Online-Enzyklopädie

Brockhaus online im Test: 6 Euro für mehr Wissen

Nach der Einstellung der Lexikon-Ausgabe war der legendäre Brockhaus lange ver­schwunden. Nun dürfen auch Privat­personen auf die Online-Ausgabe zugreifen. Kann die Enzyklopädie der Wikipedia Konkurrenz machen?
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Brockhaus online im Test Brockhaus online im Test
Logo: Brockhaus / NE GmbH
Lange Zeit war sie eine Legende: Die gedruckte Brockhaus-Enzyklopädie, die ab dem Jahr 1796 erarbeitet und von Friedrich Arnold Brockhaus ab 1808 erstmals herausgegeben wurde, galt als eine der ersten umfassenden Universal-Enzyklopädien in deutscher Sprache. Die letzte gedruckte 21. Ausgabe der Enzyklopädie erschien 2006, und zwar in 30 Bänden, auf DVD und USB-Stick. Noch bis 2010 wurde ausschließlich für die Käufer eine Online-Erweiterung aktualisiert, die ansonsten nicht für die Öffentlichkeit zugänglich war. Der Vertrieb der 30-bändigen Buch-Ausgabe endete 2014.

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Denn in der Zwischenzeit hatte die 2001 gestartete freie Online-Enzyklopädie Wikipedia die Welt erobert und den gedruckten Enzyklopädien, die bereits bei ihrer Drucklegung inhaltlich veraltet waren, trotz aller Vorbehalte die Nutzer weg­ge­nommen. Kaum noch jemand wollte - wie im Fall der 21. Brockhaus-Auflage - 2820 Euro für 24 500 Seiten mit einem Gewicht von 70 Kilogramm auf 1,70 Regalmetern bezahlen. Auch die limitierte Sonderausgabe mit Kunst-Einband für 6000 Euro war endgültig aus der Zeit gefallen.

Die Rechte an der Marke Brockhaus wanderten ins Ausland und liegen nun beim Verlag der Schwedischen Nationalenzyklopädie. Deren deutsche Tochter eröffnete den ersten Online-Brockhaus zunächst für Schulen, Bibliotheken, Medienhäuser und andere Institutionen. Seit Juni 2018 dürfen auch Privatpersonen auf die Online-Nachschlagewerke unter brockhaus.de zugreifen. Nach einer 14-tägigen Testperiode kostet der Online-Zugang 6 Euro pro Monat oder 60 Euro pro Jahr bei automatischer Verlängerung um den jeweiligen Zeitraum, wenn nicht spätestens ein Tag vor Ablauf gekündigt wird.

Übersichtliche Seite, Lexika, Apps

Die Webseite des neuen Online-Brockhaus ist sehr schlicht und übersichtlich gestaltet. Sie enthält sogar zwei Lexika, und zwar die Brockhaus-Enzyklopädie und das Brockhaus-Jugendlexikon mit leicht verständlichen Informationen für Jugendliche ab 12 Jahren. Damit soll das Online-Angebot insbesondere an Schulen und Bildungseinrichtungen eine inhaltlich verlässliche Alternative zur Wikipedia werden.

Für die Nutzung auf mobilen Geräten gibt es eine App für Android sowie für iOS. Auch deren Layout ist klar und übersichtlich gehalten.

Hält man das Smartphone allerdings senkrecht und tippt in die Suchzeile einen längeren Suchstring ein (zum Beispiel "Sabine Leutheusser-Schnarrenberger"), sieht man dem Suchergebnisvorschlag im Dropdown nicht an, ob er aus der Enzyklopädie oder aus dem Jugendlexikon stammt. Dies kann man nur dadurch herausfinden, dass man den Eintrag aufruft. Ansonsten reagierte das Interface in unseren Tests stets flüssig, egal ob wir den Brockhaus über den Browser oder die Apps verwendeten.

Auf der Startseite macht der Brockhaus Lesevorschläge für alle, die nicht nach einem konkreten Stichwort suchen. Die letzten Neueinträge werden auf der Startseite in einer Übersicht angezeigt. Dort wundert man sich manchmal etwas, dass Einträge wie "Russische Revolution", "Unterhaltungselektronik", "EWE AG" oder "WordPress" erst jetzt Eingang in den Brockhaus finden. Die Redaktion besteht momentan lediglich aus vier Mitarbeitern, die zusammen mit einem "großen Experten-Netzwerk" mit "zahlreichen Autorinnen und Autoren" an der Enzyklopädie arbeitet. Zur genauen Zahl der Autoren macht Brockhaus keine Angaben. Beim Bibliographischen Institut hatten an der letzten Print-Ausgabe rund 70 Redakteure gearbeitet. Die Startseite des Online-Brockhaus Die Startseite des Online-Brockhaus
Screenshot: teltarif.de

Inhaltliche Auswahl, Aktualität und weiterführende Literatur von Print geprägt

Die lexikalischen Einträge weisen eine sehr unterschiedliche Länge aus. Manche Stichworte sind in wenigen Zeilen abgehandelt, bei anderen wird weitschweifig geschrieben, beispielsweise bei der Darstellung von Städten. Bezüglich der Aktualität haben wir beobachtet, dass die Sterbedaten aktuell verstorbener Personen wie bei Montserrat Caballé, Karl Mildenberger oder Charles Aznavour innerhalb von ein oder spätestens zwei Tagen eingetragen waren.

