5G-Netzausbau

1&1-Drillisch will bis Jahresende Klarheit über 5G-Netzausbau

5G-Ausbau: Der vierte Netz­betreiber 1&1 bleibt unbe­irrt: "Wir wissen genau, was wir bauen und dafür zahlen wollen". Seine Konkur­renten haben es weniger eilig.
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Der Chef von 1&1, Ralph Dommermuth, legte seine Zahlen vor und verfolgt seine Ziel als vierter Netzbetreiber Der Chef von 1&1, Ralph Dommermuth, legte seine Zahlen vor und verfolgt seine Ziel als vierter Netzbetreiber
Foto/Logo: United Internet AG, Montage: teltarif.de
Von der Öffent­lich­keit fast unbe­merkt, stellte die 1&1-Dril­lisch AG gestern ihre Geschäfts­zahlen vor. Dabei gewährte Firmen­chef Ralph Dommer­muth einen kleinen Einblick in die Tätig­keit des mehr oder weniger sagen­umwit­terten vierten Netz­betrei­bers.

Das Unter­nehmen 1&1-Dril­lisch ist eine Akti­enge­sell­schaft und bietet Breit­band-Anschlüsse im Fest­netz für aktuell 4,34 Millionen Kunden an, die über Tech­nolo­gien von ADSL bis VDSL und Glas­faser (FTTH) erreicht werden, teil­weise über eigene Leitungen, teil­weise über gemie­tete Leitungen von anderen Netz­betrei­bern, etwa der Deut­schen Telekom oder verschie­denen Stadt­netzen (City­carrier).

ADSL rück­läufig - 10 Millionen Mobil­funk-Kunden

Der Chef von 1&1, Ralph Dommermuth, legte seine Zahlen vor und verfolgt seine Ziel als vierter Netzbetreiber Der Chef von 1&1, Ralph Dommermuth, legte seine Zahlen vor und verfolgt seine Ziel als vierter Netzbetreiber
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Das "alte Geschäft" mit ADSL (bis maximal 16 000 kBit/s) sei stark rück­läufig, berich­tete Dommer­muth. Er freut sich über knapp zehn Millionen Mobil­funk-Kunden ("mobiles Breit­band").

Daneben gehören auch die E-Mail-Anbieter web.de und gmx.de zum Konzern, sowie einige erwor­bene Marken der "Scout"-Gruppe, ferner die Discount-Ange­bote des über­nommenen Unter­nehmens Dril­lisch, wie Your­fone und unzäh­lige andere Marken.

Noch kein eigenes Mobil­funk­netz

Im Mobil­funk arbeitet 1&1-Dril­lisch noch eng mit der Telefónica zusammen, da 1&1-Dril­lisch noch über kein eigenes Mobil­funk-Netz verfügt. Aufgrund der Auflagen zur Fusion von E-Plus und Telefónica hat 1&1-Dril­lisch aktuell Zugriff auf bis zu 30 Prozent Netz­kapa­zität der Telefónica. "Wir haben noch kein eigenes Netz, wir wollen das ändern" kündigte Dommer­muth an.

Bereits 2019 hatte er im Zug der "5G-Verstei­gerung" Frequenzen erworben: Das sind 5 x 10 MHz bei 3,6 GHz, die spätes­tens ab Januar 2021 nutzbar sind und ihn 61 Millionen Euro jähr­lich kosten, zahlbar vom Jahre 2019 bis 2030. Ferner hat er 2 x 10 MHz (genauer zweimal 2 x 5 MHz gepaart) bei 2,1 GHz gekauft, wofür er von 2025 bis 2030 jeweils 67 Millionen Euro pro Jahr zahlen muss.

Zusätz­lich hat sein Unter­nehmen bei der Telefónica Frequenzen gemietet, das sind 2 x 10 MHz auf 2,6 GHz, die bis 2025 nutzbar sind. Die Bundes­netz­agentur habe allen Anbieter erlaubt, ihre Lizenz­zahlungen zu stunden, dafür habe man Ausbau­verpflich­tungen auch in den "weiße Flecken" akzep­tiert. Durch den Frequenz-Erwerb und die Anmie­tung habe sich 1&1-Dril­lisch als 4. Netz­betreiber etabliert.

