Mobilfunk

Editorial: 5G-Frequenzen vergeben statt versteigern?

Die Netzbetreiber wollen teure Lizenzversteigerungen vermeiden. Doch was bringen die als Alternative vorgeschlagenen Ausbauverpflichtungen den Kunden wirklich?
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Der Aufbau der kommenden 5G-Netze wird viel Geld kosten. Entsprechend hart drängen die Lobbyisten der Netzbetreiber in Brüssel darauf, dass die Netzbetreiber nicht auch noch viel Geld für die nötigen Frequenzen ausgeben müssen. Zwar ist dank moderner Technologie, allen voran Massive MIMO, das Schreckgespenst vom Tisch, dass man künftig für ein ausreichend dichtes 5G-Netz neben jeder Straßenlaterne auch eine Basisstation aufbauen muss. Aber man benötigt für 5G dennoch mindestens so viele Stationen wie für 4G. Zudem wird man für eine gute 5G-Netzabdeckung schon anfangs jede dieser Stationen mit mindestens zwei 5G-Frequenzen ausrüsten müssen, später dann sogar mit drei oder vier.

Die derzeit in der Diskussion wichtigsten 5G-Frequenzen sind 700 MHz (low band) für die Flächenabdeckung, 3,6 GHz (mid band) für die Versorgung normaler Mobilfunkzellen mit Massive MIMO, sowie 26 GHz (high band) für die Versorgung von Hotspots und als Festnetzersatz. Letzteres wird schon länger intensiv diskutiert, der Festnetz-lose Mobilfunkanbieter Telefónica/o2 wird noch dieses Jahr einen entsprechenden Versuch mit Fixed Wireless Access in Hamburg und München starten.

Zu dem genannten Dreigespann werden sich schon recht bald weitere 5G-Frequenzen hinzugesellen. Insbesondere das 3G/UMTS-Band bei 2,1 GHz ist dank nachlassender 3G-Nutzung ein heißer Kandidat für eine zumindest teilweise Umwidmung zu 5G.

Riesiger Frequenzbedarf

Die wichtigsten Frequenzen für 5G Die wichtigsten Frequenzen für 5G
Fotomontage: teltarif.de
Der 5G-Frequenzbedarf ist riesig, weil 5G endlich das alte Versprechen erfüllen soll, den Nutzern mobil wirklich jederzeit und überall zu bezahlbaren Preisen vernünftige Datenraten bereitzustellen. Ericsson schätzt, dass die mobile Datennutzung in den kommenden sechs Jahren um durchschnittlich 40 Prozent jährlich wachsen wird, was insgesamt einer Verachtfachung entspricht. Ich persönlich halte diese Schätzung sogar noch für sehr zurückhaltend - in Realität könnte der Datenhunger der Anwender sogar noch schneller steigen. Die Tarife werden dem folgen müssen, indem die Inklusivvolumina von Mobiltarifen von einzelnen Gigabyte auf 100 GB und mehr erhöht werden. Echter Festnetzersatz verlangt sogar nach 1000 GB (1 TB) und mehr.

Die genannten hohen Datenmengen lassen sich aber - neben technologischen Verbesserungen wie Massive MIMO und 5G New Radio - grundsätzlich nur auf zwei Wegen abwickeln: Entweder verdichtet man die Basisstationen erheblich, oder man verwendet mehr Frequenzen pro Basisstation. Da der Aufbau neuer Standorte teuer und vielerorts aufgrund baulicher Auflagen nur schwierig oder gar nicht möglich ist, bieten sich zusätzliche Frequenzen als der insgesamt sinnvollere und kostengünstigere Weg an. Es sei denn, die neuen Frequenzen selbst werden zu teuer. Hier ist nun der Staat gefragt.

Anti-Aderlass

In der jüngeren Vergangenheit wurden die Einnahmen aus Mobilfunklizenzen zumindest zum Teil vom Staat dazu verwendet, das Festnetz an schlecht versorgten Orten zu verbessern. So blieb das Geld zwar der Telekommunikationsbranche als ganzes (weitgehend) erhalten, aber es wurde eine Quersubvention vom Mobilfunk zum Festnetz geschaffen. Das ist der Mobilfunkbranche ein Dorn im Auge. Sie drängt verständlicherweise darauf, lieber innerhalb der Mobilfunknetze verstärkt zu investieren, wenn im Gegenzug die Lizenzen günstiger oder gar kostenlos vergeben werden. Es wird sogar angeboten, dass die Lizenzen nach einer Aufbauzeit wieder entzogen werden dürfen, wenn die mit der (kostenlosen oder stark preisreduzierten) Lizenzvergabe gekoppelten Ausbauverpflichtungen nicht erfüllt werden.

Nun bin ich selber ein Anhänger dessen, bei Lizenzversteigerungen nicht Geld, sondern Selbstverpflichtungen der Lizenznehmer als Gegenleistungen zu nehmen. Das können beispielsweise freiwillige Verpflichtungen zur Netzöffnung sein, oder eben auch Ausbauverpflichtungen: Derjenige erhält den "dicksten" Frequenzblock, der sich zum dichtesten Netzausbau verpflichtet. So wird der Nutzen für die Volkswirtschaft maximiert. Soweit zum Positiven.

Gescheiterte Kontrolle

Leider funktioniert in unserer Lobbykratie die staatliche Kontrolle von industriellen Verpflichtungen in vielen Fällen nicht. Dieselskandal, Mehrwegquote bei Getränkeflaschen (ja, sowas gab es mal!) oder auch die Frauenquote bei Führungskräften lassen grüßen. Zwar wird eifrig am kommunalen Wasserwerk ein zusätzlicher Filter nachgerüstet, wenn sonst gesetzliche Grenzwerte für Nitrat oder Pestizid-Rückstände überschritten werden würden. Doch werden die Kosten damit auf alle Wassernutzer umgelegt, statt den oder die Verursacher zu ermitteln, zum Beispiel Landwirte, die übermäßigen oder nicht sachgemäßen Dünge- oder Pflanzenschutzmitteleinsatz betreiben.

Die oft gezeigte Unfähigkeit der Staaten zur Kontrolle lässt nun auch das Modell "kostenlose Lizenzen gegen Ausbauverpflichtung" fragwürdig erscheinen. Lesen Sie zudem auf Seite 2, warum ein Versagen der Mobilfunkbranche in der jüngeren Vergangenheit besonders gegen dieses Modell spricht.

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