Versteckt

Editorial: Unendlich viel Dunkelheit

Die Polizei soll im Darknet ermitteln - bloß wie soll sie das im Cyberraum anstellen? Und warum kommen die Vorschläge gerade jetzt?
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Ermittlungen im Darknet - warum erst jetzt? (Symbolfoto) Ermittlungen im Darknet - warum erst jetzt? (Symbolfoto)
Foto: dpa
Manchmal wünscht man sich, einem Politiker drei Fragen stellen zu dürfen. Aktuelles Beispiel: Innenminister Thomas de Maizière plant den Einsatz verdeckter Ermittler im Darknet. Das Internet dürfe nach seiner Aussage kein "Schutzraum für Kriminelle" sein. Hier nun die drei Fragen.

Die erste Frage ist ganz einfach: "Warum wird nicht schon seit langem verdeckt im Darknet ermittelt?" Immerhin gibt es das Darknet nicht erst seit gestern. Und dass Nutzer das anonyme Netz nicht nur für ihre legitimen Schutzzwecke einsetzen, etwa, wenn Informanten gezielt heiße Informationen an investigative Journalisten weiterreichen, sondern auch für allerlei illegitimes wie Waffen- und Drogenhandel, ist nun weder neu, noch unerwartet. Warum gibt es Lockvogel-Käufe und -Verkäufe nicht schon seit Jahren?

Es wäre ja nun für die Polizei wirklich nicht so schwer, über das Darknet als vermeintlicher Drogen- oder Waffen-Käufer- oder -Verkäufer aufzutreten. Schließlich ist das Darknet anonym, man braucht keinen Ausweis, um dort zu agieren. Allerdings ist es für die Polizei nicht ganz trivial, den jeweiligen Verkäufer dingfest zu machen, wenn sie als Käufer agiert. Schließlich bemühen sich die Verkäufer auf illegalen Marktplätzen natürlich intensiv, ihre Identität zu schützen. Andererseits: Ein Paket mit einer größeren Menge Drogen oder einer Waffe so zu verpacken, dass sich darin keinerlei Genspuren finden, dürfte dem Versender sehr schwer fallen. Von daher bekommt die Polizei schon Spuren, wenn sie heiße Ware im Darknet bestellt. Allerdings trägt sie mit solchen Bestellungen auch zur Finanzierung der illegalen Szene bei, die sie ja eigentlich bekämpfen will. Ohne Vorkasse, meist in Bitcoins, läuft im Darknet nichts.

Einfacher hat es die Polizei, wenn sie im Darknet als Verkäufer von Waffen, Drogen oder anderer heißer Ware auftritt. Natürlich nicht mit der Intention, diese wirklich zu liefern, sondern, um den Käufer beim Empfang der von ihm bestellten heißen Ware festzunehmen. Dazu verkleidet sich ein Polizist als DHL-Bote, so dass der Kunde ahnungslos die Tür öffnet, und kurze Zeit später machen die bereits in der Nähe wartenden weiteren Beamten den Zugriff.

Hydra

Ermittlungen im Darknet - warum erst jetzt? (Symbolfoto) Ermittlungen im Darknet - warum erst jetzt? (Symbolfoto)
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Hier schließt sich dann die zweite Frage an: Weiß die Politik, dass sie es hier mit einer Hydra zu tun hat? Nur, weil sie am Tag ein Dutzend Konsumenten und ein oder zwei Drogen-Kleinhändler verhaftet, schafft sie es ja noch lange nicht, die Szene auszutrocknen. Allenfalls treibt sie die Preise etwas nach oben, woraufhin sich neue Händler anmelden. Es ist wie beim Kampf gegen eine Hydra: Schlägt man einen Kopf ab, wachsen zwei neue nach.

Als Ermittler die überwiegend illegale Streaming-Plattform kino.to vom Netz nahmen, folgte sofort kinox.to. Und nach der Schließung der Silk Road gab es beim Drogenhandel im Darknet allenfalls kurzfristig eine Delle. Inzwischen dürften sogar mehr Drogen umgesetzt werden als früher - wurde doch mit der Silk-Road-Schließung über zahllose Medien verbreitet, dass es Drogen im Darknet gibt.

So ähnlich ist das nun auch mit den Waffen: Je öfters die Politik betont, gegen Waffenhandel im Darknet vorgehen zu wollen, desto mehr befeuert sie genau das, was sie eigentlich verhindern will. Dummheit? Oder gar Absicht?

Wahlkampf

Somit kommen wir zur dritten Frage: Wo ist gerade Wahlkampf? Hat es das konservativ-bürgerliche Lager nicht immer schon verstanden, die Ängste der Bürger vor Kriminalität und Gewalt für sich zu nutzen?

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