Lego

5G-Netze werden erst weit nach 2020 fertig werden

Das nächste Netz kommt in Phasen. 2020 werden wir allenfalls einen Teil dessen sehen, was die neuen Netze können.
Vom Fuseco Forum des Fraunhofer Institus aus Berlin berichtet

5G Week Berlin teltarif.de unterwegs auf der Fraunhofer 5G Week Berlin
Foto/Logo: Fraunhofer FOKUS, Montage: teltarif.de
teltarif.de nutzte die Gelegen­heit, um am Rande des vom Fraunhofer-Institut für offene Kommuni­kations­systeme ver­anstalteten Fuseco Forums mit Prof. Dr. Thomas Magedanz zu sprechen, dem Leiter des Ge­schäfts­be­reichs "Next Generation Network Infra­structure" am Fraunhofer-Institut. Laut Magedanz wird sich "das 5G-Netz" in Wirklichkeit viel diverser und hetero­gener dar­stellen, als es früher bei 3G und heute bei 4G der Fall war. Wer sich eine 5G-SIM-Karte und ein Smartphone kauft, wird also nur einen Aspekt dieses Netzes kennenlernen. Industriekunden, die eine Produktionshalle auf 5G umrüsten, werden hingegen andere Fähigkeiten des Netzes nutzen, die dem Standard-SIM-Nutzer verborgen bleiben. Für Sicherheitsbehörden wie Polizei und Feuerwehr wird 5G wiederum vielfach zuverlässiger sein als für normale Anwender. Spezielle Endgeräte mit geringem Kommunikationsbedarf - zum Beispiel Sensoren in der Landwirtschaft oder vernetzte Stromzähler - haben für die Übertragung von ein paar Bits selbst dort noch Netz, wo Smartphones längst "Funkloch" melden.

5G Week Berlin Prof. Dr. Thomas Magedanz, Leiter Geschäftsbereich NGNI
Foto: Fraunhofer FOKUS
Die Technologie dahinter ist "Network Slicing": Ein reales Netzwerk wird in verschiedene virtuelle Netzwerke geteilt, die auf jeweils eine Anwendung optimiert sind. Smartphone-Nutzer werden sicher hohe Datenraten sehen, aber weder die höchsten Verfügbarkeiten noch die kürzesten Ping-Zeiten. Denn kurze Latenzen sind zum Beispiel für smarte Autos, die sich gegenseitig vor einem Unfall warnen, viel wichtiger als für einen Gamer, bei dem "nur" der High Score gefährdet ist, aber nicht das eigene Leben.

Für die Netzbetreiber bietet Network Slicing den Vorteil, im Vergleich zu bisher zusätzliche Kundengruppen ansprechen zu können. Bisher betreiben zum Beispiel die Polizei oder auch Produktionsbetriebe jeweils eigene Funknetze. Diese könnten künftig unter dem Dach 5G zusammengefasst werden. Magedanz erwartet in der Folge eine durchaus ubiquitäre Durchdringung mit 5G - aber erst ab ca. 2025.

Verschiedene Frequenzen für verschiedene Aufgaben

5G Week Berlin teltarif.de unterwegs auf der Fraunhofer 5G Week Berlin
Foto/Logo: Fraunhofer FOKUS, Montage: teltarif.de
Größte Auffälligkeit bei der 5G-Standardisierung ist, dass das Frequenzspektrum im Vergleich zu derzeit massiv erweitert wird. Während bei GSM Frequenzen im Verhältnis von etwa 1:2 zum Einsatz kamen (850 MHz bis 1900 MHz), bei 3G etwa von 1:2,5 (850 MHz bis 2100 MHz) und bei 4G derzeit von etwas über 1:3 (800 MHz bis 2600 MHz) und künftig evtl. auch von 1:8 (450 MHz bis 3600 MHz), wird bei 5G schon zum Start über 1:40 diskutiert, nämlich von 700 MHz bis mindestens rauf zu 28 000 MHz. Da bereits über Frequenzen jenseits der 60 GHz diskutiert wird, und zugleich viele Anbieter Interesse daran haben dürften, sicherheitskritische Anwendungen wie Polizei über 5G-Funk auf den ehemaligen C-Netz-Frequenzen bei 450 MHz zu realisieren, wird sich der Frequenzbereich mit der Zeit wahrscheinlich sogar auf über 1:100 erweitern.

Wer jetzt hofft, dass 2018 der 5G-Standard verabschiedet wird und dann ab 1. Januar 2020 sukzessive die 5G-Netze auf allen hierzulande geplanten Frequenzen (insbesondere dem bereits versteigerten Bereich um 700 MHz, sowie den bald zu vergebenden Bereichen um 3500 MHz und 26 000 MHz) eingeschaltet werden, der dürfte enttäuscht werden. 5G ist laut Magedanz eher wie ein großer "Lego-Baukasten". Und zwar einem, bei dem es immer wieder neue Steine zum Nachkaufen geben wird. Die komplette 5G-Welt entsteht erst nach und nach.

5G Week Berlin Prof. Dr. Slawomir Stanczak, Leiter des Fachgebiets Netzwerk-Informationstheorie, TU Berlin
Foto: TU Berlin/Pressestelle/Philipp Arnoldt
Prof. Dr. Slawomir Stanczak von der TU Berlin ergänzt: "Bei der Standardisierung 2018 werden die Sub-Millimeterwellen voraussichtlich noch nicht dabei sein. Die Ausrüster haben in diesem Bereich erst später mit den relevanten Versuchen begonnen." Stanczak erwartet, dass es entsprechend länger dauern wird, bis auch 5G-Dienste bei 26 000 MHz (26 GHz) hierzulande zum Einsatz kommen. Zum Start 2020 werden die Netze daher "nur" bei 700 MHz und 3600 MHz aufgebaut werden. Andere Frequenzen folgen später.

Zudem dürften sich die Anwendungen unterscheiden: Für die Steuerung der Automaten in einer Produktionshalle bietet 26 GHz gerade aufgrund der hohen Dämpfung und der Breitbandigkeit (im Gespräch sind Träger mit 1000 MHz Bandbreite, im Vergleich zu 20 MHz bei 4G) erhebliche Sicherheitsvorteile: Ein Angreifer, der versucht, mit einem Störsender von außerhalb die Produktion in der Halle zu behindern, dürfte damit viel mehr Probleme haben als bei niedrigeren Frequenzen. Eine weitere Anwendung für 26 GHz ist die Anbindung von abgesetzten Basisstationen. Für klassische Mobilfunkanwendungen erscheint 26 GHz hingegen weniger geeignet.

Auch weitere Dienste - etwa Network Slices mit ultra-niedriger Latenz im Bereich von 1 ms - wird es nicht vom Start weg geben. Für "normale" Smartphone-User ist möglicherweise bereits bei 5 ms Schluss: Bandbreite für das Videostreaming und Augmented Reality dürfte dem Durchschnittsanwender nun mal wichtiger sein als Ultra-niedrige Latenz.

Lesen Sie in einem weiteren Artikel, warum die deutsche Industrie ein eigenes 5G-basierendes Netz aufbauen will.

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