E-Mobilität: Autoindustrie hadert mit dem Wandel
Schöne neue Autowelt: Surrende E-Mobile schaffen mit Ökostrom Hunderte Kilometer, CO2-neutrale Sammeltaxis drängen den Individualverkehr in der City zurück, vernetzte Wagen warnen sich via 5G gegenseitig vor Stauenden und Unfallgefahren.
Noch mag dieses Szenario zu schön klingen, um wahr zu sein. Aber der Strukturbruch der deutschen Schlüsselbranche hin zu E-Modellen, Digitalisierung und automatisiertem Fahren ist in vollem Gange - und er hat nicht nur Gewinner und Befürworter. Gerade erst kündigten auch Audi und Daimler einen Jobabbau an. Auf viele weitere Beschäftigte bei Herstellern und Zulieferern dürften unruhige Zeiten zukommen.
1. E-Mobilität - endlich raus aus der Nische?
Die Elektromobilität stellt die Autobauer vor große Herausforderungen.
Bild: picture alliance/Martin Schutt/zb/dpa
Ohne deutlich weniger Verbrenner und deutlich mehr Elektroautos kein wirksamer Klimaschutz
- daran zweifelt kaum jemand mehr, zumindest wenn der Strom aus
erneuerbaren Quellen stammt. Zuletzt zogen die Neuzulassungen reiner
E-Fahrzeuge in Deutschland auch merklich an. Ihr Marktanteil bleibt
aber einstweilen gering, bisher sind sie vielen Verbrauchern zu teuer
und zu unpraktisch. Um das E-Auto massentauglich zu machen, beschloss
die Regierung höhere und längere Kaufprämien. Bis Ende 2025 wird ein
erweiterter "Umweltbonus" angeboten, die Industrie zahlt die Hälfte.
Förderung entscheidend
Peter Fuß, Autoexperte der Beratungsfirma EY, hält diese Förderung für entscheidend: "Wir sehen einen kräftigen, stabilen Aufwärtstrend bei E-Autos. Zahlreiche Modelle auch in niedrigeren Preisregionen werden Elektromobilität für neue Käufergruppen attraktiv machen." Doch geringere Anschaffungskosten sind nicht alles. Auch die oft noch geringe Reichweite spielt eine Rolle. Volkswagen etwa versucht, mit dem ID.3 gegenzusteuern. Das rein elektrische Modell ist relativ günstig und fährt mit vollem Akku schon einige Hundert Kilometer.
Problem: das dünne Ladenetz. In den kommenden zwei Jahren sollen 50.000 neue öffentliche Ladepunkte entstehen. Die Hersteller müssen davon 15.000 an ihren Standorten beisteuern - so will BMW mehr als 4100 Stück installieren, andere Anbieter haben Ähnliches vor.
Damit das E-Auto wirklich alltagskompatibel wird und in Parkhäusern, Tiefgaragen sowie am Arbeitsplatz geladen werden kann, sind freilich viele Änderungen im Bau- und Mietrecht notwendig. Katherina Reiche vom Verband Kommunaler Unternehmen betont: "Viele Ladepunkte sind in Planung oder im Bau, jedoch brauchen wir mehr Geschwindigkeit."
2. Jobängste und Neustart - die Schattenseiten des Umbruchs
Gewerkschaftern und Betriebsräten bereitet ein allzu rascher Umstieg auf die E-Mobilität Kopfzerbrechen. Elektroantriebe bestehen nur aus einem Bruchteil der Komponenten, aus denen Verbrennungsmotoren zusammengesetzt sind - es fällt damit weniger, dafür aber hochspezialisierte Arbeit an. Eine Analyse des Center of Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen kam zu der Einschätzung, dass bis 2030 fast 234.000 Stellen bei Herstellern und Zulieferern in Deutschland wegfallen könnten. Gleichzeitig sollen nur 109.000 Jobs in Entwicklung und Produktion von E-Autos dazukommen.
Um die Mitarbeiter von der alten in die neue Welt mitzunehmen, legen viele Firmen Qualifikationsprogramme auf. Parallel landen Tausende Jobs der klassischen Verbrennerproduktion auf der Streichliste. Audi baut bis 2025 in Deutschland 9500 Stellen ab, im Gegenzug sollen nur 2000 Arbeitsplätze in Bereichen wie E-Mobilität und Digitalisierung neu entstehen. Betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben.
Tausende Stellen fallen weg
Bei Daimler wird ein Sparprogramm in den kommenden drei Jahren mindestens 10.000 Stellen kosten - der Betriebsrat äußerte heftige Kritik an den Plänen. Vor allem werden frei werdende Positionen nicht nachbesetzt, es gibt Abfindungen. Betriebsbedingte Kündigungen sind in Deutschland jedoch bis Ende 2029 ausgeschlossen. Der Konzern will bis Ende 2022 rund 1,4 Milliarden Euro an Personalkosten einsparen.
Bosch kappt ebenfalls viele Stellen. Bei Continental protestieren Beschäftigte gegen das mögliche Aus für Kollegen, die den Wandel von Hydraulik zu Elektronik nicht mitmachen können oder wollen. IG Metall und IG BCE sind alarmiert. Bis 2023 könnten die Umstrukturierungen bei Conti 15.000 Arbeitsplätze betreffen, 5000 davon in Deutschland. Kündigungen sind als "allerletztes Mittel" noch nicht vom Tisch.
Es mehren sich Forderungen an die Bundespolitik, in dieser Lage das Kurzarbeitergeld für angeschlagene Betriebe zu verlängern. Die Gewerkschaft IG BCE macht Druck auf Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der bisher kein schlüssiges Konzept vorgelegt habe.
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