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telefonsupport vs. kunden - warum benehmen sich viele kunden so schlecht?


28.01.2016 01:41 - Gestartet von pizzbull
guten tag,

möglicherweise gehört dieser beitrag in ein anderes (unter-)forum. ich kenne mich hier nicht so gut aus, daher erschien mir dieses anbieterforum als passend für den beitrag.

es geht um folgendes: als ehem. mitarbeiter im kundensupport habe ich mich sehr oft gefragt, weshalb ca. 90% der anrufer sich so unfassbar schlecht benehmen und z.t. einfach nur eklig sind..?

ich habe während meines studiums längere zeit in callcentern gejobbt und dabei so einiges mitbekommen. die zeit bei dem DSL-und mobilfunkanbieter war prägend intensiv, allerdings habe ich auch noch für andere anbieter und ganz andere branchen gearbeitet und es war überall das gleiche: als mitarbeiter ist man generell recht miserabel bezahlt, sehr stark gestresst und dazu noch kunden ausgesetzt, die zum großteil einfach nur zum kotzen (sorry!) sind.

mit etlichen kollegen habe ich das thema diskutiert, aber ich finde keine befriedigende antwort.

na klar, es gibt so gewisse basics, grundlegende faktoren, die dafür sorgen könnten, dass kunden möglicherweise genervt sind. aber selbst wenn ich das alles mit einbeziehe, erschließt sich mir das verhalten nicht, das 9 von 10 kunden an den tag legen.

wie gesagt: mir ist natürlich klar, dass jemand, der die hotline anruft, eine art von "anliegen" oder ein "problem" hat. wenn alles OK ist, ruft man i.d.regel nicht an.
und ich habe auch verständnis dafür, wenn jemand 30 minuten in der warteschleife hängt, wenn der sprachcomputer zu 10.mal sagt, dass er die eingabe nicht verstanden hat oder wenn der kunde gerade eine netzstörung hat.
klar, dass man dann nicht gerade entspannt und happy ist. aber ich habe für so unterschiedliche bereiche und branchen telefoniert, mit ganz unterschiedlichen voraussetzungen und trotzdem war es immer das gleiche.


nehmen wir mal die arbeit in der vertragsabteilung. die kunden rufen an und sagen, dass die letzte rechnung zu hoch war. man schaut nach und sieht: der kunde hatte einen neukundenrabatt, der jetzt ausgelaufen ist: folglich zahlt er nun den regulären preis. da kommen wieder 8 von 10 kunden mit "BETRUG!" usw. an. dabei liegt die sache doch auf der hand. es steht so auch in den verträgen. und dass es inzwischen geläufig ist, verträge mit solch einem rabatt anzubieten, sollte ein kunde, der derart auf sein geld achtet, das auch wissen.
ich finde diese praxis mit rabatten zwar auch eine furchtbare unsitte, aber es ist halt das (üble) spiel. man sollte halt verträge gut lesen und zumindest die eckdaten kennen. das ist m.m.n. auch nicht zu viel verlangt...

dann hört man übertrieben häufig kunden, die anrufen und bei einer vertragsverlängerung geiern bis der arzt kommt. das ganze wird dann gern mit so sprüchen garniert wie "ICH BIN SCHON SO LANGE KUNDE BEI IHNEN" (kunden die das sagen, sind fast nie länger als 3 oder 4 jahre dabei! sorry, aber as ist NIX! wenn man 10 jahre oder länger dabei ist, kann man das vielleicht mal sagen. aber leute: ich kaufe auch seit 10 jahren imselben supermarkt ein und trotzdem hat mir da noch keiner was geschenkt!).

eine weitere merkwürdigkeit: viele kunden erwarten, dass es von vertrag zu vertrag IMMER BILLIGER werden müsse. sehr oft habe ich gehört: "WAS SOLL DAS DENN FÜR EIN ANGEBOT SEIN? 25 EURO HABE ICH DIE LETZTEN 4 JAHRE DOCH SCHON BEZAHLT?!"
meine frage: woher kommt diese verzerrte wahrnehmung?

der durchschnittliche kunde glaubt leider wirklich, er bekäme alles in den arsch gesteckt. nur warum sollte ein dienstleister dem kunden zu einer vertragsverlängerung denn unbedingt einen kostenlosen router schenken? WARUM?
ich will hier nicht die platte von den armen, armen unternehmen spielen, die es am markt schon hart genug hätten (die bosse ziehen schon regelmäßig ihren gewinn ab!). aber wenn ein kunde zb. eine 50.000er-DSL-leitung für rund 30 E/mntl. bekommt, dann ist das ein guter preis. das ist völlig OK. da muss auch nicht nochmal 10 euro rabatt oder eine teure fritz box für lau on top... DAS IST EINFACH UNVERSCHÄMT, so zu geiern!

gern rechtfertigt das der kunde damit, dass es ja legitim sei, das beste für sich rauszuholen.
ich finde, dass es einen großen unterschied macht, ob man fair verhandelt (was auch bedeutet, grenzen anzuerkennen und nicht wie ein baby nach dem schnuller zu geiern!) oder ob man einfach nur gierig und unersättlich daherkommt.