790.000 neue Mobil­funk-Kunden

Dommer­muth freut sich, gegen­über dem Vorjahr 790.000 neue Mobil­funk-Kunden begrüßen zu dürfen, ein Jahr zuvor waren es noch 900.000 neue Kunden gewesen. Dem stehen 4,34 Millionen Kunden im Fest­netz ("Breit­band" ADSL, VDSL, FTTH) zur Seite. Beim Mobil­funk erlebte er ein gutes viertes Quartal, 210.000 Kunden unter­schrieben neu bei einer seiner Marken, in den Quar­talen zuvor waren es jeweils 170.000 Kunden gewesen.

Der Umsatz sei um 1,1 Prozent auf knapp 3,7 Milli­arden Euro gestiegen. Das Geschäft sei margen­schwach (= man kann wenig daran verdienen), weil es von güns­tiger Hard­ware abhänge und 2019 weniger Hard­ware als im Vergleich zu 2018 verkauft worden sei. Das hänge von der Attrak­tivität der Handy-Hersteller und der Höhe der gewährten Subven­tionen ab.

Stei­gender Service-Umsatz

Der reine Service-Umsatz (also Mobil­funk­verträge ohne Handy) sei um 3,1 Prozent auf 2,94 Milli­arden Euro gestiegen und liege damit im Rahmen seiner Erwar­tungen.

Das Ebitda, also der Verdienst vor Steuern, Schulden und Abschrei­bungen seit mit Minus 5,3 Prozent anders als geplant gewesen. Die neue Bilanz­rech­nung (IFRS16) brachte Verbes­serungen, aber die Start­kosten für das künf­tige 5G-Netz schlugen mit 5,7 Millionen zu Buche und eine uner­wartete Preis­erhö­hung bei der Teil­nehmer­anschluss­leitung (TAL) "das hatten wir vorher so noch nie" und regu­lierte SMS-Kosten in der EU verha­gelten die Bilanz und weniger Rabatt bei einem Vorleister. Zwar liefen noch die Verfahren, aber "im Moment ist das so". Ohne diese Einflüsse wären es rein rech­nerisch plus 4,8 Prozent gewesen, was ihm zeigte, dass "sich das Geschäft schön entwi­ckelt hat."

1&1-Drilisch wird dieses Mal nur die gesetz­liche Mindest­divi­dende 5 Cent pro Aktie zahlen. Hinter­grund ist der kommende Ausbau der 5G-Netze, da müsse man sein Geld zusam­menhalten.

Verhand­lungen über natio­nales Roaming während der Aufbau­phase

Es ist in vielen Ländern üblich, dass neue Netz­betreiber auch die Netze der etablierten Anbieter nutzen dürfen, bis sie ihr eigenes Netz aufge­baut haben. Beispiele sind das "D1-Roaming" zwischen VIAG-Interkom (heute o2) und der Telekom, oder zwischen Orange (heute Salt) und der Swisscom in der Schweiz oder zwischen "Free" und Orange (France Telecom) in Frank­reich. "In Deutsch­land ist das nicht regu­liert, aber es gibt ein Verhand­lungs­gebot."

Derzeit werde über National Roaming aber auch über Infra­struktur-Sharing disku­tiert und sein Unter­nehmen habe auch mit verschie­denen Netz­ausrüs­tern schon verhan­delt.

Ausbau des Glas­faser­netzes für 5G

Parallel dazu baut die Tochter 1&1-Versatel ihr Glas­faser­netz aus, um später für die 5G-Basis­stationen größere Kapa­zitäten durch­leiten zu können. Man bereite künf­tige Stand­orte vor, die Anbin­dung solle per Glas­fasern erfolgen. Dommer­muth möchte noch dieses Jahr seine Vorbe­reitungen abschließen, und dann den Netz­aufbau beginnen.

Für 2020 stellt sich Dommer­muth 500.000 neue Kunden­verträge vor. Seinen künf­tigen Umsatz und das Ergebnis erwartet er in etwa auf Vorjah­resni­veau. Er habe viele Abonennten und ein stabiles Geschäfts­modell, denn Handy­verträge werden immer und überall gebraucht.

Fort­schritte beim National Roaming?

Beim disku­tierten National-Roaming sei Telefónica sicher ein "natür­licher Partner", aber er rede auch mit den anderen. "Diese Verhand­lungen sind nicht leicht. Wir hatten eigent­lich geplant, diese bis September 2019 abzu­schließen."

