Tracking

Freiheit vor Covid-19 per Tracking möglich?

Der Tag, an dem der Lock-Down gelo­ckert oder beendet werden wird, rückt näher. Wie könnte man betrof­fene Personen erkennen und Nicht­betrof­fene schützen? Ein Dilemma.
Von mit Material von dpa

Kommt die Corona-App um ein Treffen mit Infizierten rechtzeitig erkennen zu können? Kommt die Corona-App um ein Treffen mit Infizierten rechtzeitig erkennen zu können?
Foto: Picture Alliance / dpa
In der Diskus­sion um die aktu­elle Situa­tion wird immer inten­siver über mögliche "Exit-Stra­tegien" aus dem aktu­ellen Lock-Down disku­tiert. Da ist zum einen die Angst vor Anste­ckung und Über­lastung der Arzt-Praxen und Kran­kenhäuser. Aber auch die Angst, dass Menschen psychisch krank werden, die nicht zur Arbeit können oder dürfen. Auch besteht die Befürch­tung, dass die häus­liche Gewalt zunimmt und auch die Suizid-Rate könnte steigen.

Bald mehr Hygiene + Handy-Tracking?

Kommt die Corona-App um ein Treffen mit Infizierten rechtzeitig erkennen zu können? Kommt die Corona-App um ein Treffen mit Infizierten rechtzeitig erkennen zu können?
Foto: Picture Alliance / dpa
Wenn die Leute wieder "raus" zur Arbeit, in die Uni, die Schule oder den Kinder­garten dürfen, werden wohl weiter verstärkte Hygenie-Vorschriften (Mund­schutz, Abstand, Hände­waschen) gelten. Bundes­gesund­heits­minister Jens Spahn (CDU) hatte geplant, Kontakt­personen von Erkrankten anhand von Handy-Stand­ortdaten zu ermit­teln und sie im Verdachts­fall zu kontak­tieren. Dies hatte Spahn jedoch nach massiver Kritik von Grünen, Linke, FDP und Bedenken von SPD-Poli­tikern zurück­gezogen.

Im Kern geht es um die Frage: Was ist wich­tiger? Der persön­liche Daten­schutz und die Wahrung der Bürger­rechte oder die Gesund­heit der Bevöl­kerung? Die Antwort ist längst nicht so einfach, wie es scheint.

Wer bekommt welche Daten?

Offenbar kann die Polizei in Baden-Würt­temberg auf die Daten von Corona-Infi­zierten zugreifen, zum Selbst­schutz der Beamten und ohne Wissen der Betrof­fenen.

Die EU-Kommis­sion stellt sich vor, dass ein Mobil­funk­netz­betreiber pro Land aggre­gierte und anony­misierte Daten über den Aufent­halt von Nutzern mit der Regie­rung teilen sollte. Daraus ließe sich nicht schließen, ob Franz Meier oder Beate Müller sich getroffen haben. Eher wäre grob fest­stellbar, ob und wo viele Leute an "Hotspots" unter­wegs sind, die sich viel­leicht zu nahe kommen könnten. Die erhal­tenen Daten sollen nach der Krise wieder gelöscht werden.

Daten zu ungenau - eigene Corona-App?

Viele Argu­mente spre­chen dafür, dass nur die Daten von Funk­zellen und selbst von GPS-Navi­gation im Ernst­fall viel zu ungenau sind. Es müsste also eine eigene "Corona-App" geben, die wesent­lich genauere Daten liefern könnte.

Das gelte aber nur, wenn die Nutzer diese App frei­willig instal­lieren. "In Deutsch­land entwi­ckelt das Fraun­hofer Hein­rich-Hertz-Institut (HHI) eine Appli­kation, die es ermög­licht, voll­ständig anonym und ohne Orts­erfas­sung (weder mit GPS noch anderen Quellen) die Nähe und die Dauer des Kontakts zwischen Personen in den vergan­genen zwei Wochen auf dem Handy anonym abzu­spei­chern", bestä­tigte das Institut gegen­über dem Radio­sender Deut­schen Welle. Vorbild könnte die in Singapur bereits einge­setzte "TraceTogether"-App sein, die sehr genaue Daten via Blue­tooth bezieht.

