Editorial: Wer sich strafbar macht
Befragung von Snowden illegal?
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Dass die Bundesregierung den NSA-Untersuchungsausschuss zur
Spitzelaffäre (unter anderem wurde von der NSA Merkels Parteihandy
illegal abgehört) nicht mag,
ist bekannt. Entsprechend wird versucht, dessen Arbeit zu behindern,
wo es geht. Argumentationshilfe für die Regierung soll auch ein jüngst
veröffentlichtes Rechtsgutachten einer renommierten US-Kanzlei bieten:
Wenn der Informant und Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden vor den
Untersuchungsausschuss geladen würde und dort neue Geheimnisse
preisgäbe, könnte das nach US-Recht als Straftat, nämlich als "Diebstahl
staatlichen Eigentums" oder gar als "Verschwörung" (conspiracy) gewertet
werden. Nicht nur gegen Snowden, sondern auch gegen die befragenden
Parlamentarier.
Nun gibt es auch nach deutschem Recht vergleichbare Straftaten. Täter sind hier aber nicht die Parlamentarier, die die NSA-Affäre und PRISM aufklären wollen, sondern die zahlreichen Mitarbeiter der NSA selber, die in oder gegen Deutschland "Landesverräterische Agententätigkeit" ausführen, welche nach § 98 StGB unter Strafe steht. Nach § 5 StGB gilt dieser Paragraph ausdrücklich nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, wenn sich die Tat gegen Deutschland richtet. Entsprechende Strafanzeigen liegen vor, bisher wird jedoch in Richtung der NSA eher zurückhaltend ermittelt, um es mal vorsichtig auszudrücken. Merkel war zwar sauer, dass ihr Handy abgehört wurde. Mit den USA anlegen möchte sie sich deswegen aber nicht.
Befragung von Snowden illegal?
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Nun folgt Deutschland auf dem internationalen Parkett schon seit
langem der Devise "Zurückhaltung". In den Nachkriegsjahren wäre alles
andere sowieso vermessen gewesen. Inzwischen ginge mehr, doch
anscheinend bevorzugt die Politik weiterhin die "leisen Töne".
Aktivisten ist das regelmäßig zu leise. Immer wieder wurden in
der Vergangenheit
Bundeskanzler dafür gescholten, dass sie bei Reisen nach China zwar
über die Verbesserung der Handelsbeziehungen sprachen, die
Menschenrechtssituation aber ausklammerten. Aus dem Irakkrieg
hielt sich Deutschland raus, und in Sachen Ukraine hört man auch
nicht viel von der Kanzlerin - was nun wiederum die USA erbost,
zumindest deren republikanischen Ex-Präsidentschaftskandidaten McCain,
der Merkels "fehlende Führungsstärke" als "peinlich" bezeichnete.
Zumindest McCain möchte man zurufen: "Spioniert Deutschland weniger aus, dann sehen auch wieder mehr Bürger und Politiker hierzulande die USA als Partner!" McCain würde als Antwort sicher auf Schröders "Nein" zum Irak-Krieg verweisen, und dass man die Spionage eben benötige, um den wechselhaften Partner Deutschland zu verstehen. Es gibt keinen einfachen Weg, diesen Teufelskreis des gegenseitigen Misstrauens zu durchbrechen. Im Gegenteil, die von vielen Parteien geforderte Befragung oder gar die Gewährung von politischem Asyl für Edward Snowden würde die Gräben noch vertiefen.
Mehr Sicherheit!
Der aktuellen Bundesregierung liegt sicher daran, das Verhältnis zu den USA nicht zu belasten. Wenn in der Folge die Bundesregierung nicht einmal versucht, USA und NSA dazu zu bewegen, die Spionage auf deutschem Boden einzustellen, dann sollte um so mehr Energie darauf verwendet werden, die Telekommunikation wieder sicherer zu machen. Aber auch davon ist von Seiten der Regierung leider nicht viel zu spüren.
So werden die seit Jahren bekannten Sicherheitslücken im GSM-Standard nur sehr, sehr zögerlich geschlossen. Über diese Lücken wurden unter anderem die Parteihandys von Schröder und Merkel abgehört. Um die Sicherheit in den Funknetzen zu verbessern, wären noch nicht einmal neue Gesetze erforderlich: Es würde reichen, die Bundesnetzagentur anzuweisen, dass sie im Rahmen ihrer technischen Aufsicht über die Netze besonderes Augenmerk auf die Einhaltung des Fernmeldegeheimnisses legen soll.
Noch nicht einmal beim Thema Vorratsdatenspeicherung herrscht Einigkeit in der Regierung. Zwar hat jüngst der BGH EuGH-Urteil, das die entsprechende EU-Richtlinie gekippt hat, eine Steilvorlage dafür, auch hierzulande dauerhaft auf die Vorratsdatenspeicherung zu verzichten. Doch Sicherheitspolitiker wünschen sich zur Erleichterung der Polizeiarbeit weiterhin die massenhafte Datenspeicherung. Dabei gilt mit Sicherheit: Je mehr Daten wir hierzulande erfassen und speichern, desto mehr Daten landen auch im Fundus der NSA. "Datensparsamkeit" ist das Gebot der Stunde!