Neuer Sensor

Mehr als nur ein Gimmick: Wärmebildkamera fürs Smartphone

Wo kommt die kalte Zugluft her? Vielleicht erspart Ihnen künftig Ihr iOS- oder Android-Smartphone die lange Suche nach der Quelle, wenn Sie es mit der hier vorgestellten Spezialkamera kombinieren.
Vom MWC in Barcelona berichtet

Mehr als nur ein Gimmick: Wärmebildkamera fürs Smartphone Die "neue" Flir One, angesteckt an einem iPhone.
Bild: teltarif.de
Die Ausstattung moderner Smartphones mit Sensoren und Empfängern wächst immer weiter: Neben Mobilfunk in diversen Standards (2G/3G/4G) und Frequenzbändern (800/900/1800/2100/2600 MHz), WLAN (ebenfalls in mehreren Standards und Bändern), Bluetooth, GPS/Glonass, mindestens zwei Mikrofonen, Touchscreen, Vorder- und Rückkamera, Beschleunigung (in drei Achsen) und Drehbeschleunigung (ebenfalls in drei Achsen) sowie einem Kompass finden sich immer öfters auch NFC-, Luftdruck-, Temperatur-, Luftfeuchtigkeits-, Umgebungshelligkeits- und/oder Fingerabdrucksensoren an Bord.

Mehr als nur ein Gimmick: Wärmebildkamera fürs Smartphone Die "neue" Flir One, angesteckt an einem iPhone.
Bild: teltarif.de
Einige Sensoren haben eine unerwartete Verwendung. Das Barometer dient nicht so sehr der Wettervorhersage - da sind Wetter-Apps, die die Daten von Wetterdiensten abrufen, genauer - sondern der Bestimmung der ungefähren Höhe am aktuellen Standort. Das wiederum hilft, nach dem Einschalten des GPS-Empfängers das Satellitensignal möglichst schnell zu akquirieren. Denn je genauer die von A-GPS, in der Umgebung befindlichen WLAN-Zellen und/oder dem Barometer erfolgte erste ungefähre Ortung ist, desto leichter fällt die Dekodierung der vom GPS-Empfänger empfangenen Signale, bei denen sich vier oder noch mehr Satelliten überlagern.

Immer mehr Sensoren dienen dazu, körperliche oder medizinische Daten zu sammeln. Viele Smartwatches und Fitness-Armbänder messen die Pulsfrequenz, einige auch bereits die Sauerstoffsättigung im Blut.

Wärmebildkamera: Der nächste Sensor für die Massen?

Seit dem vergangenen Jahr gibt es die Wärmebildkamera Flir One, die auf die Rückseite eines iPhone 5/5S montiert wird. Auf der Consumer Electronics Show Anfang 2015 in Las Vegas und erneut auf dem Mobile World Congress wurde von Flir der deutlich verkleinerte Nachfolger vorgestellt, der ebenfalls "Flir One" heißt, und per microUSB- bzw. Lightning-Anschluss an aktuelle Android- bzw. iOS-Smartphones angesteckt werden kann. Die Auslieferung soll ab Mitte des Jahres erfolgen. Preislich wird sich die neue Flir One wohl im Bereich der alten Flir One bewegen, die mit einem Preis von knapp 350 US-Dollar eingeführt wurde und derzeit für 199 Pfund inklusive englischer Mehrwertsteuer verkauft wird. Zum Vergleich: Der Preis professioneller Thermographie-Kameras bewegt sich meist im vierstelligen Bereich.

Die neue Flir One kann die von Objekten ausgehende Wärmestrahlung im Temperaturbereich von -20 °C bis +120 °C messen. Dabei werden Temperaturunterschiede von 0,1 °C aufgelöst. Selber sollte die Kamera dabei zwischen 0 und 35 °C kalt bzw. warm sein. Letztendlich enthält die Flir One sogar zwei Kameras: Eine Wärmebildkamera und eine normale Kamera mit VGA-Auflösung. Letztere wird zum einen verwendet, um das Wärmebild, das nur eine geringere Auflösung hat, scharfzurechnen, und zugleich, um scharfe Kontraste (z.B. Ecken und Kanten) aus dem normalem Kamerabild ins Wärmebild zu kopieren. Damit erkennt man in letzterem besser, was überhaupt aufgenommen wurde.

Mehr als Geisterbilder

Mehr als nur ein Gimmick: Wärmebildkamera fürs Smartphone Wärmebild des Autors.
Bild: teltarif.de
Thermographie hat mehr Anwendungen, als man gemeinhin erwartet. Aus den Medien kennt man meist die "Geisterbilder", die bei Thermographie von Personen entstehen: Auf diesen erscheinen Hautstellen meist hell, Kleidung und Haare meist dunkler, da kühler. Auch Brillengläser erscheinen dunkel, da diese (meist) nicht transparent für Wärmestrahlung sind, und die Brille kühler ist als der Körper.

Medizinisch wird die Thermographie derzeit leider vor allem im "alternativmedizinischen" Bereich genutzt. Das ist schade, denn es gibt durchaus zahlreiche seriöse Anwendungen für die Thermographie. Letztendlich ist die Thermographie nichts anderes als eine Art "Ganzkörper-Fiebermessung" - und die Fiebermessung ist seit vielen, vielen Jahren zu Recht Bestandteil der Schulmedizin.

Bei vielen Krankheiten wird der betroffene Körperteil stärker (z.B. bei lokalen Infektionen, Entzündungen oder Tumoren) oder schwächer (z.B. bei Gefäßverengung oder gar -verschluss) durchblutet als normal. Auf einem Thermogramm sind dann entsprechende Unterschiede zwischen beiden Körperseiten sichtbar. Allerdings ist die Deutung der Thermogramm-Befunde in der Regel schwierig: Wenn die linke Brust wärmer ist als die rechte, kann das durch ein Krebsgeschwür in der linken Brust verursacht sein, durch eine Gefäßverengung in der rechten Brust, oder durch eine Hautverletzung an der linken Brust. Die ersteren beiden Befunde bedürfen natürlich der Behandlung, letzteres heilt in den kommenden Tagen in der Regel von selber ab.

Aber auch Heim- und Handwerker profitieren von der Thermographie: Überall, wo Wasser oder Strom fließt, wird es kalt oder warm. An einer überlasteten Stromleitung entsteht besonders viel Wärme, an einer undichten Kaltwasserleitung besonders viel Kälte. Beides lässt sich leicht im Thermogramm sehen. Auch die Quelle der kalten Zugluft, die im Winter besonders nervt, oder andere schlecht isolierte Stellen lassen sich mit einer Wärmebildkamera leicht finden. Autobastler können wiederum mit einem Thermogramm überprüfen, ob die Zylinder im Motor des Wagens alle noch gleichmäßig arbeiten.

Wahrscheinlich werden auch künftig mehr Heimwerker eine Bohrmaschine ihr eigen nennen als eine Wärmebildkamera. Aber das Beispiel der Flir One zeigt einmal mehr, dass die Erschließung des Massenmarkts den Preis für Elektronik drastisch drücken kann, im konkreten Fall auf ca. ein Zehntel, und damit interessierten Laien und semiprofessionellen Nutzern gleichermaßen neue Anwendungen erschließt, die bisher professionellen Anwendern vorenthalten waren.

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