Das könnte so funk­tionieren: Ein Handy­besitzer müsste die App frei­willig instal­lieren und seine Blue­tooth-Funk­tion einge­schaltet lassen. Jedes Handy mit App erzeugt eine einma­lige Corona-ID und gibt diese an alle Handys mit App in der Umge­bung weiter. Wenn nun jemand später erkrankt, könnte er selbst oder die Gesund­heits­behörden Botschaften an die betroffen IDs verschi­cken, die dem Pati­enten in der Vergan­genheit begegnet sind. Wer sich hinter der ID verbringt, wüsste die Gesund­heits­behörde weiterhin nicht, auch der genaue Aufent­haltsort bliebe unbe­kannt, bis sich ein Betrof­fener selbst gemeldet hätte.

Wichtig wäre nur, dass der Träger eines Handys die Info bekommt, dass er mögli­cher­weise einem Corona-Pati­enten begegnet ist, und sich sofort testen lässt. Ob die ange­schrieben IDs gleich als "infi­ziert" markiert werden (viel­leicht, weil sie sich nicht gleich gemeldet haben) oder erst nach einem realen Test, ist nur eine der noch vielen unge­klärten Fragen.

Zu wenig Smart­phones?

Der Bran­chen­news­letter mobilbranche.de ist aber skep­tisch, denn: "In Deutsch­land haben gerade einmal 81 Prozent der Bevöl­kerung ab 14 Jahren ein Smart­phone und nur 49 Prozent haben Sorge, sich mit Covid-19 zu infi­zieren. Das lässt auf eine eher geringe frei­willige Teil­nahme mit unvoll­stän­digen Daten schließen." Und damit ist die Tref­ferquote dieser App vermut­lich viel zu gering.

Über­wachungs­träume

Gerade in Justiz und Verwal­tung gibt es sicher einen Wunsch­traum von einer perfekten Über­wachung, die man natür­lich auch bei Krimi­nalfällen aller Art auswerten könnte. Wenn beispiels­weise eine S-Bahn in einer Groß­stadt an einer Bank­filiale vorbei­fährt, wo gerade ein Bank­über­fall tobt, müssten am Ende alle Zugpas­sagiere damit rechnen, intensiv befragt zu werden. Man sieht: Was einfach erscheint, wird schnell kompli­ziert.

Daten­schützer kritisch

Die Bran­denburger Daten­schutz­beauf­tragte Dagmar Hartge steht der im Kampf gegen das Coro­navirus disku­tierten Handy-Ortung von Infi­zierten und den Einsatz einer Anti-Corona-App unter "Verwen­dung der Stand­ortdaten von Mobil­funk­nutzern ange­sichts der damit verbun­denen, weiteren Einschrän­kung von Frei­heits­rechten der Bürge­rinnen und Bürger grund­sätz­lich skep­tisch" gegen­über.

Die Ermitt­lung von konkreten Bewe­gungs­profilen und Kontakten Infi­zierter auf der Basis von Funk­zellen scheide wohl schon deshalb aus, weil dieses Instru­ment dafür viel zu ungenau sei.

Aber auch die frei­willige Nutzung der Anti-Corona-App sieht die Landes­daten­schutz­beauf­tragte sehr kritisch. Dabei komme es darauf an, wie die App ausge­staltet sei und ob sie über­haupt zur Bekämp­fung der Pandemie beitragen könne: "Das Erfor­dernis der Frei­willig­keit bezieht sich nicht nur auf die Person, welche die App instal­liert, sondern auf alle Betrof­fenen, deren Stand­ortdaten damit erfasst werden sollen, zum Beispiel Kontakte per Blue­tooth."

Die Nutzung der Daten aus der App müsse zudem streng zweck­gebunden und ein unbe­fugter Zugriff ausge­schlossen sein. "Die betrof­fenen Personen müssen jeder­zeit über ihre Daten verfügen können - dazu gehört auch deren Löschung."

Mit dem Thema "Handy-Ortung, was bringt das" beschäf­tigen wir uns auch in einem weiteren Artikel.

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