Kompliziert

o2 und Alice: Blaues DSL versus rotes DSL

Die Zusammenlegung der DSL-Kundensysteme von Alice und o2 hat Fragen aufgeworfen. Blaue o2-DSL Kunden konnten oder können bis heute bestimmte Tarife oder Funktionen nicht bekommen. Wir beleuchten die Hintergründe.
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Alice und o2: Zwei DSL-Kundensysteme Alice und o2: Zwei DSL-Kundensysteme
Bild: o2
Wir haben über das Festnetzangebot des kundenmäßig größten deutschen Mobilfunkanbieters, der Telefónica Germany berichtet, das unter der Bezeichnung o2-DSL vermarktet wird, aber nicht mehr auf einer eigenen Festnetz-Infrastruktur beruht.

Dabei hatten wir zwei parallele o2-Datenbanken und deren Inkompatibilitäten benannt, doch der Fehler lag im Detail: Nicht die ehemaligen o2-Alice-Kunden (Insider-Jargon "rotes DSL"), sondern die bisherigen o2 DSL-Kunden ("blaues DSL") können oder konnten nicht von allen aktuellen VDSL-Angeboten profitieren, Neukunden, die nach dem Kauf gleich im Alice-System angelegt wurden, hingegen schon. Darauf machten uns verschiedene teltarif.de-Leser aufmerksam.

Nach dem Kauf des Hamburger Festnetzbetreibers Hansenet (später Alice) entschied man sich in Hamburg zunächst dazu, alle "roten" Alice-Kunden auf einer von Oracle-Siebel hergestellten Kundendatenbank zu belassen. Auch o2-Festnetz-Neukunden wurden auf dieses System eingetragen. Alle diese Kunden erkennt man an ihrer Kundennummer, welche mit DE beginnt. Die Systeme der o2-Partner-Händler und o2-Shops können diese Kunden teilweise schon sehen, teilweise noch nicht.

Den Kombivorteil für o2-Mobilfunk- und o2-Festnetz Kunden - ein Rabatt wenn Mobilfunk und Festnetz beide von o2 kommen - konnten "rote" o2-DSL-Kunden auch buchen, weil dazu eine Abgleichschnittstelle zum Mobilfunksystem von o2 gebaut worden war. Allerdings kannten einige Hotliner den Begriff Kombivorteil nicht, was hier und da zur Aussage führte, es sei nicht möglich.

Die Leidtragenden waren bestimmte Altkunden

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Bild: o2
o2-Altkunden (sogenanntes "blaues DSL") blieben hingegen in dem vom o2-Vorgänger VIAG-Interkom ins Leben gerufenen "Salcus"-Kundensystem und wurden weiter separat verwaltet. Rief nun ein "blauer" DSL-Kunde die falsche Festnetz-Hotline an oder drückte im Sprach-(IVR)-Portal die falsche Taste, wurde ihm manchmal erklärt, dass es ihn gar nicht gäbe.

Zusammenlegung mit Hindernissen

Um endlich beide Welten zusammen­zu­legen, sollten zunächst alle "blauen" o2-Festnetz-Kunden aus dem o2-Salcus-System in das rote Oracle-Siebel von Alice transportiert werden. Das wollte man im Rahmen eines Anbieterwechsels mit Rufnummernportierung machen.

Sprich: Die Kunden wurden ganz offiziell bei o2-DSL gekündigt. Die Nummer wurde dann zu o2-Alice-Hansenet-DSL portiert, einschließlich Neuanschaltung des gesamten Anschlusses, also genauso wie eine Portierung von beispielsweise Vodafone Kabel zu Wilhelm.tel oder von M-Net zur Deutschen Telekom. Doch viele dieser Portierungen scheinen - so bestätigen Eingeweihte - gewaltig schief gegangen zu sein, also wurde diese Aktion erst einmal gestoppt.

