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Editorial: Klein, kleiner, Handy

Entwicklung der Dienste hängt den Möglichkeiten der Hardware hinterher
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Wieder ist (fast) eine Woche auf dem Mobile World Congress in Barcelona vergangen, und wir haben wieder gelernt: Es gibt fast nichts, was sich nicht so verkleinern ließe, das es nicht in ein Handy passen würde: Multi-Megapixel-Kamera, GPS-Navigationsgerät, Beamer, Speicherkarten-Leser, Musikabspieler und vieles mehr. Ach ja, und bevor wir es ob der anderen Features vergessen: Ein mobiles Telefon ist auch noch eingebaut.

Wie schon letztes Jahr: Die angesichts der Umsatzbringer der Branche vermeintlich wichtigsten Themen, nämlich die Verbesserung der Sprachqualität und neue Dienste rund um Audio, fristeten nur ein Mauerblümchendasein. Schade.

Stattdessen lernten wir bei Ericsson, dass Telstra mit einem milliardenschweren neuen UMTS-Netz, das 99 Prozent der Bevölkerung Australiens abdeckt, das Wunder vollbracht hat, dass breitbandige Datendienste nun denselben Umsatz erzielen wie SMS. Dass der Ertrag mit den SMS um ein Vielfaches höher ist, da der technische Aufwand um Faktoren geringer ist, erwähnte der Vortragende nicht.

Angststarre in der Mobilfunkbranche

Wichtige Mobilfunkstandards, in dieser oder ähnlicher Form auf vielen Messeständen beworben. Angesichts der relativen Erfolglosigkeit vieler neuer Dienste geht in der Branche die Angst um, die alten, angestammten Umsätze zu verlieren. Dieses geht bis hin zur Angststarre: "Hilfe, meine etablierten Umsätze brechen mir weg!". Das betrifft mobile Datendienste ("eine GPRS-Sitzung darf nicht billiger sein als eine SMS") ebenso wie Roaming ("ich schlachte diesen Goldesel nur, wenn es mein Konkurrent zuerst tut") oder Transparenz ("warum soll der Verbraucher so genau wissen, mit welchen Verbindungen er in die Kostenfalle tappt?").

Die Folge dieser Angst und des daraus folgenden Geschäftsgebarens ist, dass keine oder kaum neue Umsätze entstehen. Eine unpersönliche Information, die ein Nutzer in einem WAP-Portal nachschlägt, ist ihm oder ihr in der Regel weniger wert als der Versand einer persönlichen SMS an Freunde und Bekannte. Wenn WAP folglich teurer ist als SMS, wird es nicht benutzt. Und der Kunde, der mangels Transparenz einmal eine Horror-Rechnung erhalten hat, wird künftig alle Dienste bestmöglich meiden, auch die bezahlbaren.

Bei internet-basierten Instant-Messaging-Diensten sind wir es gewohnt, zu sehen, ob unsere Freunde ebenfalls online sind. Auch in den Mobilnetzen wäre es mit vertretbarem Aufwand implementierbar, dass Status-Informationen ("bin gerade im Meeting", "bin für ein Schwätzchen aufgelegt" etc.) automatisch zwischen Nutzern weitergegeben werden, wenn beide Seiten diesem Austausch zugestimmt haben. Klar würde das so manche Info-SMS überflüssig machen, und ebenso würden weniger Anrufe nutzlos auf der Mailbox landen. Beides bedeutet Umsatzverlust für die Anbieter. Doch sollte die Weitergabe der Status-Information das Medium Mobilfunk noch persönlicher machen, und diese Aufwertung mittelfristig zu steigenden Umsätzen beitragen. Doch verhindert die Angst vor dem Umsatzverlust, dass solche interessanten zusätzlichen Features in die Netze kommen.

Ich persönlich glaube, dass es die kleinen, persönlichen Dinge sind, die den Netzbetreibern am Schluss viel mehr zusätzlichen Ertrag bescheren können als die großen und teuren Entwicklungen wie Videotelefonie oder breitbandige Datendienste. Zwar werden sich Datendienste durchsetzen, sobald sie preislich in die Nähe von DSL kommen. Doch sind die zusätzlichen Erträge im Vergleich zu den Netzaufbaukosten gering; entsprechend lang sind die Amortisationszeiten.

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