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Trotz DAB+: Darum darf UKW nicht abgeschaltet werden

Auf DAB+ sind Radio­programme oft weniger weit in benach­barte Sende­gebiete hinein zu empfangen als auf UKW. Eine Analog­abschal­tung würde jahr­zehn­telang gewach­sene Hörer­struk­turen zerstören.
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Seit 2011 gibt es das terres­trische Digi­talradio DAB+ in Deutsch­land. Die Sender­netze werden immer weiter ausge­baut. In weiten Teilen Deutsch­lands haben Radio­hörer bereits die Möglich­keit, Programme terres­trisch nicht nur analog über UKW, sondern auch digital über DAB+ zu empfangen. Die Verkaufs­zahlen für Empfangs­geräte entwi­ckeln sich positiv und auch die tatsäch­liche Nutzung steigt konti­nuier­lich, wenn auch nicht so stark, wie von Opti­misten viel­leicht erhofft.

In Norwegen wurde der UKW-Rund­funk bereits weit­gehend einge­stellt, die Schweiz will das analoge Radio eben­falls in den kommenden Jahren abschalten. Doch ist eine UKW-Einstel­lung über­haupt erstre­bens­wert? Aus Sicht der Programm­veran­stalter ist es nach­voll­ziehbar, dass man sich lang­fristig von einem Verbrei­tungsweg trennen muss, da die paral­lele Abstrah­lung auf DAB+ und UKW Kosten verur­sacht, die sich redu­zieren ließen.

Dem gegen­über stehen die Hörer, die ihre gewohnten Programme nicht verlieren, sondern in der digi­talen Welt weiterhin empfangen möchten, wie sie es seit Jahr­zehnten von UKW gewohnt sind. Und genau da gibt es auch acht Jahre nach dem DAB+-Start in Deutsch­land nach wie vor Defi­zite.

Viele Deutsch­land­funk-Hörer unzu­frieden

Sendeanlagen auf dem Großen Feldberg/Taunus Sendeanlagen auf dem Großen Feldberg/Taunus
Foto: teltarif.de
Der Deutsch­land­funk befragte im Herbst 2018 die Hörer seiner Medi­ensen­dung "Mediasres" über ihre Zufrie­denheit mit dem Empfang des Programms über das terres­trische Digi­talradio. Dabei gab es uner­wartet viele kriti­sche Stimmen von Nutzern, die von Ausset­zern - etwa beim mobilen Empfang im Auto - spra­chen. Dabei sind die Deutsch­land­radio-Programme über den in weiten Teilen Deutsch­lands gut ausge­bauten Multi­plex im Kanal 5C zu empfangen - sogar mit besserem Fehler­schutz als die im glei­chen Programm­paket verbrei­teten Privat­radios.

Die DAB+-Sender arbeiten auf höheren Frequenzen als der analoge UKW-Rund­funk. Dadurch breiten sich die Wellen physi­kalisch bedingt "licht­ähnli­cher" aus als im UKW-Bereich. So muss das Sender­netz klein­zelliger ausge­baut werden als auf UKW, um eine sichere Versor­gung - gerade auch inner­halb von Gebäuden - zu gewähr­leisten. Eine Erhö­hung der Sende­leis­tungen an den schon bestehenden Stand­orten kann sich sogar kontra­produktiv auswirken. Kommt es nämlich zu Lauf­zeit­unter­schieden beim paral­lelen Empfang mehrerer Sender aus einem Multi­plex, so wird der Empfang schlechter statt besser.

Hörer müssen sich umge­wöhnen

Die schlechte Hörer­kritik dürfte aber auch damit zusam­menhängen, dass die Nutzer sich umge­wöhnen müssen. Wird ein UKW-Radio an einem etwas ungüns­tigeren Ort in der Wohnung aufge­baut, so ist viel­leicht das Stereo­signal leicht verrauscht. Man kann das Programm aber noch gut hören - in Mono ggf. sogar rausch­frei. Macht man das gleiche mit einem DAB+-Radio, so kommt es zu Ausset­zern oder das Gerät schaltet sogar ganz stumm.

