Multikopter

Drohnen: Lebensretter oder unbeliebte Gäste?

Drohnen haben einen schlechten Ruf - sie werden in Einflugschneisen von Flughäfen gefürchtet und tauchen vor Schlafzimmerfenstern auf. Für Feuerwehren und Rettungsdienste werden sie hingegen immer wichtiger.
Von dpa / Marleen Frontzeck-Hornke

Fliegende Augen für Feuerwehr und Rettungsdienste Fliegende Augen für Feuerwehr und Rettungsdienste
Bild: dpa
Sie sind klein, doch 100 Meter über dem Boden haben sie alles im Blick: Drohnen sind für Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW) und Polizei längst zu einem wichtigen Werkzeug geworden.

"Der Begriff Drohne klingt so negativ und militärisch. Wir nennen sie Multikopter", sagt Mathias Hirsch, Leiter der Aus- und Weiterbildung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Rheinhessen-Nahe. Auf bis zu 80 Meter Höhe steigt die Drohne des DRK. Dort kann sie über einem brennenden Haus schweben oder auf der Suche nach einem Vermissten mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde über eine Wiese fliegen. Ihre Bilder und Videos schickt sie direkt an den Einsatz­leitwagen.

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Seit knapp einem Jahr teilt sich das Rote Kreuz einen Multikopter mit anderen Hilfsdiensten des Kreises Mainz-Bingen. Auch wenn das Gerät noch keinen echten Einsatz hatte: Bei mehreren Großübungen sei klar geworden, wie wichtig es für die Rettungs­dienste werden könne, sagt Hirsch. "Wir müssen unsere Kollegen nicht mehr in Brände oder einsturzgefährdete Häuser schicken, um einen Überblick über die Lage zu bekommen."

Große Nachfrage nach fliegenden Rettern

Im April regelte eine Verordnung des Bundesverkehrs­ministeriums den Einsatz "unbemannter Luftfahrtsysteme" neu. Seitdem brauchen Behörden, Feuerwehren, THW und Hilfs­organisationen keine Nachweise und Erlaubnisse mehr, wenn sie Drohnen "zur Erfüllung ihrer Aufgaben" einsetzen.

Nun ist die Nachfrage groß. Mathias Hirsch sieht ein "riesiges Potenzial" für den Einsatz von Drohnen. Schon nächstes Jahr werde der Multikopter des DRK ein 5500 Euro teures Update erfahren. "Wir wollen eine Wärmebildkamera kaufen", berichtet Hirsch.

Dem Westerwaldkreis waren zwei Multikopter sogar knapp 20 000 Euro wert. Einer davon hatte seinen ersten Einsatz schon kurze Zeit, nachdem er angeschafft worden war, als im Juni ein Reifenlager in Ransbach-Baumbach in Flammen stand. Mit ihren Echtzeitbildern lieferte die Drohne den Einsatzkräften zunächst einen Überblick über den Großbrand. Als das Feuer fast vollständig gelöscht war, spürte sie letzte Glutnester auf. "So wussten wir, wo wir nachlöschen müssen", sagt Kreissprecher Tobias Haubrich, der auch stell­vertretender Kreisfeuerwehr­inspekteur ist.

Großbrände sind Ausnahme­situationen. Viel häufiger kommen Drohnen bei der Suche nach vermissten, verunglückten oder suizidgefährdeten Menschen zum Einsatz. Der Multikopter des Wester­waldkreises rückte innerhalb von vier Monaten zehn Mal aus, um nach Vermissten zu suchen. Mit seinen Wärme­bildkameras kann die Maschine Menschen selbst in Gewässern und dichten Wäldern finden.

Polizei setzt auf Vogelperspektive

Auch die rheinland-pfälzische Polizei und ihre Spezialkräfte schätzen den Blick aus der Vogel­perspektive. Lange mussten sie die Fluggeräte bei ihren hessischen Kollegen ausleihen. Im August haben die Spezialeinheiten der Polizei angefangen, eigene Multikopter anzuschaffen.

"Wir prüfen genau, was technisch geht und wofür wir Drohnen brauchen", sagt Steffen Wehner, Sprecher des Innen­ministeriums. Nicht jedes Gerät könne schließlich alles. Eine von vielen Aufgaben sei die Fahndung nach flüchtigen Tätern. Wie viele Drohnen die Polizei inzwischen besitze, sagt Wehner nicht - "aus einsatztaktischen Gründen".

Eines der Unternehmen, die solche Drohnen verkaufen und Schulungen anbieten, ist Nahecopter aus Fürfeld im Kreis Bad Kreuznach. Philipp Köhler ist Chef der Skills-Academy, zu der Nahecopter gehört. Er bekommt seit April jede Woche zwei bis drei Anrufe von Kommunen, die Multikopter kaufen möchten. Sobald der Haushalt für 2018 feststehe, werde das Interesse sprunghaft ansteigen. Das sei nur verständlich: "Drohnen haben die Einsatzleitung revolutioniert", sagt Köhler. "Früher musste die Feuerwehr 20 Fotos machen oder eine Drehleiter einsetzen - und selbst dann hatte man nur einen rudimentären Überblick über die Lage."

Drohnen entwickeln sich schnell weiter

Die technische Entwicklung der Drohnen schreitet schnell voran. Manche schicken inzwischen nicht nur Bilder und Videos an die Rechner der Einsatzwagen, sondern auch Live-Karten, 3D-Modelle und interaktive Panorama­bilder. Nahecopter bietet Polizei und Rettungs­diensten deswegen Schulungen an. Es gehe nicht nur darum, das Gerät richtig zu bedienen, sagt Köhler: "Die Piloten müssen lernen, Risiken richtig einzuschätzen - insbesondere bei starkem Wind und schlechtem Wetter."

Mathias Hirsch vom DRK Rheinhessen-Nahe ist mit seinem Multikopter zufrieden. Das Gerät schließe für Rettungs­dienste und den Katastrophenschutz eine große Lücke, sagt er: "Vorher haben wir alles aus der Perspektive eines Frosches gesehen - jetzt blicken wir wie ein Vogel von oben herab."

Auch bekannte Unternehmen wie beispielsweise Facebook oder Nokia investieren seit Jahren in die Entwicklung von Drohnen. So hat Nokia an einem Flughafen ein System getestet, bei dem Drohnen am Flughafen ohne Verstoß gegen Vorschriften eingesetzt werden können. Die Facebook-Drohne Aquila hatte Ende 2016 dagegen mit eher negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht: So wurde die Drohne bei ihrem ersten Flug schwer beschädigt. Auf Grund dessen hatte sogar eine US-amerikanische Behörde die Ermittlungen aufgenommen. Mittlerweile fliegt Facebooks Drohne aber absturzfrei und bei einem zweiten Flugversuch verlief alles einwandfrei.

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