Kündigung wider Willen

Internet per DSL: Um schneller zu werden, wird es langsamer

Wo ein Wett­bewerber der Telekom schnelles Internet ausbaut, muss die Telekom ihren Kunden kündigen. Das sorgt für Frust. Aber warum kündigt die Telekom die DSL-Anschlüsse? Wir haben nach­gefragt.
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Der Breit­band­ausbau in Deutsch­land ist in vollem Gange. Täglich werden Tausende bestehende Anschlüsse aufge­rüstet und bieten dann 100 MBit pro Sekunde oder sogar noch mehr.

Zwischen­drin flat­tert einigen wenigen Kunden der Deut­schen Telekom ein Kündi­gungs­schreiben ins Haus, worin ihr schneller 50 oder 100 MBit/s Anschluss von der Telekom gekün­digt wird. Die Kunden sind verwirrt bis entsetzt. Was geht da vor?

Beschwerde auf Twitter sorgt für Wirbel

In 400 Ortsnetzen muss die Telekom ihren Vectoring-DSL-Kunden kündigen und die Leistungen vom lokalen Anbieter beziehen. Das wirft Probleme auf In 400 Ortsnetzen muss die Telekom ihren Vectoring-DSL-Kunden kündigen und die Leistungen vom lokalen Anbieter beziehen. Das wirft Probleme auf
Spezialisten beim Netzausbau Foto: Deutsche Telekom
Die Beschwerde eines von einer solchen Kündi­gung betrof­fenen Noch-Telekom-Kunden per Twitter hat im Netz ziem­lichen Staub aufge­wir­belt.

Warum kündigt die Telekom?

Die Antwort ist paradox: Weil das Internet ausge­baut wird.

Um die Down­load-Geschwin­dig­keit von 16 MBit/s zu über­schreiten, wird soge­nanntes Vecto­ring einge­setzt. Das erlaubt Geschwin­dig­keiten von 50 - 100 MBit/s und in Zukunft soll es noch schneller werden, „Super-Vecto­ring“ wird über die „lang­same“ Kupfer­lei­tung bis zu 250 MBit/s erlauben. Neue Proto­kolle wie „G.Fast“ schaffen über die Kupfer­lei­tung sogar noch mehr.

Hohes Tempo – starke Störungen

Wenn nun auf den zwei Drähten zum Kunden so hohes Tempo gefahren wird, gibt es auf den benach­barten Leitungen im Kabel­bündel im Boden gewal­tige Störungen. Kennt der Netz­betreiber aber alle Einzel-Leitungen im dicken Telefon-Kabel, kann man mit etwas Mathe­matik diese Störungen „heraus“ rechnen und die allge­meine Geschwin­dig­keit des Kabels deut­lich erhöhen. Dazu muss aber ein einziges Unter­nehmen die „Hohheit“ über alle diese Kabel und Leitungen haben, sonst funk­tio­niert die Technik nicht. Damit die konkur­rie­renden Anbieter nicht in die Röhre schauen müssen, können sie von dem Unter­nehmen, das über die Hohheit verfügt, soge­nannte Vorleis­tungen mieten.

Bundes­netz­agentur entscheidet

Wer in den Nahbe­rei­chen der Orts­ver­mitt­lungs­stellen super­schnelles Internet ausbauen darf, hat die Bundes­netz­agentur fest­gelegt. 7.200 dieser Nahbe­reiche in Deutsch­land baut die Telekom aus, für die rest­lichen 400 (etwa fünf Prozent) haben aber deren Wett­bewerber den Zuschlag bekommen, weil sie vorher schon mehr Kabel­ver­zweiger (Kvz) aufge­stellt haben.

Viele Kündi­gungen in Nieder­sachsen

Nach Angaben der Deut­schen Telekom sollen bundes­weit von diesen Kündi­gungen etwa 10.000 Kunden betroffen sein, andere Quellen wollen die Zahl von 30.000 Kunden gehört haben. Stark betroffen sei das Bundes­land Nieder­sachsen. Dort baut EWE (auch als EWEtel bekannt) viele Nahbe­reiche selbst aus. Im hessi­schen Oden­wald­kreis (Erbach) hat beispiels­weise die ENTEGA (Tochter der HEAG) den Zuschlag bekommen.

