Einigung

Kompromiss im Streit um Roaming-Gebühren

Neue Verordnung soll automatisch für alle Verbraucher gelten
Von Björn Brodersen mit Material von dpa

Die Vertreter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, des Europaparlaments und der EU-Kommission haben heute im Streit um die Handy-Auslandsgebühren in Europa eine Einigung erreicht. Der Kompromiss sieht vor, dass die Roaming-Gebühren auf höchstens 49 Cent je Minute für abgehende Anrufe und auf 24 Cent für angenommene Anrufe abgesenkt werden, hieß es aus den Delegationen. Die neue Verordnung solle bis Mitte Juli in Kraft treten. Nach einem weiteren Jahr sollen die Gebühren auf 46 Cent, im dritten Jahr auf 43 Cent sinken. Die Gebühren für angenommene Anrufe sollen auf 22 und dann 19 Cent sinken. Besonders die EU-Kommission dringt seit langem auf eine Gebührensenkung, da die Gebühren in Europa teilweise bis zu 3 Euro je Minute betragen.

Das Europäische Parlament und die EU-Regierungen müssen dem Kompromiss zustimmen. Das Parlamentsplenum soll am 24. Mai abstimmen, die zuständigen Fachminister auf ihrem Ministerratstreffen im Juni. Die neue Verordnung solle Anfang oder Mitte Juli in Kraft treten, hieß es. Der neue Tarif solle automatisch für alle Verbraucher gelten, mit Ausnahme derjenigen, die sich bereits für einen Tarif mit besonderen Roaming-Konditionen entschieden hätten. Die Verbraucher sollen in einem Brief über den Schutztarif informiert werden und dann zwei Monate Zeit erhalten, sich dagegen zu entscheiden. Ansonsten tritt er automatisch in Kraft.

Roaming-Preise gehen runter - aber nur teilweise und ein bisschen

Da es sich bei den vereinbarten Preisen um Nettobeträge handelt, wird die Ersparnis der Endkunden in diesem Sommer bei Handy-Telefonaten im Ausland gegenüber den bisherigen Entgelten deutlich geringer ausfallen als ursprünglich erhofft. Die Nutzer werden dann brutto 58,31 bzw. 28,56 Cent pro Minute zahlen, im dritten Jahr nach Inkrafttreten der Verordnung 51,17 bzw. 22,61 Cent pro Minute. Der Kompromiss beinhaltet sogar etwas schlechtere Konditionen für die Verbraucher als der Vorschlag, den die der EU-Kommission und die europäischen Tk-Minister auf der diesjährigen CeBIT vorstellten. Vor allem der Preis für eingehende Telefonate im Ausland fällt unerwartet hoch aus und bleibt nur knapp unter dem Niveau von 30 Cent, das zuletzt Wirtschaftsminister Glos ins Gespräch brachte.

Mit den so genannten Welttarifen telefonieren zum Beispiel die Kunden von T-Mobile und - mit EU-Option - o2 für 59 Cent pro Minute in viele EU-Staaten, bei E-Plus sind es mit 79 Cent pro Minute in Partnernetze und sonst 99 Cent etwas mehr. Bei Vodafone zahlen die Kunden mit dem ReiseVersprechen zu den im Inland geltenden Preisen zusätzlich einmalig 75 Cent für Telefonate aus einem EU-Land nach Deutschland. Für ankommende Gespräche im europäischen Ausland fallen für die Kunden des Düsseldorfer Netzbetreibers mit ReiseVersprechen sogar nur einmalig 75 Cent für die erste Stunde an. Erst danach wird jede weitere Minute mit 20 Cent berechnet.

Somit zahlen Urlauber künftig zwar etwas weniger als bisher, wenn sie im Ausland zum Handy greifen und ihren herkömmlichen Mobilfunktarif nutzen - die Hoffnungen, die Politiker würden ihren ursprünglichen Forderungen nach deutlichen Preissenkungen Taten folgen lassen, macht der jetzt gefundene Kompromiss jedoch zunichte. Ein Ende bereitet die neue EU-weite Regelung dagegen - wenn sie schließlich eingeführt wird - all denjenigen Minutenpreisen, die oberhalb der neuen Höchstgrenze liegen - das betrifft beispielsweise die Roaming-Preise vieler Prepaid-Angebote. Positiv ist also, dass die Preise für Handy-Telefonate im Ausland (innerhalb der EU) überschaubarer werden.

Für Reisende und Urlauber kann sich daher in diesen Sommerferien das Ausweichen auf spezielle Discount-Tarife für das Ausland empfehlen, die wir vor einigen Tagen miteinander verglichen haben, oder alternative Kommunikationswege wie etwa der SMS-Versand, die Internet-Telefonie (VoIP) oder Callingcards. Mehr Informationen zum Telefonieren im Ausland erhalten Sie auf unserer Infoseite.

Mobilfunkbetreiber bedauern Eingriff des Regulierers

Die deutschen Mobilfunkanbieter äußern sich vorerst nicht zu den wirtschaftlichen Folgen der sich abzeichnenden neuen Gebührenordnung bei Auslandstelefonaten in der EU. Diese müssen erste errechnet werden, sagte ein T-Mobile-Sprecher heute. Auch von Vodafone hieß es, man müsse erst den kompletten Bericht abwarten und analysieren. "Regulierung ist einem so wettbewerbsintensiven Markt nie gut. Daher bedauern wir die Entscheidung", sagte T-Mobile-Sprecher Stefan Zuber. Man sei aber mit den derzeitigen Tarifen bereits "nicht weit von den neuen Preisen entfernt". Allerdings hatten die Mobilfunkbetreiber ausreichend Zeit, selbst für niedrigere Roaming-Gebühren zu sorgen.

Die Vorsitzende des EU-Industrieausschusses, Angelika Niebler (CSU), begrüßte den Durchbruch. "Der Markt hat sich in den letzten Jahren beim Roaming kaum entwickelt", erklärte sie. "Nun muss die Politik für günstigere Preise sorgen." Mit Inkrafttreten der neuen Regeln rechnet sie aber erst ab Herbst.

Die im Verband VATM zusammengeschlossenen Wettbewerber der Deutschen Telekom begrüßen zwar grundsätzlich die Tarifsenkung, äußern aber zugleich Bedenken. Die Vorleistungspreise seien zu hoch festgelegt worden und auch die Doppelregulierung von Großhandels- und Endkundenpreisen sei kritisch zu sehen. "Im Verhältnis zu den Endkundenpreisen liegen die Vorproduktpreise immer noch deutlich zu hoch. Dies benachteiligt insbesondere kleinere Anbieter, weil sich die großen Netzbetreiber untereinander bereits heute deutlich günstigere Einkaufskonditionen einräumen", betont der VATM.

Wichtige Einnahmequelle für Mobilfunkbetreiber

Die Roaming-Gebühren sind für die Anbieter von Mobilfunknetzen eine wichtige Einnahmequelle. Mit jährlich fünf Milliarden Euro entfallen knapp sechs Prozent der gesamten Umsätze darauf. Vor allem Anbieter in südlichen Urlaubsländern, wie die spanische Telefónica und Telecom Italia, bitten die Mobilfunknutzer kräftig zur Kasse. Nach Einschätzung der EU-Kommission ist etwa jeder dritte Bürger - 147 Millionen Menschen - von den Roaming-Gebühren betroffen. Mehr als zwei Drittel davon sind Geschäftsreisende.

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Artikel aus dem Themenspecial "Reise und Roaming"