Querdenker

Theo Weirich: Wir müssen 5G völlig neu denken

Theo Weirich, studierter Diplom-Ingenieur und Chef des Stadtnetzbetreibers wilhelm.tel erklärt, warum bei 5g völlig neu gedacht werden muss.
Mit Theo Weirich sprach

Theo Weirich, Chef des Stadtnetzbetreibers Wilhelm.tel fordert beim Netzausbau von 5G ein radikales Umdenken. 3 Netzbetreiber reichen dafür nicht aus. Theo Weirich, Chef des Stadtnetzbetreibers Wilhelm.tel fordert beim Netzausbau von 5G ein radikales Umdenken. 3 Netzbetreiber reichen dafür nicht aus.
Foto: wilhelm.tel / anga.com Montage: teltarif.de
Das beherrschende Thema ist und bleibt 5G. Der neue Mobilfunk-Standard ist für viele gleichbedeutend mit flächendeckendem Ausbau mit superschnellem Mobilfunk. Bisher waren viele davon ausgegangen, dass die etablierten Netzbetreiber Telekom, Vodafone oder o2 mehr oder weniger das Land mit 5G ausstatten werden. Kleinere, regionale Anbieter kamen in diesem Denkmodell nicht vor. Auch Diensteanbieter wurden als "lästig" wahrgenommen, da sie nur den günstigen Preis herausschlagen, aber nichts zum Netz beitragen würden. Einen ganz anderen Ansatz sieht der Stadtnetzbetreiber wilhelm.tel aus Norderstedt bei Hamburg. teltarif.de sprach mit Theo Weirich, CEO und Vordenker des kleinen aber sehr agilen Netzbetreibers.

teltarif.de: Herr Weirich, Sie sagen "eine der wesentlichen Herausforderungen für die neue digitale Welt ist ihre bedingungslose Anforderung an barrierefreie und permanente Verbindungen - draußen und drinnen." Wovon gehen Sie aus?
Weirich: "Was wir wissen: Das Internet der Dinge, Industrie 4.0, Automatisiertes Transportwesen, kollaboratives Fahren, Arbeiten und Lernen, Künstliche Intelligenz und Telemedizin um nur die Wichtigsten zu nennen, werden in Zukunft überwiegend nur drahtlos funktionieren. Dies bedeutet, dass die neue Mobilfunktechnik eine wesentlich höhere Präsenz benötigt als heute."

Was brauchen wir dafür?
Weirich: "Diese Anwendungen werden in einer nie dagewesenen Präsenz benötigt. Wenn die Deutschen heute mehr als 120 Millionen Smartphone und Tablets untereinander verbinden, so werden sie in den nächsten fünf Jahren mehr als das 10- oder gar 100-fache an Geräten mobil verbinden. Klar ist, dass die heutige mobile Infrastruktur dies nicht bewerkstelligen kann. Die Aufrüstung der (heute) 70.000 Mobilfunkmasten reicht nicht.

Theo Weirich, Chef des Stadtnetzbetreibers Wilhelm.tel fordert beim Netzausbau von 5G ein radikales Umdenken. 3 Netzbetreiber reichen dafür nicht aus. Theo Weirich, Chef des Stadtnetzbetreibers Wilhelm.tel fordert beim Netzausbau von 5G ein radikales Umdenken. 3 Netzbetreiber reichen dafür nicht aus.
Foto: wilhelm.tel / anga.com Montage: teltarif.de
Der Grund liegt in der Notwendigkeit einer dichten Flächenversorgung und das im Wesentlichen in den Städten im öffentlichen und privaten Umfeld. Größere Antennen helfen wenig, da sie die Anzahl der Verbindungen nicht beliebig erhöhen können. Zudem steigern diese die elektromagnetische Strahlenbelastung."

Wie könnte das gehen?
Weirich: "Die Zukunft liegt in kleinen, weitverbreiteten und flächendeckenden kleinen Zellenstrukturen, die - und das ist der Kernpunkt - alle eine Glasfaserverbindung benötigen. Hier haben die etablierten Mobilfunkbetreiber bisher wenig getan und werden den notwendigen Breitbandinfrastrukturaufbau via Glasfaser ohne die City-Carrier nicht auf die Reihe bekommen. Ein Umdenken in diese Richtung wird nur im Wettbewerb erfolgen, das haben die Metropolen wie Hamburg, Köln und München bewiesen.

Das beste Beispiel ist der Aufbau des freien WLAN in Hamburg, der hier von den regionalen CityCarriern willy.tel und wilhelm.tel erfolgt ist. Deshalb ist es wichtig, dass auch die regionalen 5G-Frequenzen hier frei vergeben werden, um die komplexe Versorgung der städtischen Verkehrswege und öffentlichen Plätze zu gewährleisten."

Welche Risiken sehen Sie?
Weirich: "Was wir nicht wissen: Was passiert, wenn die drei alten Mobilfunkbetreiber den Kuchen unter sich aufteilen und wie bisher Scheibe für Scheibe an Konnektivität an den Markt abgeben; wenn sich die Markteilnehmer, wie z.B. die städtischen Verwaltungen, Verkehrs- und Versorgungsbetriebe, die dringend auf Infrastrukturverbesserung mit Ihren Dienstleistungen angewiesen sind, sich diese nicht leisten können, weil es keinen echten Wettbewerb gibt; wenn die flächendeckende Versorgung und Ausleuchtung mehr als 5 Jahre in Anspruch nimmt oder nie erfolgt und die Diskussionen über die Notwendigkeit auf Vorstandsebenen einer Telekom erfolgt, die den Anschluss schon heute verpasst hat.

Was passiert, wenn Techniken, Dienste und Medien nicht mehr hier in Deutschland entwickelt und zur Anwendung gebracht werden, weil die Netzabdeckung fehlt oder es zu teuer ist; wenn alle darauf warten, dass die Politik versucht Einfluss auf ein Oligopol zu nehmen, und Versprechungen abgeben werden, die eigentlich nicht eingehalten werden können."

Und Ihre Antwort darauf?
Weirich: "Die Antwort: wir verlieren Zeit - wichtige Zeit."

Herr Weirich, vielen Dank für das Gespräch.

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