Da die anderen drei Netz­betreiber damals gegen die 5G-Verga­bericht­linien geklagt hatten und "die Haupt­verfahren noch laufen", haben sie es gar nicht eilig. "Ja", räumte Dommer­muth ein, "wir machen kleine Fort­schritte, mit gutem Willen kann das schnell gehen." Er bestä­tigte, dass "wir machen heute viel mit Telefónica, aber das Verhand­lungs­gebot gilt auch für Telekom und Voda­fone". Er müsse schauen, wie er das hinbe­kommt.

Werde er einen Exklusiv-Vertrag bekommen, wie wird die Qualität des Ange­botes aussehen? Das sei ein sehr komplexes Thema und müsse in Verträgen, die mehrere 100 Seiten umfassen könnten, fest­gelegt werden. "Die Partner wollen das nicht so schnell erle­digt haben."

Wer liefert die Technik?

Bei der Frage nach dem gewählten Netz­ausrüster hänge das mit der Frage zusammen, ob und welches National Roaming es geben werde. "Wir können erst konkret werden, wenn das National Roaming geklärt ist." Die Rahmen­bedin­gungen änderten sich andau­ernd: "Stich­wort China, wir haben mit verschie­denen Liefe­ranten verhan­delt." Und Dommer­muth weiß genau, "was wir bauen wollen und was das kosten soll".

Im Zuge der aktu­ellen Krise sieht sich Dommer­muth gut gewappnet. Das Geschäft laufe stabil, aber habe keinen Bench­mark (Vergleich) um sehen zu können, wie es bei seinen Wett­bewer­bern laufe. Viele seiner Mitar­beiter arbei­teten im Home­office, viele Abläufe seien parallel orga­nisiert, wie die Versand- und Logis­tikzen­tren, es gäbe keine Kurz­arbeit. Seine Online-Shops seien ohnehin "auf Distanz ausge­richtet."

Im ersten Quartal 2020 konnte Dommer­muth bereits 100.000 Neukunden begrüßen und er vermutet, dass es im Folge­quartal mehr werden, "weil es weniger Kündi­gungen gibt. Die Leute wollen im Moment weniger das aller­neueste Handy haben."

Eine Einschät­zung

Während Beob­achter noch grübeln, welche Chancen oder Vorteile ein vierter Netz­betreiber wirk­lich haben könnte, verfolgt 1&1-Dril­lisch-Chef Ralph Dommer­muth unbe­irrt sein Ziel weiter. Seine konkur­rierenden Netz­betreiber sehen es mit Grausen, denn allen ist klar, dass 1&1-Dril­lisch den Markt nur mit güns­tigen Preisen aufrollen kann. Da hat kein Wett­bewerber wirk­lich große Lust, durch die Vermie­tung des eigenen Netzes, dem Neuein­steiger beim Start mehr als unbe­dingt notwendig zu helfen.

Für den Mobil­funk-Freak, der sich auskennt, wäre eine SIM-Karte, die sich viel­leicht zugleich oder abwech­selnd bei Telekom, Voda­fone, Telefónica und 1&1-Drilisch einbu­chen könnte, natür­lich ein inter­essantes Objekt der Begierde.

Ältere Nutzer erin­nern sich noch an den Markt­start von VIAG-Interkom (heute o2), wo genau das mit einer Swisscom-Kennung möglich war. Die Konkur­renz war damals von faszi­niert bis sauer. Mannes­mann/Voda­fone kündigte damals schnell eine Blockade der "Geis­terfahrer" im eigenen Netz an. VIAG gab das Produkt auf und schloss einen direkten Vertrag mit der Telekom ab.

Dommer­muth hat das Netz von Telefónica als Rück­fall­ebene und wird zunächst nur in höchst rendi­teträch­tigen Ballungs­gebieten an den Start gehen und später nur dort die weißen Flecken ausbauen, wo es regu­lato­risch gar nicht anders geht.

Denkbar wäre auch - im Moment rein theo­retisch - die Bildung einer Deut­schen Netz-Gesell­schaft, die dann wirk­lich bundes­weit flächen­deckend (und zwar wirk­lich flächen­deckend) ein gemein­sames Netz ausbaut und allen vier Anbie­tern gleich­berech­tigt zur Verfü­gung stellt. Ob dabei parallel die Preise weiter sinken oder am Ende sogar steigen werden, kann heute mit Gewiss­heit niemand sagen.

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