Beschlossen

Steuerbetrug auf Amazon und eBay wird schwieriger

Der Online-Handel boomt - mit ihm aber auch seine Schattenseiten. Die Bundesregierung geht nun gegen Schwarze Schafe vor, die den Fiskus auf Plattformen wie Amazon oder eBay um viel Geld prellen.
Von dpa /

Bundesregierung kämpft gegen Steuerbetrug auf Amazon und eBay Bundesregierung kämpft gegen Steuerbetrug auf Amazon und eBay
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Es geht um hunderte Millionen Euro an Steuerausfällen im Jahr: Im Kampf gegen Steuerbetrug im Online-Handel verschärft die Bundesregierung die Regeln für Plattformen wie eBay oder Amazon.

Das erstmals unter der Leitung von Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) tagende Bundeskabinett beschloss heute einen entsprechenden Gesetzentwurf, mit dem die Unternehmen künftig für Verkäufer von Waren auf ihren Plattformen haften sollen, wenn diese keine Umsatzsteuer zahlen. Besonders Händler aus Fernost umgehen dies oft. Ziel ist es, die Steuereinnahmen des Staates stark zu erhöhen.

Online-Marktplätze haften für Verkäufer

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"Wir beenden die illegale Praxis mancher Händler auf elektronischen Marktplätzen, die Umsatzsteuer hinterziehen und sich dadurch unlautere Wettbewerbsvorteile verschaffen", sagte Finanzminister Scholz der Deutschen Presse-Agentur. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. Ab 2019 sollen die Online-Marktplätze für die Umsatzsteuer ihrer Händler generell in Haftung genommen werden.

Nur wenn die Unternehmen dem Finanzamt eine Bescheinigung über die steuerliche Registrierung der Verkäufer vorlegen, die bei ihnen aktiv sind, haften sie nicht selbst. Der Online-Handel wächst seit Jahren kräftig. Zuletzt waren in Erwartung der neuen Regelung beim für solche Online-Verkäufer aus Ländern wie China zuständigen Finanzamt in Berlin-Neukölln die Zahl der Registrierungen stark angestiegen.

Online-Handel: Bereits Anteil von 10 Prozent am Gesamthandel

Bisher liegt die Versteuerungspflicht bei den Händlern, die die Plattformen zum Verkauf von Waren nutzen - oft hat das Finanzamt aber mangels Adressen keinen Zugriff, wenn die Verkäufer die fälligen Steuerzahlungen nicht entrichten. "Damit schützen wir alle steuerehrlichen Unternehmen und sorgen auch für einen fairen Wettbewerb zwischen Verkäufern aus dem In- und Ausland", betonte Scholz. Er vertrat im Kabinett heute die im Urlaub weilende Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der Online-Handel hat nach Angaben des Handelsverbands Deutschland (HDE) mit einem Wert von 53 Milliarden Euro bereits einen Anteil von 10 Prozent am Gesamthandel. Über Plattformen werden mehr als 50 Prozent des Online-Geschäftes abgewickelt. Wirtschaftsverbände sprechen angesichts des Umsatzsteuerbetrugs von einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung für ehrliche Händler. "In erster Linie ist der Staat gefragt, wenn es darum geht, dass auch Händler aus Drittstaaten in Deutschland anfallende Steuern korrekt ans hiesige Finanzamt zahlen", sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Volker Treier der Deutschen Presse-Agentur.

Der Gesetzesentwurf schieße aber über das Ziel hinaus, so Treier: "Nicht nur Anbieter aus Drittstaaten, sondern auch hiesige Unternehmen müssen eine Bescheinigung darüber vorlegen, dass sie "steuerlich zuverlässig" sind". Das führe zu einem erheblichen Aufwand, obwohl inländische Anbieter ohnehin in Deutschland erfasst seien und regelmäßig geprüft würden. Außerdem fehle es an einer digitalen Lösung, denn die Verwaltung könne entsprechende Anträge und Bescheinigungen bis auf weiteres nicht digital bearbeiten.

Der Digitalverband Bitkom warnte, die neue Regelung könnte den Online-Handel schwer belasten. "Die geplanten umsatzsteuerlichen Pflichten treffen ausnahmslos alle Akteure im Online-Handel in Deutschland. Dies ist weder zielgerichtet noch angemessen".

Im Folgenden beantworten wir wichtige Fragen zur neuen Regelung.

Warum ist dieser Umsatzsteuerbetrug bisher möglich?

Oft verbergen sich hinter Verkäufern von Elektronikprodukten auf Marktplätzen wie Amazon oder eBay Händler aus China. Man zahlt einen Preis inklusive Mehrwertsteuer, aber die Ware kommt ohne Rechnung, die an den Fiskus abzuführende Umsatzsteuer des Händlers wird nicht gezahlt. Das bleibt meist folgenlos, weil man diese Firmen und Verkäufer in China nur schwer greifen und haftbar machen kann.

Wie soll so ein Betrug künftig verhindert werden?

