Breitband: Rechtsanspruch im Grundgesetz?
Die berüchtigte "Neuland"-Pressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama im Jahr 2013
Foto: Michael Sohn/AP
Es hat sich wirklich an jeder Ecke herumgesprochen, dass Deutschland in Sachen Technologieentwicklung (vorsichtig formuliert) nicht auf den vorderen Plätzen mitspielt. Das erkennt man natürlich einerseits am Umstand, dass fast alle relevanten Tech-Konzerne von Google über Twitter bis Apple in den USA sitzen. Oder daran, dass mit SAP lediglich noch ein deutscher Softwarekonzern relevant genug ist, um an den internationalen Börsen überhaupt eine Rolle zu spielen.
Es gibt aber noch andere Indikatoren, an denen man den Rückstand Deutschlands im Technologiesektor festmachen kann. Die Rede ist vom Zustand der Kommunikationsnetze. Egal ob Glasfaserausbau oder 5G: Was in anderen Teilen der Welt bereits Realität ist, versinkt in Deutschland irgendwo zwischen angeblich unrealistischer Finanzierung, regulatorischen Auseinandersetzungen oder schlicht und einfach politischem Unwillen. Und selbst wenn dies nicht so wäre, fände sich bestimmt irgendeine Bürgerinitiative, welche erfolgreich aus Gesundheitsgründen gegen einen 5G-Mast klagt. Doch kann sich die (noch) führende Industrienation in Europa diese Debatte überhaupt leisten?
Deutschland im Daten-Stau
Die berüchtigte "Neuland"-Pressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama im Jahr 2013
Foto: Michael Sohn/AP
Legendär ist die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel, das Internet sei für uns alle "Neuland". So einen Satz hätte man vielleicht noch in den späten 1980ern oder Anfang der 90er durchgehen lassen können. Nicht aber im Jahr 2013 von einem deutschen Regierungschef und schon gar nicht, wenn man ihn im Rahmen einer öffentlichen Pressekonferenz neben dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama äußert. Dieses Beispiel zeigt aber nicht nur das Maß an technologischer Ignoranz in der Regierung, sondern ebenso wie wenig man aus bisherigen Entwicklungen gelernt hat.
Auch im Jahr 2020 fällt Deutschland beim Glasfaserausbau, bei 5G und der Vorgängertechnologie 4G sogar teils hinter beispielsweise wirtschaftlich weniger entwickelte süd- bzw. osteuropäische Länder zurück (von asiatischen Staaten wie China, Südkorea oder Japan mal ganz zu schweigen). Selbst wer also beim Thema Breitband-Internet mangels Glasfaser auf Mobilfunk umschwenken möchte, wird enttäuscht. Denn wenn es überhaupt Netz gibt, sind die Tarife für unbegrenztes Surfen im internationalen Vergleich nach wie vor horrend teuer und damit für viele Bürger sogar unerschwinglich.
In Zeiten von Gigabit-Glasfaseranschlüssen ist für viele Deutsche eine 16 000er DSL-Kupferleitung noch die bittere tägliche Realität. Für so ein "Highlight" dürfen Kunden des ehemaligen Monopolisten Deutsche Telekom dann auch noch 34,95 Euro pro Monat berappen und sich zwei Jahre an den Vertrag binden. Natürlich spielt dem Magenta-Riesen aus Bonn hier auch in die Hände, dass sich viele Kunden beim Thema Anschlusswechsel eher träge zeigen und ihrem Anbieter trotz Preiserhöhungen nicht die rote Karte zeigen. Doch das ist erfahrungsgemäß meistens keine gute Idee.
"Neuland" muss ins Grundgesetz
Es ist geradezu paradox, welche Debatten in Deutschland geführt werden. Insbesondere SPD und Grüne diskutieren über kostenlosen Nahverkehr, doch das weitaus wichtigere Internet ist für die Parteien eigentlich nur eine fast schon überflüssige CO2-Schleuder und wird zur Randnotiz oder rückt bestenfalls noch in den Blickpunkt, wenn es um die Bekämpfung von "Hatespeech" geht. Im Grunde sollen sich die Bürger schämen, überhaupt Streaming-Dienste zu benutzen.
Die Cloud-Netzwerke von Amazon, Netflix und Co. sind ja bekanntermaßen klimaschädlicher als so mancher Urlaubsflug nach Gran Canaria (den man sowieso auch gleich ganz streichen möchte). Es entsteht schon fast der Eindruck, die Regierung würde ihre Bürger am liebsten offline sehen, dann müsste man sich mit lästigen Themen wie dem Netzausbau oder Meinungsfreiheit in sozialen Medien gar nicht mehr beschäftigen.
Viel wichtiger wäre aber, dass breitbandige Internetanschlüsse wie auch Strom, Wasser und Heizung zur selbstverständlichen Daseinsvorsorge für alle Bürger sowie Unternehmen gehören und der Anspruch darauf in einen rechtsverbindlichen Rahmen gegossen wird. Und zwar in einen grundgesetzlichen Rahmen.
Breitband-Internet für alle Bürger
Was sich Deutschland auf keinen Fall erlauben kann, sind weitere zehn Jahre Stagnation im Hinblick auf einen Ausbau der Kommunikationsnetze. Bevor die Politik ein Grundeinkommen für jeden Bürger diskutiert, könnte man doch zunächst eine Nummer kleiner anfangen und allen Haushalten eine Glasfaser-Internetanbindung aus Steuermitteln finanzieren.
Das mag sich vielleicht utopisch anhören, wäre aber neben der Sanierung von Straßen, Schulen und sonstiger Infrastruktur ein wirkliches Investitionsprogramm für Deutschland, von dem alle Bürger und Unternehmen langfristig und somit nachhaltig profitieren. Die FDP hatte zum Anlass von 70 Jahren Verfassung bereits angeregt, die Freiheit des Internets in Artikel 5 zu verankern. Ein diskussionswürdiger Ansatz, welchen man jedoch in jedem Falle auch um das "technologische" Grundrecht auf schnelles Internet erweitern sollte.