Hausach: Durch IP-Umstellung ins Festnetz-Loch
Nicht nur im Schwarzwald gibt es abgelegene Außentäler, wo nach einer Umstellung auf VoIP gar nichts mehr ging. Die (teure) Lösung: Glasfaser, wenigstens bis zum Verteiler.
Foto: Picture Alliance / dpa
Dass die Mobilfunkversorgung nicht in ganz Deutschland "ideal" ist, hat sich herumgesprochen. Was tun, wenn abseits der "Trampelpfade" auch das Festnetztelefon auf einmal Probleme bereitet? Mögliche Ursache: Die Umstellung des analogen Telefonnetzes auf das IP-Protokoll. Das IP-Protokoll erfordert stabile Internet-Verbindungen. Bei größeren (Kupfer)Kabellängen ist irgendwann mit "Digital" nichts mehr zu machen.
Kein Anschluss im Einbach- und Hintertal
Nicht nur im Schwarzwald gibt es abgelegene Außentäler, wo nach einer Umstellung auf VoIP gar nichts mehr ging. Die (teure) Lösung: Glasfaser, wenigstens bis zum Verteiler.
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Die Stadt Hausach liegt im romantischen Kinzigtal, tief im Schwarzwald, die nächst größere Stadt ist Offenburg in Baden im Bundesland Baden-Württemberg.
Hausach hat einen Stadtteil mit dem Namen "Einbach" und der liegt weitab vom Hauptort in einem tiefgelegenen Seitental der Kinzig. Dort leben die Menschen auf weit verstreuten Schwarzwald-Bauernhöfen und hatten bislang wenigstens analoges Telefon (meist über Kupfer-Freileitungen), womit sie telefonieren konnten. Dass dort kein Internet ging (weil die Leitungen zum DSLAM halt einfach viel zu lang sind), daran hatten sie sich gewöhnt. In dem Tal gibt es keinen Mobilfunk, weder von der Telekom, geschweige denn von Vodafone, noch von Telefónica o2, auch damit haben sich die Bewohner mit der Zeit abgefunden.
Telekom "kündigt" Anschlüsse wg. Umstellung
Folglich hatten die meisten Kunden auf die Ankündigung der IP-Umstellung nicht oder ablehnend reagiert und hofften, dass der "Kelch" an ihnen vorüber ginge. Doch irgendwann flatterten den Kunden "Kündigungen" ihrer Telefonverträge ins Haus. Der Grund: Die Telekom stellt ihr gesamtes Netz von klassischer POTS (Plain Old Telephony System) auf IP-Telefonie um, ausnahmslos. Dabei kann die analoge Leitung an einen MSAN (eine Art "Modem" im Verteilerkasten oder der Vermittlung) umgestellt werden, der Kunde bekommt davon kaum etwas mit. Je nach Region bekommt auch jeder Anschluss einen Internetzugang, auf den dann per VoIP-Protokoll die Sprach-Telefonie aufgesetzt wird.
Schlimmste Befürchtungen übertroffen: Telefonieren ist Zufall
Die schlimmsten Befürchtungen der Betroffenen traten ein: Die Umstellung dauerte ewig, teilweise 4 Wochen - ganz ohne Telefonverbindung. Seit der Umstellung leben sie nicht mehr allein in einem Funkloch, sondern auch noch in einem "Festnetzloch". Im Hintertal (der Name ist Programm) funktioniert der Festnetzanschluss seit der Umstellung nur noch sehr sporadisch.
Und damit gibt es für den Netzbetreiber, die Deutsche Telekom ein grundsätzliches Problem. Das Telefon muss im Rahmen der Universaldienst-Regelung funktionieren. Tut es aber nicht mehr zuverlässig. Bald gingen erste Proteste ein, die örtliche "Mittelbadische Presse" und das "Offenburger Tageblatt" schalteten sich ein und berichteten ausführlich.
Telekom bestätigt Versorgungspflicht
In Regionen wie dem Schwarzwald kann es "ruhig" zu gehen. Manchmal schweigt sogar das Telefon, wenn die Entfernungen zu groß werden.
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Die Telekom, von der örtlichen Presse um eine Stellungnahme gebeten, widersprach: "Auch nach der Umschaltung auf IP werden die Kunden dort weiter telefonieren können. Wir sind über den Versorgungsauftrag dazu verpflichtet, das Telefonieren sicher zu stellen", schrieb Pressesprecher Hubertus Kischkewitz im Oktober 2018 als Antwort an das Offenburger Tageblatt.
Eine Bewohnerin ist schwanger und hofft, dass keine Komplikationen eintreten, denn Telefonieren ist ja nicht möglich. Selbst wenn das Baby da ist, ginge die Zitterpartie weiter. Ein Anruf eines Journalisten bei der werdenden Mutter klappte erst beim dritten Anlauf.
