Deutsche Bahn

Editorial: Glücksspiel Fahrkartenkauf per App

Erst wird die Kredit­karte belastet, dann aber das Ticket nicht geladen: Die Bahn macht den Fahr­karten­kauf zum Glücks­spiel
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Fahrkartenkontrolle in der Bahn. Inzwischen haben die Zugbegleiter moderne Geräte, die sogar "wissen", wenn sich ein Fahrgast auf seinem Platz selbst "eingebucht" hat. Fahrkartenkontrolle in der Bahn. Inzwischen haben die Zugbegleiter moderne Geräte, die sogar "wissen", wenn sich ein Fahrgast auf seinem Platz selbst "eingebucht" hat.
Foto: Picture Alliance / dpa
Über das Glücks­spiel einer Bahn­fahrt ist in zahl­reichen Medien in den letzten Jahren ausführ­lich berichtet worden, daher soll das Thema hier nicht allzu breit getreten werden: Ob der ICE auf der aktu­ellen Fahrt zwar pünkt­lich fährt, aber in der umge­kehrten Wagen­reihung und wegen defekter Klima­anlage mit gesperrtem Wagen 12, ob wegen der Nutzung eines Ersatz­zuges das Bord­bistro fehlt oder das Bord­bistro zwar vorhanden ist, wegen Ausfall der Kühlung aber keine kalten Getränke hat, ob Toiletten, Türen, Bord-WiFi und Reser­vierungs­anzeige funk­tionieren, ist ein span­nendes Rate­spiel. Nur eines ist sicher: Die Wette, dass es bei einer Bahn­fahrt zumin­dest einen der genannten Mängel gibt, gewinnt man fast immer. Und das selbst dann, wenn man groß­zügig vier Minuten Verspä­tung noch als "pünkt­lich" rechnet und die seit der Abfahrt verdreckte, aber auch vier Stunden später vom Personal anschei­nend nie kontrol­lierte und auch nie gerei­nigte Toilette nicht als Mangel abzieht, da sie ja prin­zipiell im funk­tions­bereiten Zustand ist.

Am aktu­ellen Wochen­ende hat es die Bahn aber nun geschafft, das bekannte Glücks­spiel: "Was ist dieses Mal kaputt?" um eine inter­essante Version zu ergänzen: "Wo ist mein Online-Ticket?". Dabei zunächst ein Lob: über die Bahn-App können nicht nur Tickets für Fern­reisen mit der Bahn gekauft werden, sondern auch Tickets für Bus und U-Bahn der meisten Deut­schen Nahver­kehrs­verbünde. Zwar ist der Buchungs­prozess mit bis zu zehn Klicks ("Verbund­tickets" - "Berlin & Bran­denburg" - "Zur Ticket­auswahl" - "Berlin" - "Berlin AB" - "4-Fahrten-Karte" - "Regel­tarif Berlin AB" - Eingabe der Start­halte­stelle - "Zur Buchung" - "Weiter") unnötig kompli­ziert. Aber immerhin ist er möglich, und wenn man am nächsten Tag nicht in Berlin, sondern in Frank­furt ist, ist er auch dort mit derselben App möglich. Letz­teres ist wirk­lich toll!

Frust trotz Erfolg

Fahrkartenkontrolle in der Bahn. Inzwischen haben die Zugbegleiter moderne Geräte, die sogar "wissen", wenn sich ein Fahrgast auf seinem Platz selbst "eingebucht" hat. Fahrkartenkontrolle in der Bahn. Inzwischen haben die Zugbegleiter moderne Geräte, die sogar "wissen", wenn sich ein Fahrgast auf seinem Platz selbst "eingebucht" hat.
Foto: Picture Alliance / dpa
Nun kann man Bus-Tickets mit der DB-Navi­gator-App nur zum "sofor­tigen Fahrt­antritt" kaufen, nicht auf Vorrat. Deswegen führt man obigen Klick­mara­thon dann meist auf dem Fußweg zur Bus- oder U-Bahn-Halte­stelle aus. Und freut sich dann um so mehr, wenn man es tatsäch­lich schafft, alle nötigen Klicks recht­zeitig vor der Abfahrt durch­zuführen, und das zum Beispiel trotz der schlechten Netz­versor­gung in den U-Bahn-Stationen und der dadurch bedingten langen Lade­zeiten der Seiten.

