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Editorial: Tchibo holzt den Tarifdschungel ab

Erster Provider für o2 bringt neue Impulse
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"Deutlich niedrigere Preise" sagte im Frühjahr die Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton [Link entfernt] den geplagten deutschen Mobilfunkkunden voraus. "Virtuelle Netzbetreiber", die (Über)-Kapazitäten bei bestehenden Anbietern anmieten und günstig weiterverkaufen, sollten den Preisrutsch bewirken. Mit Tchibo geht jetzt der erste entsprechende Anbieter an den Start.

Eine "Discounter-Revolution" ist das Auftreten von Tchibo aber nicht. Zwar haben die Tchibo-Karten einen Einheitspreis von 35 Cent für Telefonate in alle Netze, was zur Hauptzeit gut 50% unter den Tarifen der meistverwendeten Prepaid-Karten liegt. Doch zur Nebenzeit dreht sich das Bild um: Von Freitag, 20 Uhr, bis Montag, 7 Uhr, kostet ein Telefonat ins Festnetz bei Tchibo glatt das Fünffache wie bei o2 loop classic. Bei denjenigen Kunden, die ihr Handy mal unter der Woche, mal am Wochenende, und auch oft in unterschiedliche Netze verwenden, dürften sich die Vor- und Nachteile damit in etwa ausgleichen.

Revolutionär an Tchibos neuer Karte ist hingegen der Verzicht auf Schnäppchenpreise und Minutenpakete. Denn viele Verbraucher werden durch Tarife überfordert, die sich nach Tageszeit, angerufenem Netz, Aufenthaltsort, bisher bereits vertelefonierten Minutenzahlen und/oder besonders geschalteten "Lieblingsnummern" richten. Leicht wird dadurch ein Telefonat teurer als erwartet. Tchibos Preise sind hingegen für jedermann überschaubar.

Fraglich jedoch, ob Tchibos Konzept im "Schnäppchenparadies Deutschland" aufgehen wird. Denn statt mit dem billigst-möglichen Preis wirbt Tchibo faktisch mit dem teuersten. Ohne vergleichende Werbung, wie noch viel teurer andere Prepaid-Karten sein können, könnte Tchibos Konzept schwierig werden. Denn kein Netzbetreiber kommuniziert seine Maximalpreise derzeit in großen Ziffern. Und so ist zu befürchten, dass auch Tchibo bald den "Kahlschlag im Tarifdschungel" aufgibt, und wie alle anderen auf Schnäppchen zur einen und Hochpreise zur anderen Zeit setzt.

Zu hoffen ist jedoch, dass Tchibo den Einheitspreis tatsächlich etablieren kann. Denn, wenn später ein anderer Anbieter mit günstigerem Minutenpreis auf den Markt kommt, kann der Verbraucher direkt vergleichen, ohne sich mit Zeitzonen, Minutenpaketen und anderen Details herumschlagen zu müssen. Das könnte wiederum den einen oder anderen Anbieter motivieren, tatsächlich einen Preiskampf zu versuchen.

Technisch ist hingegen nichts besonderes an dem Angebot von Tchibo. Letztendlich arbeitet Tchibo nicht einmal als "virtueller Netzbetreiber", wie damals Quam, sondern nur als Vermarktungspartner von o2. Tchibo-Karten werden von der gleichen Plattform wie o2-LOOP abgewickelt. Nur sind eben andere Preise hinterlegt - was hoffentlich auch so bleibt.