Eine andere Familie berichtet, dass sie nicht zuverlässig erreichbar sind. Es komme "so gut wie jeden Tag" vor, dass sie nicht raustelefonieren können, dass Anrufe nicht ankommen oder Telefonate unvermittelt abbrechen. Die Tochter soll im Internet für die Schule recherchieren, das ist technisch sowieso unmöglich.
Eine andere Anwohnerin wehrt sich massiv gegen die Umstellung auf die IP-Technik und versucht, über die Bundesnetzagentur eine Art von "Ausnahmegenehmigung" zu erwirken. Mit gutem Grund: Ein Telekom-Mitarbeiter hatte ihr nach Prüfung der Leitung erklärt, dass "mit dieser Leitung keine konstanten Telefonate möglich wären".
Politik greift Thema auf
Das Thema landete in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung, die von vielen Anwohnern gut besucht war. Der Bürgermeister von Hausach bestätigte die Probleme: "Seit einem halben Jahr hat trotz mehrerer Nachfragen nichts getan." Man habe mit drei Vertretern der Telekom "hart verhandelt". Das Ziel: Zwei Verteiler "beim Christbauernweg und im Dorf" sollen über Glasfaser direkt angeschlossen werden. Damit würde dann unter Umständen sogar "richtiges Internet" über Vectoring-DSL möglich. Eigentlich war das schon im Zuge des Netzausbaus vor zwei Jahren angedacht, wurde wohl wegen der immensen Kosten nicht realisiert.
Die Stadt dringt darauf, dass im Zuge des Ausbaus am Hechtsberg, der für Sommer 2019 geplant sein soll, auch das Einbachtal und die Siedlungen drum herum erschlossen werden. Nur sind die Fördermittel für die Außentäler der "Breitband Ortenau" und die Stadt Hausach kann nicht mal eben acht Millionen Baukosten selbst stemmen.
Telekom kündigt Glasfaser bis zum KVz an
Die Telekom versprach, die Sache zu prüfen, nachdem die örtliche Presse nachgehakt hatte, und riet, die Störungen der Telekom zu melden. Auch teltarif.de, von einem Leser aus der Region auf das Problem aufmerksam gemacht, hat in Bonn nachgefragt und folgende Auskunft erhalten:
"Wir werden unserem Grundversorgungsauftrag selbstverständlich auch in diesem Fall nachkommen. Dass die genannten Anschlüsse derzeit nicht stabil laufen, bedauern wir. Der technische Service ist aber bereits in der Fehleranalyse.Das gibt Hoffnung. Wenn schon eine Glasfaser in das Tal gelegt wird, könnte gleich ein Mobilfunksendemast dazu gestellt werden.Übrigens sind wir mit der Gemeinde Hausach im Gespräch über einen weiteren Breitbandausbau – auch der Ortsteil Einbach würde von dem geplanten Ausbau profitieren. Zwei zusätzliche Verteilerkästen (KvZ) sollen noch in diesem Jahr aufgestellt werden. Die Planungen dazu sind bereits angelaufen und sobald es die Witterungsverhältnisse zulassen, wird gebaut."
Eine Einschätzung
Leider müssen von solchen Problemen betroffene Kunden sich erst mühselig "Gehör verschaffen", bevor wirklich etwas passiert. Fakt ist: Bei extremen (Kupfer-)Leitungslängen stellt die Umstellung des Telefonnetzes von Analog-Technik auf IP-Telefonie ein echtes Problem dar. Die einzig vernünftige Lösung ist hier wohl eine Glasfaser wenigstens bis zum Verteilerkasten, besser wäre bis hin zum einzelnen Kunden. Nur: Die Baukosten für solche weitab gelegene Anschlüsse überschreitet unter Umständen die Einnahmen aus Grundgebühren und Telefongesprächen der betroffenen Kunden bei weitem. Nur durch die Solidargemeinschaft aller Kunden bundesweit, sei es aus Telefonkosten oder Steuermitteln kann man solche Baukosten noch vernünftig abfangen. Das sollten all die Schnäppchenjäger, denen Telefonieren gar nicht billig genug sein kann, auch einmal bedenken.
Leben Sie vielleicht auch in einer solchen abgeschiedenen Region? Funktioniert bei Ihnen das Telefon? Haben Sie Internet (wie schnell) oder überhaupt Netzversorgung? Schreiben Sie uns im Forum oder nehmen mit uns direkt Kontakt auf. Wenn Ihr Internet zu langsam ist, bitten Sie Freunde mit schnellerem Internet um Hilfe.