In solchen Gebieten können die Kunden schnel­leres Internet bekommen, wenn die Telekom die soge­nannten Vorleis­tungs­pro­dukte vom Wett­bewerb anmietet oder die betrof­fenen Kunden müssten von sich aus den Anbieter wech­seln. Und da fangen die Probleme an.

Verträge mit Liefe­ranten fehlen

Die Telekom hat zwar lang­jäh­rige Erfah­rungen mit dem Weiter­ver­kauf von eigenen Leitungen und Dienst­leis­tungen (sog. „Whole­sale“), aber weniger mit dem Einkauf solcher Produkte („Wholebuy“) bei klei­neren oder größeren, meist regio­nalen Tele­fon­anbie­tern.

Viel Neuland

Für die Tele­fon­netze der Telekom gibt es über viele Jahre gewach­sene Vorschriften und Stan­dards, welche die Deut­sche Telekom als Nach­fol­gerin der Deut­schen Bundes­post mit der „Mutter­milch“ aufge­sogen hat. Jetzt muss sie Leis­tungen von fremden Unter­nehmen dazu­kaufen. Die Produkte müssen defi­niert und recht­lich in Verträge gegossen werden. Die „Schnitt­stellen“, der Austausch der Kunden­daten (z.B. der Anschluss von Herrn Maier soll an den Fremd­lie­feranten Z ange­schlossen, die Rech­nung aber an die Telekom gehen) und vieles mehr muss genormt werden.

Viele unge­klärte Fragen

Was ist bei Störungen, wenn der Anschluss des Kunden oder irgend­etwas dazwi­schen ausfällt? Was ist bei Problemen in der Abwick­lung? Wer sind die rich­tigen Ansprech­partner? Wer „haftet“ für den Ärger der Kunden? Und was ist, wenn ein Vertrags­partner mit dem gefor­derten Preis nicht einver­standen ist?

Verträge in Arbeit

Die Telekom arbeite daran, Verträge mit den neuen Liefe­ranten zu schließen, teilt Steffen Broszio im Blog der Deut­schen Telekom mit. Das könne einige Monate in Anspruch nehmen.

„Schuld“ ist nicht alleine die Telekom. Auch bei den privaten Konkur­renten besteht keine Eile, die Telekom möglichst schnell anschließen zu können, wie Teltarif.de heraus­fand. Offenbar freut man sich lieber über „enttäuschte“ Telekom Kunden, die dann direkt zum „neuen“ Anbieter wech­seln.

Dass solche Wechsel - egal, ob seitens der Kunden oder der Vorlie­feranten - alles andere als reibungslos ablaufen, war Insi­dern klar, manche Kunden reiben sich die Augen.

Wechsel mit Neben­wir­kungen

Wer von der Telekom weg wech­seln muss, bekommt Neben­wir­kungen zu spüren. Rabatte wie „Magenta Eins“ fallen weg, der mit dem Fest­netz-Anschluss gemeinsam gebuchte Handy­ver­trag wird künftig teurer.

Selbst wenn die Telekom ihre Vorleis­tung bei einem Fremd­anbieter sofort buchen kann: Der Magenta Eins Vorteil gilt hier nicht mehr. Bestimmte Ange­bote wie T-Enter­tain sind „aus tech­nischen Gründen“ oft nicht möglich. Ja, Telekom-Kunden mit Vorleis­tungs­pro­dukten bekommen sogar andere Tarife und eine spezi­elle Hotline und berichten auf einmal über bislang unbe­kannte Probleme.

Telekom: Mehr­zahl lässt sich down­graden

Der Groß­teil der ange­schrie­benen Kunden, sagt die Telekom, sei auf die 16 MBit/s „Zwischen­lösung“ einge­gangen. Wer hingegen die Kündi­gung der Telekom akzep­tiert, kann relativ schnell zum lokal ausbau­enden Anbieter wech­seln. Solche Wechsel sollten gut geplant werden.

Auf einmal Neukunde

Telekom bietet gekün­digten Kunden neue Verträge an, die so behan­delt werden, als ob der Kunde gerade eben frisch einge­stiegen wäre. Ein neuer Vertrag wird auch dann notwendig, wenn die Telekom ein (neues) Produkt auf Basis der vom Wett­bewerber gemie­teten Leitung anbietet.

Was die Bundes­netz­agentur damit zu tun und welche Lösungen es für das Problem gibt, lesen Sie auf der nächsten Seite.

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