Anbieter aus Drittländern müssen eigentlich für in Deutschland verkaufte Produkte Umsatzsteuer zahlen, auch wenn sie diese über Zwischenhändler in Europa schicken. In der Regel müssen sie sich beim dafür zuständigen Finanzamt Berlin-Neukölln registrieren - was bislang kaum geschah. Nach Schätzungen tummeln sich tausende Händler gerade aus Fernost auf den Plattformen, die Steuerzahlungen umgehen. Scholz setzt mit dem Gesetzentwurf zur "Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen im Internethandel" bei den Betreibern der Plattformen an, die nun haften sollen. "Künftig werden die Betreiber elektronischer Marktplätze verantwortlich sein, wenn beim Handel über ihre Plattform die Umsatzsteuer nicht entrichtet wird", so Scholz.

Wie soll das konkret laufen?

Es werden mehrere Steuerregeln geändert, ab 2021 ist das auch auf der gesamten EU-Ebene geplant. Die Bundesländer sind für die Erhebung der Steuer zuständig, Baden-Württemberg und Hessen hatten Druck für eine Regelung gemacht. Künftig sind alle Betreiber von Online-Marktplätzen verpflichtet, von dort tätigen Händlern Namen, Anschrift, Steuernummer, Liefer- und Versandadresse sowie Zeitpunkt und Höhe des Umsatzes zu erfassen. Nur wenn die Unternehmen dem Finanzamt eine Bescheinigung über die steuerliche Registrierung der Verkäufer vorlegen, die bei ihnen aktiv sind, haften sie nicht selbst.

Wie hoch könnten die Zusatzeinnahmen ausfallen?

Dem Fiskus entgeht im Handel auf Online-Marktplätzen bisher viel Steuergeld, das allen Bürgern zugute kommen könnte, für den Ausbau von Straßen, die Modernisierung von Schulen und Brücken, für mehr Investitionen in Schulen und Ausbildung. Das Ziel sind bis zu 500 Millionen Euro mehr an jährlichen Steuereinnahmen ab 2019, aber die konkreten Mehreinnahmen lassen sich bisher nicht beziffern, da schon die Zahl der "schwarzen Steuerschafe" bisher nicht bekannt ist. Scholz spricht von mehr Steuergerechtigkeit zum Wohle der Bürger.

Gibt es bereits Auswirkungen der Verschärfung?

Ja. Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) betont: "Es ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Steuerkriminalität". Es gehe um mehr Steuergerechtigkeit und mehr Einnahmen für das Gemeinwesen. Bei dem für Umsätze von Online-Händlern aus Fernost zuständigen Finanzamt Berlin-Neukölln habe sich die Zahl der registrierten Onlinehändler mit Sitz in China, Hongkong und Taiwan von Mai 2017 bis Ende Juli 2018 auf 2835 mehr als versechsfacht, betont Schäfer. Sie müssen sonst fürchten, dass Betreiber der Internet-Marktplätze wie Amazon und eBay diese Händler andernfalls sperren - denn sie können kein Interesse daran haben, mit Strafverfahren überzogen zu werden.

Was ist noch in diesem Bereich geplant?

Künftig sollen als weitere Maßnahme Konzerne wie Google und Amazon, die in Europa Milliarden verdienen, aber kaum Steuern zahlen, mit einer EU-weiten Digitalsteuer stärker zur Kasse gebeten werden - besonders die SPD hat sich die Bändigung des "digitalen Kapitalismus" auf ihre Fahnen geschrieben. Aber so eine Digitalsteuer ist juristisch umstritten - und die US-Regierung von Präsident Donald Trump könnte Gegenmaßnahmen ergreifen, wenn so eine Steuer kommt.

Wie reagieren Amazon und eBay auf das Anti-Betrug-Gesetz?

Amazon will das Vorhaben nicht kommentieren, ein Sprecher sagt aber: "Wir sperren ein Verkäufer-Konto umgehend, wenn uns eine deutsche Steuerbehörde benachrichtigt, dass ein Verkäufer sich nicht an seine steuerrechtlichen Pflichten hält". Auch ein eBay-Sprecher betont: "Wir haben keinerlei Toleranz für Händler, die bei ihren Geschäften auf dem eBay-Marktplatz ihren gesetzlichen Pflichten nicht nachkommen." Die Gesetzespläne stoßen bei eBay auf Kritik, weil sie vor der geplanten EU-Regelung 2021 in Kraft treten sollen: "Alleingänge, die zu einer rechtlichen Zersplitterung führen, stellen für global agierende Unternehmen eine enorme Belastung dar."

Welche Folgen gibt es für Verbraucher und deutsche Händler?

"Für die Verbraucher ändert sich nichts, weil sie auch bisher schon die Umsatzsteuer bezahlen müssen", sagt Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverbands Onlinehandel. "Wenn jetzt aber im Nachhinein die schwarzen Schafe gefasst werden, dann landet diese Steuer auch beim Staat, wo sie hingehört." Bürger und Unternehmen, die selbst viel auf den Plattformen verkaufen, müssen wie bisher automatisch ihre Umsatzsteuer entrichten - für sie gibt es nicht diese Schlupflöcher, da das Finanzamt auf sie besseren Zugriff hat. Der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kritisieren aber zu viel bürokratischen Mehraufwand durch das ab 2019 geplante Gesetz. Denn auch inländische Verkäufer sollen künftig eine Bescheinigung über ihre Steuerpflichten vorlegen, obwohl sie ohnehin bei den Finanzämtern erfasst seien und geprüft werden.

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