Branchenmesse MIPCOM: Die Streaming-Trends 2020
Treffpunkt der Medienbranche unter Palmen: Die MIPCOM in Cannes
Foto: MIP Markets
Mitte Oktober versammelten sich im südfranzösischen Cannes erneut zahlreiche wichtige Medienmanager, um über die neuesten Entertainment-Trends zu diskutieren. Das Thema US-Streamingdienste hing dabei allgegenwärtig wie ein Damoklesschwert über der gesamten europäischen Branche, selbst wenn sich dies in der umfangreichen öffentlichen Berichterstattung kaum jemand anmerken lassen wollte. Vielmehr ging es darum, die eigenen Highlights in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei kristallisierten sich zwei deutliche Entwicklungen heraus, mit denen die Zuschauer neben dem Start von großen US-Streamern in diesem und im kommenden Jahr rechnen dürfen.
Alternative Einnahmequellen
Treffpunkt der Medienbranche unter Palmen: Die MIPCOM in Cannes
Foto: MIP Markets
Branchenprimus Netflix hatte schon mehrfach die Preise erhöht. Bei mittlerweile rund 12 Euro für das Standard-Abo in HD scheint aber für viele Nutzer offenbar die Schmerzgrenze erreicht zu sein. Einige Netflix-Fans sind mittlerweile zum Konkurrenten Prime Video abgesprungen, obwohl dieser gerade beim Thema Eigenproduktionen gegenüber dem Unternehmen aus Los Gatos keineswegs die Nase vorn hat. Für Netflix ist das ein Dilemma: Einerseits wollen die Zuschauer immer mehr neuen und exklusiven Content, jedoch bei nachlassender Zahlungsbereitschaft und deutlich stärkerem Wettbewerb für die bereits am Markt agierenden Platzhirsche.
Doch es gibt womöglich eine Alternative: So hat beispielsweise Rakuten auf der MIPCOM angekündigt, in Europa ein kostenloses sowie werbefinanziertes Streamingangebot auf den Markt zu bringen. Dieses wird auch in Deutschland über deren Plattform verfügbar sein. Zwar dürften deshalb bei den meisten US-Studios noch nicht gerade die Alarmglocken schrillen, dennoch macht es den Wettbewerb keineswegs leichter, zumal auch Amazon bereits angekündigt hatte, seinen in den Vereinigten Staaten durchaus erfolgreichen AVoD-Service "IMDb TV" in Europa auf den Markt zu bringen. Werbefinanzierte Streaming-Dienste werden also zukünftig auch in Deutschland eine deutlich stärkere Rolle spielen, so hatte auch ProSieben-Chef Max Conze bereits angekündigt, dass man bei diesem Thema vor allem auf Werbeeinnahmen setzt.
Mehr lokaler Content
Mit Spannung wird in Deutschland der Start des Premium-Angebots der ProSieben-Tochter Joyn im Winter erwartet. Die Beta-Phase der Joyn-App gibt dabei offenbar schon den einen oder anderen Hinweis auf das Angebot preis. Sollte es dabei bleiben, können die Nutzer das Kombinationsangebot aus Maxdome-Inhalten, dem Eurosport-Player sowie Live-TV in HD für 6,99 Euro im Monat abonnieren. Das wäre durchaus eine Kampfansage an Anbieter wie Zattoo und Waipu TV, ob man damit jedoch auch Disney, Amazon und HBO das Wasser reichen kann, steht dennoch auf einem ganz anderen Blatt Papier. Punkten will Joyn-Chefin Katja Hofem auf jeden Fall mit Eigenproduktionen sowie lokalen Inhalten. Im Mittelpunkt dürfte dabei ganz eindeutig die Produktion "Dignity" stehen. In der deutsch-chilenischen Koproduktion wird die Geschichte der deutschen Sekte Colonia Dignidad erzählt. Mit an Bord ist unter anderem der ehemalige James Bond-Bösewicht Götz Otto. Es ist deutlich erkennbar, dass Joyn stärker auf ein eigenes Profil setzt und sich zu einer "Content-Engine" innerhalb der ProSieben-Gruppe entwickelt.
Umdenken bei US-Diensten
Von Seiten der großen US-Studios war auf der diesjährigen MIPCOM nicht viel zu hören, doch schon im Vorfeld hat sich klar gezeigt, dass auch hier beim Content ein Umdenken stattfindet. Während es zunächst lediglich darum ging, die eigene US-Lizenzware weltweit zugänglich zu machen, will man nun verstärkt auf regionale Eigenproduktionen setzen, um damit insbesondere den regionalen Geschmack in Europa und den asiatischen Märkten zu bedienen. Dass diese Strategie offenkundig aufgeht, demonstrierte Netflix bereits mit der deutschen Serie "Dark", welche auch international zum Erfolg avancierte. Sollten allerdings US-Studios stärker in lokale Inhalte investieren, dürfte dies letztendlich jedoch wieder zum Problem für nationale Medienkonzerne werden, da die US-Streamer nicht nur im Bereich Budget, sondern auch bei einer internationalen Vermarktung die Nase eindeutig vorn haben. Nun wird die Zukunft zeigen, ob deutsche Medienkonzerne wie ProSieben und RTL den lokalen Content zum eigenen Vorteil nutzen können.
2020 bleibt spannend
Bei einer Content-Messe wie der MIPCOM ist es natürlich nicht nur interessant was gesagt, sondern vor allem was nicht gesagt wurde. Jeder redet über Streaming, jedoch kaum jemand über das lineare Fernsehen. Und damit wurde auch in diesem Jahr wieder sehr deutlich, wohin die Reise in der Medienbranche geht. Primär wird über das Angebot und den Preis von On-Demand-Inhalten diskutiert. Das klassische, lineare Fernsehen wirkte dabei erneut wie ein Relikt aus vergangener Zeit, das bestenfalls noch als Resterampe für Inhalte gilt, welche im Streaming bereits hoch und runtergespielt wurden. Dabei zeigen Angebote wie Joyn, dass man durchaus beide Welten sinnvoll miteinander verbinden kann. Letztendlich wird sich aber spätestens im Winter zeigen müssen, ob dieses Konzept auch bei den Zuschauern in Deutschland aufgeht, oder die US-Streamer ihre Position im deutschen Medienmarkt endgültig zementieren.