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EuGH-Urteil: Internet-Provider müssen illegale Webseiten sperren

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Internet-Provider per richterlicher Anordnung zur Sperrung von Webseiten mit illegalen Inhalten gezwungen werden können.
Von Marie-Anne Winter

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Internet-Provider zur Sperrung von Webseiten gezwungen werden können. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Internet-Provider zur Sperrung von Webseiten gezwungen werden können.
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Dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofes wurde mit Spannung erwartet: Müssen Internet-Provider bestimmte Webseiten sperren, wenn darüber nachweislich überwiegend illegale Kopien urheberrechtlich geschützter Inhalte angeboten werden? Die Antwort lautet ja, allerdings nur mit einer richterlichen Anordnung und die Sperrmaßnahmen müssen nach europäischem Recht ausgewogen sein.

Konkret ging es in dem Prozess um den österreichischen Internetprovider UPC Telekabel Wien und den Filmverleih Constantin - wir berichteten. Der Filmverleih hatte von UPC Telekabel verlangt, die Film-Streaming-Seite kino.to für dessen Nutzer zu sperren. Der Internet-Provider hatte gerichtlich dagegen gewehrt. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Internet-Provider zur Sperrung von Webseiten gezwungen werden können. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Internet-Provider zur Sperrung von Webseiten gezwungen werden können.
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Zwar ist kino.to längst nicht mehr online - bereits 2011 stellte die Seite den Betrieb ein. Der Betreiber und mehrere Mitarbeiter wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Doch selbst wenn diese Website Vergangenheit ist - ähnliche Fälle bleiben aktuell. Das zeigte zuletzt auch der Erfolg der illegalen Streaming-App Popcorn Time, die nach kurzer Zeit von ihren Entwicklern wieder vom Netz genommen wurde.

Sperren weitgehend nutzlos

In einigen europäischen Ländern sind derartige Sperren längst gängige Praxis, beispielsweise wurde das Bittorrent-Verzeichnis The Pirate Bay auf richterliche Anordnung hin in einigen Längern gessperrt. Die Begründung war immer die gleiche: The Pirate Bay würde Links zu Torrent-Dateien vorhalten, die es Nutzern entsprechender Software ermöglichen, untereinander Dateien auszutauschen - natürlich auch solche, die eigentlich urheberrechtlich geschützt sind. Interessanterweise wurde aber in den Niederlanden die Sperre von The Pirate Bay wieder aufgehoben - mit der bemerkenswerten Begründung, dass eine solche Sperre nutzlos sei: Bei einer Auswertung der Internetdaten zweier Provider, die zur Sperrung verpflichtet wurden, hatte sich heraus gestellt, dass sich die Kunden von der Sperre nicht sonderlich beeindrucken ließen - im Gegenteil, sie nutzten zum Teil sogar verstärkt andere illegale Quellen für Downloads.

Insofern verwundert es schon etwas, dass die Richter am EuGH dennoch für die Sperrung plädieren. Denn für versierte Internet-Nutzer sind solche providerseitig verhängten Sperren leicht zu umgehen. Auch der Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Anwaltskanzlei Wilder Beuge Solmecke kritisiert das Urteil. Es bedrohe das freie Internet, begünstige einen Provider-"Flickentepppich" und öffne einstweiligen Verfügungen der Medienbranche Tür und Tor.

"Ich bin gegen Netzsperren: Wenn sich so eine Rechtsprechung durchsetzt, dann haben wir bald einen diffusen Provider-Flickenteppich in Deutschland. Es wird dann Internet-Zugangsknoten geben, die nicht von der Medienindustrie abgemahnt worden und auch weiterhin noch alles durchleiten dürfen, andere Provider wiederum bieten dann nur noch ein eingeschränktes Internet an", erklärt Solmecke.

Provider sperren oft zu großflächig

Der Rechtsanwalt sieht auch die Gefahr des Missbrauchs: "Zu beachten ist auch, dass sich dann solche Sperren auch im Eilverfahren mit dem Instrument der einstweiligen Verfügung durchsetzen lassen. Mitunter stellt sich erst Jahre später heraus, dass solche Entscheidungen fehlerhaft waren - so lange bliebe dann eine Internetseite zu Unrecht gesperrt. Letztlich könnte man mit diesem Argument auch Provider verbieten, bestimmten Tauschbörsen Traffic durch ihre Netze zu leiten oder Tauschbörsen ganz zu filtern. Das kann und darf aber nicht der Sinn eines freien Internets sein."

Außerdem seien für jugendgefährdende Inhalte Netzsperren in Deutschland ohnehin schon möglich. Ein Gesetz, das mit Sperrverfügungen den Zugang zu kinderpornographischen Schriften erschweren wollte, wurde 2011 allerdings wieder aufgehoben. Letztlich hatte sich meist herausgestellt, dass Provider nicht zielgenau und in zu großem Umfang sperrten.

Interessant in diesem Zusammenhang ist natürlich auch, dass es regelmäßig einen Aufschrei der Empörung gibt, wenn in bestimmten Ländern seitens der Regierung Internet-Sperren verhängt werden, wie in China, Russland oder zuletzt in der Türkei. Das ist dann natürlich ein unerträglicher Eingriff in die Freiheit im Internet.

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