Nimmt man wiederum in Kauf, dass der Empfänger beispiels­weise an einer Außen­wand oder in Fens­ternähe aufge­stellt werden muss, so bringt das Digi­talradio in schlecht versorgten Gegenden auch Vorteile gegen­über UKW. Während die UKW-Signale mögli­cher­weise mit einer einfa­chen Tele­skop­antenne am Radio gar nicht rausch­frei herein­kommen, ist der DAB+-Empfang lupen­rein - wenn er denn funk­tioniert.

Klei­nerer Overs­pill auf DAB+

Ein ganz anderes Problem ist aller­dings der klei­nere soge­nannte Overs­pill, den DAB+-Sender oft im Vergleich zu UKW haben. Das heißt, die Signale reichen weniger weit in benach­barte Sende­gebiete hinein als vom analogen Radio gewohnt. Das hängt einer­seits mit dem verwen­deten Frequenz­bereich (200 statt 100 MHz) und der Betriebsart (DAB+ statt UKW) zusammen, aber auch mit dem bereits erwähnten klein­zelli­geren Netz und der Frequenz­planung.

In Köln ist es beispiels­weise auf UKW seit Jahr­zehnten möglich, neben dem West­deut­schen Rund­funk, dem Deutsch­land­radio und den NRW-Lokal­radios auch die Programme des Südwest­rund­funks, von RPR1 oder auch big FM aus Rhein­land-Pfalz zu empfangen. SWR3 und dessen Vorgänger SWF3 erfreuen sich seit jeher in der Kölner Bucht einer großen Beliebt­heit. Über den Sender Linz/Rhein ist der Empfang auf UKW 94,8 MHz bis in den Düssel­dorfer Raum in guter Qualität möglich.

Mobiles DAB+-Radio von Sony Mobiles DAB+-Radio von Sony
Foto: teltarif.de
Auch über DAB+ wird aus Linz/Rhein gesendet - aller­dings mit Richt­strah­lung. Schon vor den Toren von Bonn werden die Signale schwä­cher. Es kommt zu Ausset­zern und schließ­lich sind die digi­talen Signale gar nicht mehr zu hören. Würde man die UKW-Sender­kette abschalten, so müssten die meisten Kölner und Bonner SWR3-Fans auf ihren seit Jahr­zehnten ange­stammten Sender verzichten - erst recht im Auto, während man zuhause frei­lich auch auf Strea­ming oder Satel­liten­empfang auswei­chen kann.

hr digital kaum in Nord­rhein-West­falen empfangbar

Der Hessi­sche Rund­funk wird auch in West­falen gehört. Auf UKW reichen die Wellen des Senders Bieden­kopf (Sack­pfeife) über Siegen hinaus bis in den Dort­munder Raum. Auf DAB+ wird vom glei­chen grenz­nahen Standort gesendet. Dieser reicht aller­dings nicht einmal auf hessi­scher Seite aus, um die Auto­bahn 45 durch­gehend zu versorgen. Selbst im nahe der hessi­schen Landes­grenze liegenden Siegen sind die digi­talen Signale nicht mehr zu empfangen.

Die Programme des Baye­rischen Rund­funks sind auch im Rhein-Main-Gebiet und Osthessen beliebt. Die Sender Pfaf­fenberg/Aschaf­fenburg und Kreuz­berg/Rhön sorgen dafür, dass der Empfang auf UKW weit über Frank­furt am Main und Fulda hinaus möglich ist. Im Rhein-Main-Gebiet sorgt der BR auch auf DAB+ für eine gute Versor­gung. Hier kommt neben dem Sender Pfaf­fenberg noch ein zusätz­licher Standort auf dem Hahnen­kamm bei Alzenau zum Einsatz, der bis nach Rhein­hessen und Mittel­hessen zu empfangen ist.

Vom Sender Kreuz­berg/Rhön senden die baye­rischen Programme jedoch nur Rich­tung Süden, sodass es im hessisch-baye­rischen Grenz­gebiet selbst auf baye­rischer Seite teil­weise zu Empfangs­beein­träch­tigungen kommt. Auf der Auto­bahn 7 schal­tete das Auto­radio im Test von teltarif.de kurz nach der Landes­grenze von DAB+ auf UKW um. Der gesamte Groß­raum Fulda wird digital nicht abge­deckt, während der Baye­rische Rund­funk und auch Antenne Bayern hier auf UKW Orts­sender sind.

