DVB-SH und DMB sind bereits mehrere Verfahren zur Etablierung von Broadcast auf mobilen Gadgets gescheitert. Rein theoretisch ist auch der aktuelle LTE-Standard (4G) in der Lage, Medieninhalte über Broadcast zu transportieren. Da es hierfür keine Geschäftsmodelle gibt, findet diese Möglichkeit außerhalb von kleineren Testfeldern nicht statt.
Gleiches Schicksal droht auch 5G Broadcast, wenn die Politik Fragen des Zugangs unbeantwortet lässt und Contentanbieter zusammen mit den Mobilfunkbetreibern keine Erlösmodelle entwickeln können. So lange brauchen sich Nutzer von DVB-T2 HD und erst recht DAB+-Geräten keine Sorgen machen, dass ihre soeben erst erworbenen Endgeräte schon bald wieder Elektroschrott werden könnten.