Wenigstens war es irgendwann möglich, VDSL 50 für o2-DSL-Altkunden zu schalten, VDSL 100 ging aber nie, selbst wenn der Telekom-Verteiler vor Ort und die Länge der Kupferleitung zum Kunden es technisch erlaubt hätten.

Salcus: Software für Fluggesellschaften?

Salcus sei eigentlich eine Software zum Buchen von Flugreisen gewesen, berichtete uns ein Insider, der namentlich nicht genannt werden wollte. Bis heute gäbe es noch ein Flugzeug als Icon, um bestimmte Vorgänge in dieser Software abzuschließen.

Ein anderer Brancheninsider erinnerte sich, dass schon die damalige VIAG Interkom vom Hersteller Vantive die gesamte Salcus-Software gekauft und dann auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten habe. Salcus sei später Bestandteil eines größeren Softwarepaketes geworden, das alle Vorgänge mit Kundendaten (wie das Aktivieren einer Karte, das Buchen von Tarifen bis hin zur Kündigung, im Branchenjargon "Prozesse" genannt) bei VIAG/o2 beinhaltet.

Interessant am Rande: Das Unternehmen Vantive ging später für knapp 400 Millionen Euro an die Firma Peoplesoft, die heute wiederum wie Siebel eine Tochter des Datenbankkonzerns Oracle sind.

Back to the Roots

Im Mai 2017 sei beschlossen worden, so war zu erfahren, auch die Festnetzkunden von Siebel zu Salcus zu übertragen, denn die Bedieneroberfläche des Siebel-System bei o2-Alice sei "absolut grausam" gewesen, wie mehrere Befragte übereinstimmend berichten, und durch die Konzentration auf ein System können Wartungs- und Lizenzkosten gespart werden.

Wenn dieses Mammutprojekt gestemmt ist - Insider vermuten, dass das noch es bis Ende 2019 dauern könnte - sollten o2-Festnetz und o2-Mobilfunkkunden auf einem gemeinsamen Software-System liegen, was die Buchung und Abbildung von Rabatten und Optionen stark vereinfachen würde. Dieses Mal soll der Übergang nicht so "hauruck-mäßig" wie die Migration der BASE/E-Plus-Kunden auf die o2-Systeme, sondern sanfter erfolgen.

Die Migration der Festnetzsysteme ist wesentlich komplexer als im Mobilfunk. Grund sei die komplizierte Schnittstelle zur Deutschen Telekom, die immer wieder für Probleme sorge, wenn der Datenaustausch nicht absolut exakt nach Vorgabe erfolge. Um Aufwand und Technikereinsätze zu sparen, buchen Festnetzanbieter wie o2 bei der Deutschen Telekom für einen Kunden immer das maximal technisch mögliche (z.B. VDSL 100) und "drosseln" den Kunden später in ihren eigenen Systemen, wenn der Kunde beispielsweise nur einen 16-MBit/s-Anschluss gebucht hat. Würde der Kunde später ein "stärkeres" oder "schwächeres" Paket verlangen, sei das relativ problemlos schaltbar.

Rund 25 Millionen Kundendaten von E-Plus zu o2 übertragen

Mit der Portierung größerer Kundenmengen hat man bei Telefónica inzwischen Erfahrung. Hier gelang es in relativ kurzer Zeit, rund 25 Millionen Kunden aus dem ehemaligen "Norman"-Datenbanksystem der E-Plus in das "Salcus"-System von Telefónica zu übertragen.

Dazu wurden im o2-System alle Spezial- und Sondertarife, die bisherige E-Plus/BASE-Kunden hatten, über komplizierte Sonderrabatte nachgebaut. Nur wer sich mit Groß-IT ein wenig auskennt, kann in etwa erahnen, welcher gewaltige Aufwand hinter diesen Aktionen steckt. Kein Wunder, dass viele Kunden, denen der Wechsel unheimlich war oder die ihre neue Rechnung nicht verstanden oder darin einen Fehler gefunden hatten, die Hotline überflutet hatten.

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