Insgesamt ist dem Brockhaus-Online-Lexikon aber die Herkunft von der gedruckten Enzyklopädie noch stark anzumerken. Dies betrifft einerseits die Themenwahl: Über viele typische Online-, Computer und Telekommunikationsthemen existiert gar kein oder nur ein sehr kurzer Artikel. Der Artikel zu WLAN erwähnt den Standard 802.11n als "derzeit am häufigsten verwendeten Standard". Das mag in der Praxis zwar richtig sein, mit keinem Wort erwähnt werden aber die Nachfolger 802.11ac, 802.11ax oder die offizielle Umstellung dieser für Laien unverständlichen Namensgebung auf Wi-Fi 4, Wi-Fi 5 und Wi-Fi 6 für eine bessere Verständlichkeit. Die Dokumentation technischer Phänomene aus der IT-Welt bleibt also weiterhin ein entscheidender Vorteil der Wikipedia. Für kommerzielle Produkte wie den Teamviewer, die einen Quasi-Standard definiert haben, existiert kein Brockhaus-Eintrag. Wie die Redaktion im Google-Artikel zu der Auffassung kommt, Google+ habe "sich mittlerweile neben Facebook zur zweitgrößten Online-Plattform dieser Art entwickelt", blieb uns ein Rätsel - immerhin stellt Google das erfolglose Netzwerk bald ein.

Zwei weitere Bereiche, in denen der Brockhaus noch keine echte Online-Enzyklopädie ist, sind interne Verlinkungen und externe Literaturhinweise. Während unseren mehrwöchigen Tests haben wir eine Zunahme von internen Verlinkungen auf andere Artikel entdeckt, zu Beginn gab es da noch recht wenige. Manche Artikel haben aber nach wie vor keinen einzigen internen Link.

Einen Lachanfall bekamen wir beim Artikel zu Microsoft Windows, der im Brockhaus "Windows (Informatik)" heißt. Am Ende des recht ausführlichen Textes gibt es als einzige Literaturangabe drei Bücher aus den Jahren 2014-2017, aber keinen einzigen externen Weblink. Für einen derartigen Artikel ist das blamabel - der Brockhaus hat also noch einen gewissen Weg vor sich, eine echte Online-Enzyklopädie zu werden. Weiterführende Literatur zu Windows - nur Bücher Weiterführende Literatur zu Windows - nur Bücher
Screenshot: teltarif.de

Bebilderung und Korrekturvorschläge

Die meisten Artikel sind nur sehr spärlich bis gar nicht bebildert. Die Bilder stammen meist noch aus dem gedruckten Brockhaus und sind - bei Personenartikeln - entsprechend alt. Weitere Bilder stammen von der Bilddatenbank Shutterstock oder anderen Bilddatenbanken. Von einem Bildervorrat wie Wikipedia/Wikimedia Commons ist der Brockhaus noch weit entfernt.

Eine Enttäuschung erleben aktive Brockhaus-Leser, die sich gerne mit ihrem eigenen Wissen an der Weiterentwicklung der Enzyklopädie beteiligen möchten. Denn unter den Artikeln und auch sonst in der Brockhaus-Oberfläche gibt es keine Möglichkeit, Fehler oder Ergänzungen zu melden oder sich neue Artikel zu wünschen. Wer mit der Brockhaus-Redaktion Kontakt aufnehmen möchte, muss das E-Mail-Programm öffnen und eine E-Mail mit seinem Anliegen an die Adresse redaktion@brockhaus.de schreiben.

Fazit: Noch ein langer Weg zur Online-Enzyklopädie

Der Brockhaus ist eine Marke, die im Verständnis vieler Deutscher für zuverlässige Information steht - und das bietet der Online-Brockhaus immer noch. Allerdings fehlen nach wie vor Artikel zu zahlreichen Themenbereichen, die eine online-affine Leserschaft interessieren. An vielen Stellen sieht man es dem Online-Brockhaus noch an, dass er ein Print-Lexikon war, das gerade so nach und nach ins Internet stolpert.

Insbesondere bei den Online-Quellenangaben und weiterführenden Links muss der Brockhaus noch deutlich besser werden. Das betrifft auch die Interaktion mit der Redaktion: Wünschenswert wäre hier eine Vorlage für Artikeländerungen unter jedem Artikel, die dann an die Redaktion gesendet wird.

Von daher muss jeder Nutzer selbst entscheiden, ob ihm der gegenwärtige Zustand der Enzyklopädie 6 Euro monatlich oder 60 Euro jährlich wert sind - lobenswert ist immerhin der einfache mobile Zugang per App für iOS und Android.