ich erinnere mich an einen kunden, der wollte seinen vertrag ändern von 16.000er DSL auf eine 50.000er-leitung. der preis war vollkommen in ordnung, damit war der kunde auch einverstanden. er wollte aber die notwendige neue hardware (ein vdsl-router) nicht bezahlen. dabei wurde ihm das erät günstig und stark subventioniert angeboten.
der kunde, ein heißblütiger südländer übrigens, war der meinung, ich solle ihm die fritz box gratis geben. ich fragte natürlich, wie er auf diese idee käme. da meinte er, dass er sich ja auch wieder für 2 weitere jahre binden würde. alle versuche, ihm das zu erläutern, schlugen fehl. am ende mußte ich das gespräch beenden, weil der junge mann ausfallend wurde...

wie kommt man nur auf so einen dämlichen gedanken? man bindet sich ja nicht nur als kunde! auch das unternehmen verpflichtet sich ja, über den vertragszeitraum eine leistung zu liefern.
aber die meisten kunden sehen nur sich selbst. das ist ohnehin weit verbreitet. narzissmus pur, die krankheit unserer zeit. menschen sind unfähig, die dinge aus einer anderen perspektive zu betrachten, als aus ihrer eigenen kleinen weltsicht heraus.

glücklicherweise haben sich bereits einige unternehmen davon verabschiedet, den quengel-kunden jeden wunsch zu erfüllen. lange jahre war es so, dass ein kunde nur damit kokettieren brauchte, den anbieter zu wechseln und schon gab es abläufe, um solche kunden letztendlich zu halten.
ich habe es bei 2 großen unternehmen miterlebt, dass bestimmte kunden, die bereits auffällig geworden waren, nichts mehr bekommen haben. wenn so ein kunde dann wieder mal angerufen hat und gegeiert hat, wurde er abgespeist. wenn die kunden dann ihre trupfkarte gezogen haben ("DANN KÜNDIGE ICH EBEN!"), wurde der kunde höflich auf die kündigungsfristen verwiesen und das wars. manchmal kam dann eine verwunderte stille zustande, weil die kunden ja leider auch von den anbietern über jahre hinweg so erzogen wurden: wer quengelt, bekommt alles! und wer nix sagt, bekommt auch nix...


ich verstehe die menschen nicht. deren oft gezeigte mentalität widert mich wirklich an. ich schwimme gewiss nicht in geld (liegt vermutlich genau daran, hehe!), aber ich käme NIEMALS auf die idee, bei meinem provider, stromversorger o.ä. anzurufen und derart einsetig zu "verhandeln".
noch weniger käme mir in den sinn, dort anzurufen und die mitarbeiter anzumachen, weil mir mein vertrag zu teuer ist...
und erst recht nicht gehe ich ins autohaus, verlange ein schnelleres und besseres auto und fordere rotzfrech, dass das ding doch bitte billiger sein möge als mein voriges...


mich hat das in den ganzen jahren wirklich richtig angeekelt, mit solchen menschen zu reden. lustigerweise glauben viele von den auch noch, amn bekomme für jeden abschluss ne fette provision, für die man alles tun würde... nur al zur aufklärung: DAS IST VÖLLIGER UNSINN! es gab sogar einen auftraggeber, der hat explizit eingefordert, die verträge der kunden NICHT MEHR zu verlängern. das war dann immer sehr lustig, wenn der kunde, weil ihm das angebot nicht gut genug war, damit "gedroht" hat, zur konkurrenz zu gehen. da haben wir uns immer totgelacht...

man sollte übrigens mal festhalten: auch wenn die mitarbeiter in den callcentern meist schlecht bezahlt werden und dort keiner nur aus spass sitzt, sind die leute dort im schnitt längst nicht so blöd oder inkompetent, wie einem oft suggeriert wird.
es gibt leider auch hier ausnahmen. meiner erfahrung ach gibt es auch extreme unterschiede zwischen den callcentern, was zb. die arbeitsbedingungen oder die "ausbildung" angeht.

die kunden sollten auch berücksichtigen, dass sie in der regel auch nicht direkt mit FIRMA XY sprechen, sondern mit einem ausgelagerten dienstleister, der irgendwo seinen sitz hat (das kann in ostdeutschland sein, aber auch in ungarn, der türkei, albanien oder sogar in indien!!). die mitarbeiter dort haben kaum spielraum, wenns zb. um verträge geht.


der knackpunkt der sache ist ja der: für KUNDENSERVICE will weder das unternehmen, noch der kunde etwas bezahlen. der kunde erwartet in der regel kostenfrei oder billige hotlines. und für die anbieter ist der service oft nur notwendiges übel - es sei denn, man generiert verkäufe über die servicemitarbeiter.
das ist natürlich auch für die mitarbeiter ne unschöne sache: egal wo ich tätig war, selbst in der technik wird vom mitarbeiter erwartet, dass er den kunden anspricht und ihm ggf. auch produkte vorstellt. das ist schade.

