Themenspezial: Verbraucher & Service Abgelehnt

Schlechte Entscheidung: Kein Schlagerradio auf Sendeplatz von 90elf via DAB+

Regiocast darf den ehemaligen Sendeplatz von 90elf im bundes­weiten Multi­plex nicht wie beantragt mit dem Programm von Radio Schlager­paradies belegen. Das Veto der Landes­medien­anstalten könnte keine gute Entscheidung für die Entwicklung des digital-terres­trischen Radios sein.
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Schlagerradio darf Sendeplatz von 90elf via DAB+ nicht übernehmen Schlagerradio darf Sendeplatz von 90elf via DAB+ nicht übernehmen
Bild: Schlagerradio
Eine für die Zukunft des digital-terrestrischen Hörfunks (DAB+) möglicherweise folgenschwere Entscheidung hat die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten in ihrer Sitzung am vergangenen Dienstag gefällt. Das Hörfunkunternehmen Regiocast darf den ehemaligen Sendeplatz des eingestellten Fußballradios 90elf im bundesweiten Multiplex nicht wie beantragt mit dem Programm Radio Schlagerparadies belegen. Im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung wollten die Leipziger den vom saarländischen Unternehmen RMN Radio produzierten Schlagersender bundesweit im Digitalradio senden. Für das Abkommen fand sich in der ZAK-Sitzung jedoch keine Mehrheit. Eine Begründung darüber steht noch aus.

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Bild: Schlagerradio
Dabei wäre die Musikfarbe "Schlager" ein Zugpferd gewesen, um dem Digitalradio weiter auf die Sprünge zu helfen. Denn viele ehemalige regionale Schlagersender wie WDR4 (Westdeutscher Rundfunk) haben sich inzwischen von der Musikfarbe getrennt und spielen auch englischsprachige Oldies, zum Leidwesen der alten Stammhörerschaft. Die Medienanstalten haben festgelegt, dass der Programmplatz von 90elf im Falle einer Formatänderung neu ausgeschrieben werden soll. Bis dahin würde eine Aufschaltung des "Schlagerparadies" von Regiocast auf eigenes Risiko geduldet. Es ist aber mehr als fraglich, ob die Leipziger davon Gebrauch machen werden.

Regiocast: Keine gute Entscheidung für Zukunft von DAB+

So überrascht es auch nicht, dass die Verantwortlichen bei Regiocast alles andere als erfreut über die Entscheidung der Medienanstalten sind: "Wir sind sehr enttäuscht von der Entscheidung der ZAK", sagte Rainer Poelmann, Sprecher der Geschäftsführung der Regiocast, auf Anfrage von teltarif.de. "Unser Programmvorschlag war gerade mit Blick auf die Akzeptanz von DAB+ bei den Hörern sehr attraktiv. Dafür hätten wir uns deutlich mehr Unterstützung von den Landesmedienanstalten erwartet, zumal wir nach der Einstellung von 90elf aufgrund der Rechtesituation vor einigen Monaten den Eindruck gewonnen hatten, dass die Medienanstalten uns hier keine Steine in den Weg legen und sinnvolle Nachfolgeprojekte zum Nutzen der Plattform unterstützen". Jetzt wolle man zunächst die detaillierte Begründung der ZAK abwarten. "Danach können wir im Einzelnen bewerten, wie wir weiter verfahren". Klar sei aber, "dass das keine gute Entscheidung für die Entwicklung und den künftigen Erfolg von DAB+ ist", so Poelmann abschließend.

Der letzte Satz stimmt nachdenklich und lässt für die Zukunft des digital-terrestrischen Hörfunks wenig Positives vermuten. Vor allem fehlende Werbeeinnahmen und die Ablehnung der Vermarkter, Werbekombis für exklusive Digitalradio-Sender zu gründen, sorgen seit längerem für schlechte Stimmung im Privatfunklager. Immer wieder denken Programmveranstalter laut über einen Ausstieg aus der Technik nach, mit dem Sender Magicstar hat einer der DAB+-Pioniere den Sendestopp über DAB+ für Februar angekündigt.

gfu korrigiert Verkaufsprognose für Digitalradios nach unten

Wenig tröstlich ist da auch, dass die Zahl der Digitalradio-Gerätemodelle zunimmt, denn DAB+ stößt nach wie vor auf eher mageres Interesse in der Bevölkerung - trotz weiter verstärkter Marketing-Maßnahmen. Die einstige Prognose am Jahresanfang 2013 von 650 000 verkauften Geräten im vergangenen Jahr hatte die Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationsforschung (gfu) im November auf 545 000 herunter geschraubt. Daraus resultierend rechnet der Handel für 2014 aktuell mit nur 770 000 verkauften Geräten, wie gfu-Sprecher Roland M. Stehle gegenüber teltarif.de erläutert. Die Erwartungen lagen ursprünglich bei über einer Million verkaufter Geräte in diesem Jahr. Im Februar wird die tatsächliche Zahl der in 2013 verkauften Geräte bekannt gegeben, möglicherweise könnte ein überdurchschnittlich gutes Weihnachtsgeschäft die Zahl wieder etwas nach oben drücken. Doch schon die aktuelle Prognose könnte die Business-Pläne der Radiosender noch weiter ins Wanken bringen. Eine relative Marktdurchdringung sehen die Kommerzsender erst bei rund sechs Millionen verkaufter Geräte, der Privatfunkverband VPRT spricht sogar von 16 Millionen Empfängern. Aktuell dürften knapp drei Millionen Geräte in deutschen Wohnzimmern stehen.

In jedem Fall dürften in den kommenden Jahren die öffentlich-rechtlichen Sender die treibende Kraft bei DAB+ sein, sollten weitere Privatradios die Segel streichen. Denn trotz der eher unbefriedigenden Verkaufszahlen und den Problemen bei der Werbevermarktung, laufen derzeit beim Digitalradio einige positive Entwicklungen auf europäischer Ebene - wie die Einführung des Euro-Chips, die unabhängig von der Entwicklung in Deutschland das Thema DAB+ noch nach vorn bringen können.

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