Die Freude über das pünkt­lich zusam­menge­klickte Ticket wird dann jedoch schlag­artig getrübt, wenn zwar die Bank-App den erfolg­reichen Ticket­kauf und die zuge­hörige Belas­tung der Kredit­karte bestä­tigt, die Bahn-App sich aber weigert, das Ticket zu laden: "Dieser Service ist derzeit nicht verfügbar. Bitte versu­chen Sie es später noch einmal." ist eine Meldung, die dieses Wochen­ende vermut­lich nicht nur mir ange­zeigt wurde. Denn ich hatte das Problem bei gleich drei von drei Käufen von Nahver­kehrs­tickets.

Schwarz­fahrer wider Willen

Beim Reload-Versuch kam dann die Anzeige: "Es ist ein Fehler beim Laden bzw. Spei­chern aufge­treten. Bitte versu­chen Sie es noch einmal, z.B. über die Aktua­lisie­rungs-Funk­tion in der Ticket­über­sicht der DB App". Na ganz toll, diese Aktua­lisie­rungs-Funk­tion habe ich gerade verwendet! Da die Bahn die Nahver­kehrs­tickets auch nicht als PDF an die Bestä­tigungs-E-Mail des Fahr­karten­kaufs anhängt und auch einen Down­load aus dem Kunden­bereich der Website nicht anbietet, steht man daher wegen des Fehlers ohne vorzeig­bares Ticket da.

Während man im 5-Sekunden-Takt eben diese Aktua­lisie­rungs-Funk­tion verwendet (und damit natür­lich weiter zur Server-Über­lastung bei der Bahn beiträgt, aber was will man sonst tun?), kommt die U-Bahn immer näher. Was tun? Einen Zug sausen lassen und hoffen, zumin­dest den nächsten zu erwi­schen? Trotzdem einsteigen mit dem Risiko, dann als vermeint­licher Schwarz­fahrer dazu­stehen, wenn man in eine Kontrolle gerät? Oder noch­mals ein Ticket aus dem Auto­maten ziehen und doppelt zahlen?

Danke liebe Bahn, dass Ihr das span­nende Glücks­spiel: "Was funk­tioniert dieses Mal nicht" um eine inter­essante Alter­native ergänzt habt, nämlich um Euer Online-Ticke­ting-System. Kaputte Fahr­karten­auto­maten kennt man ja bereits, kaputtes Online-Ticke­ting ist dazu nun eine inter­essante Ergän­zung. Zwar konnte bei den genannten drei Fahr­karten­käufen dieses Wochen­ende das Ticket jeweils nach einigen Minuten dann doch erfolg­reich herun­terge­laden werden. Gut ist es aber nicht, die Kunden so auf die Folter zu spannen!

Nicht nur die Bahn

Zum Schluss noch eine Ergän­zung: Es ist nicht nur die Bahn. Flug­reisen ab/bis Deutsch­land sind fast ebenso span­nend. Schon beim Abflug verbum­melte Koffer, stun­denlanges Warten auf Koffer nach der Ankunft und immer­währende Flug­hafen­baustellen kennt man vor allem aus Deutsch­lands Haupt­stadt, nicht jedoch von viel größeren Flug­häfen wie zum Beispiel Bangkok. Mit Air Berlin und Germania sind in den vergan­genen Jahren auch deut­lich mehr deut­sche Billig­flieger pleite gegangen als im Durch­schnitt anderer EU-Staaten.

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