Versor­gungs­auftrag ist kein Argu­ment

Nun könnte man argu­mentieren, dass BR und Antenne Bayern für Hessen keinen Versor­gungs­auftrag haben. Wenn der Empfang direkt an der Landes­grenze endet, ist das aller­dings auch für Pendler ein großer Nach­teil. Selbst der Einkauf im hessi­schen Nach­barort könnte dazu führen, dass der Hörer auf ein anderes Programm umschalten muss - oder eben er nutzt weiterhin UKW oder geht auf Strea­ming via Internet über.

Der Fair­ness halber sei erwähnt, dass es sich speziell im Groß­raum Fulda mit den Programmen des Mittel­deut­schen Rund­funks genau umge­kehrt verhält. Der MDR war auf UKW über den Sender Insels­berg im Thüringer Wald in Fulda immer nur schwach zu empfangen. Für DAB+ wird wiederum der BR-Standort Kreuz­berg/Rhön mitge­nutzt - aller­dings mit einer nach Norden und Osten gerich­teten Sende­antenne, sodass der Empfang in Fulda in Orts­sender­qualität möglich ist.

Neue Programme kein Argu­ment für Verzicht auf Stamm­sender

BR-Sendemast auf dem Kreuzberg/Rhön BR-Sendemast auf dem Kreuzberg/Rhön
Foto: teltarif.de
Zusätz­liche Programme, die DAB+ ohne Zweifel für die meisten Nutzer mit sich bringt, sind aller­dings kein Argu­ment dafür, dass der Hörer mögli­cher­weise vom Empfang von Radio­stationen abge­schnitten wird, die in der jewei­ligen Region jahr­zehn­telang verfügbar waren. Einem SWR3-Fan in Köln nutzt es wenig, wenn er über DAB+ seinen Lieb­lings­sender nicht mehr empfangen kann, dafür aber Absolut relax oder Schwarz­wald­radio im bundes­weiten Multi­plex, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Für öffent­lich-recht­liche Rund­funk­anstalten ist dieser drohende Verlust an tech­nischer Reich­weite mögli­cher­weise "nur" ärger­lich. Für private Programm­veran­stalter bedeutet jeder zusätz­liche Hörer aber eine bessere Grund­lage zum Verkauf von Werbe­zeiten. Dabei spielt es oft keine Rolle, ob dieser Hörer im offi­ziell lizen­zierten Gebiet wohnt oder aber 20 Kilo­meter weiter in einem Nachbar-Bundes­land. Kastrierte Sende­gebiete können demnach sogar finan­zielle Nach­teile mit sich bringen.

UKW-Sende­gebiete müssen annä­hernd auf DAB+ abge­bildet werden

Bevor irgend­wann die Entschei­dung zu einer mögli­chen Abschal­tung der UKW-Sender ansteht, muss gewähr­leistet werden, dass die seit vielen Jahren übli­chen Sende­gebiete zumin­dest annä­hernd auch auf DAB+ abge­bildet werden. Dazu müssten Sende­anlagen auch außer­halb des offi­ziellen Versor­gungs­gebiets zum Einsatz kommen, die ggf. auch zu Empfangs­verbes­serungen im offi­ziellen Sende­gebiet eines Programms beitragen können.

Um beim Beispiel Fulda zu bleiben: Die Beschrän­kung der für Bayern sendenden Programme auf eine nach Süden gerich­tete Antenne dürfte damit zusam­menhängen, dass der in Bayern genutzte landes­weite Kanal 11D in Nord­rhein-West­falen erneut verwendet wird. Würden Bayern und NRW von expo­nierten Stand­orten in Grenz­nähe mit Rund­strah­lung arbeiten, so käme es zu gegen­seitigen Störungen.

Wenn es vom 928 Meter hohen Kreuz­berg aber nicht möglich ist, zumin­dest mit kleiner Leis­tung die baye­rischen Programme auch Rich­tung Norden auszu­strahlen, wäre viel­leicht ein zusätz­licher Sender in Fulda sinn­voll, der - eben­falls gerichtet nach Süden - Versor­gungs­lücken im hessisch-baye­rischen Grenz­gebiet sowie entlang der Auto­bahnen A7 und A66 schließt.

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