zwar sind solche verkäufe bezahlrelevant, das gaze spielt sich aber auf sehr, sehr niedrigem niveau ab. wenn ein mitarbeiter zb. einen 24-monatsvertrag macht, glauben viele kunden, man habe dem mitarbeiter damit den tag versüßt. um mal klartext zu sprechen: für einen 2-jahres-vertrag mit einem volumen von 600-700 euro bekommt man in der regel eine provision im 2-stelligen CENTBEREICH!! nur damit ihr mal eine vorstellung davon habt.
einen guten nebeneffekt hat das ja immerhin: die motivation, kunden anzulügen, ist komplett weg :)
nur falls hier leute denken, man würde sie am telefon bewusst täuschen. ja, das passiert natürlich. aber meine erfahrung ist eine andere: dem kunden werden häufig deshalb falsche versprechungen gemacht, weil die mitarbeiter schlecht geschult sind oder weil sie den kunden loswerden wollen. ein typischer fall hierfür: der kunde hat keinen rabatt mehr und ist erbost, dass er ein paar euro mehr bezahlen soll. er beschwert sich bei mitarbeiterin XY. diese beschwichtigt ihn, indem sie ihm verspricht, dass er seinen rabatt zurück bekommt oder man ihm eine gutschrift gibt. dann leitet sie ihn weiter an einen anderen kollegen... ob das dann geht oder nicht - egal, ist ja nicht mehr ihr problem.. nach diesem schema wird leider nicht gerade selten verfahren


nun gut, das muß erstmal reichen. ich wollte damit mal einen kleinen denkanstoß geben. das ist ausdrücklich KEIN thread a la "MEINE KURIOSESTEN/SCHLECHTESTEN ERFAHRUNGEN IM CALLCENTER". und es geht auch nicht darum, dass man jetzt antwortet, indem man über die unfähigsten callcenter-mitarbeiter herzieht. die gibt es, gar keine frage.

aber es geht mir ausdrücklich nur darum, wie sich die kunden oftmals verhalten, wenn sie vertragliche dinge telefonisch regeln wollen.

ich abe übrigens psychologie studiert und daher quasi "von aus aus" gewisse erklärungsmodelle zur hand. aber mir helfen die kaum.
denn das verhalten zieht sich wie ein roter faden durch meine damalige arbeit, egal ob ich für sog. discount-anbieter oder im luxussegment tätig war und ganz gleich, wie die verträge im detail aussahen. die waren ja jetzt nicht alle besonders undurchsichtig oder trickreich...

außerdem wird mir vermutlich jeder meiner zahlreichen ex-kollegen zustimmen, wenn es um das thema geht.


abschließend noch etwas ganz persönliches: ich mag mir gar nicht vorstellen, dass die mehrheit der leute aus derart unangenehmen zeitgenossen besteht. kalr, das KANN natürlich sein. und dass viele leute auf dieses "GEIZ IST GEIL" total abfahre, weiß ich auch. ich finde es nur einfach richtig übel. und ich komme jetzt auch nicht aus einem akademikerhaushalt, wo man 3x im jahr urlaub gemacht hat und man immer flüssig war... im gegenteil, ich ahtte zeitweise extrem wenig geld. und TROTZDEM kann ich mich nicht so verhalten. ich hab mich schon oft gefragt: "DASS DER KUNDE SICH DAFÜR NICHT SCHÄMT?!"

insgesamt bleibt nur zu hoffen, dass sich vielleicht manch einer angesprochen fühlt (auch wenn sich die betreffenden personen in umfragen zum thema "GEIZ" gern selbst als eher "großzügig" beschreiben!) und demnach eventuell sein verhalten mal hinterfragt.

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[1] Muschelpuster antwortet auf pizzbull
13.07.2016 07:15
Hey, der Beitrag ist zwar schon etwas älter, aber doch recht interessant, weshalb ich mal meine Gedanken dazu äußern will. Ich denke, dass Verhalten kommt durch viele einzelne Punkte zustande:
1. Man sieht den gegenüber nicht und so fehlt eine wichtige Kommunikationsebene - gerade bei unbekannten Gesprächspartnern.
2. Warum soll der Kunde nicht denken, dass er alles in den Allerwertesten geschoben bekommt, wenn ihm die Werbung das doch täglich eintrichtert?
3. Die Kunden sind genervt von ungebetenen Werbeanrufen und setzen unterschwellig auch den Callcenteragenten den sie nun angerufen haben mit seinen extrem nervigen Kollegen gleich.
4. Ein Normalbürger telefoniert mit einem geschulten Callcenteragenten. Da ist eine natürliche Verbale Unterlegenheit des Kunden gegeben. Diese versucht man gerne auszugleichen...
Wenn ich nur ein mein letztes ernsthaftes Problem mit Kabel-D denke, deren Mitarbeiter scheinbar primär auf Kundenberuhigung und -Abwehr geschult sind und nicht auf Problemlösung: Die Vertragshotline verweist freundlich auf die technische Hotline - die technische Hotline verweist freundlich auf die Vertragshotline. Wer da keinen Hals bekommt ist auch nicht ganz normal ;-)

Niels