Benutzer tokiox schrieb:
Also nicht wählen ist ja wie rechts wählen und das geht ja gar nicht, außer man unterstützt so was. Ansonsten seh ich das ähnlich.
Gleich vorweg - ich halte Wählen gehen für wichtig und werbe argumentativ DAFÜR ohne es als absoluten demokratischen Selbstzweck zu bezeichnen. Deine Behauptung ist absolut gequirlter, undemokratischer Bockmist. Denk' mal scharf darüber nach, was du hier schreibst. Du hast wohl zu viel Heiko Maas gelesen!
Es ist gerade das herausragende Wesen einer funktionierenden Demokratie, dass man in keiner krampfhaften "Mitmachgesellschaft" lebt bzw. leben muss. Eine Demokratie benötigt eben keine immerwährende Mobilisierungsmahnung von oben, die immerwährende Aufforderung an die "Zivilgesellschaft" sich zu beteiligen und irgend einer Art und weise aktiv zu werden! Nein! Das Gegenteil ist der Fall. In der Demokratie kann sich jeder einzelne entscheiden was er tut und was er unterlässt. Jeder kann nach seiner Fasson leben, so lange er damit nicht in die Rechte anderer tangiert. Das ist das eiserne Grundprinzip demokratischer Gesellschaften und schließt die Entscheidung sich politisch zu beteiligen oder nicht zu beteiligen selbstverständlich ein.
Es ist natürlich erlaubt, offen über das für und wieder einer Wahlbeteiligung zu diskutieren. Aber einem Nichtwähler mit dieser Art herablassender Übermoral zu kommen, die zudem inhaltlich völlig falsch ist, ist ziemlich ekelhaft und definitiv eines echten Demokraten nicht würdig!
Und so schließt sich der Kreis. Der erhobene Zeigefinger, das moralinsaure Belehren, das katastrophale Zerrbild vom rührseligen, regierungstragenden (was manche mit staatstragend verwechseln) Bürgeraktivisten ist gerade politisch und medial en Vogue. Siehe auch dieses lächerliche Hetzpamphlet des Bundesinnenministers, der das Wesen der demokratie auch nicht begriffen hat.
Der Wert und die Nachhaltigkeit einer Demokratie bemessen sich nämlich am allerstärksten daran, wie die Mehrheit mit der Minderheit der Andersdenkenden, Querdenker, Querköpfe und Querulanten umgeht! Und hier sehe ich ganz finstere Wolken am Horizont. Es gibt zwar falsche Fakten, aber eben keine "falschen" Meinungen, die als solche im Namen der "guten Gesinnung" moralisch delegitimierbar oder gesellschaftlich ausgrenzbar sind.
Die Öffentlichkeit hat sich bereits mehrfach gewaltig geirrt und befindet sich noch immer auf dem kollektiven Holzweg.
Mir hat z. B. noch niemand schlüssig dargelegt, warum Trumps Ausstieg aus dem völlig illusorischen 2 Grad-Begrenzungsziel des Pariser Klimaabkommens in der Sache schlimmer ist als der klar bekundete Unwillen unserer Bundesregierung die Steigerung unserer Rüstungsausgaben wie vertraglich vereinbart auf 2% des BIP anzuheben (trotz völlig maroder Truppe und wesentlich leichter erreichbar als das Klimaziel) vorzunehmen. Von dem Vertrag ist die Bundesregierung übrigens nicht zurückgetreten. Sie erklärt nur einseitig den Vertragsbruch.
In einer Bierzeltrede salbadert die Kanzlerin dann aber über die Verlässlichkeit von Bündnispartnern. Eigentlich ein Witz, wenn es nicht so ernsthaft krank und gestört in Sachen Selbstwahrnehmung und politische Prioritäten wäre.
Was unterscheidet also den einen völkerrechtlich legitimen und sauberen Ausstieg und den anderen völkerrechtlich illegitimem Vertragsbruch? Es ist die dahinterstehende Gesinnung! Klimaziel gut. Militärziel böse. So einfach ist die Welt der angeblichen unpopulistischen Nicht-Vereinfacher in Politik und Medien.
Angesichts dessen kommen mir als aufrichtigem Demokraten langsam Zweifel. Ich mag mich täuschen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht ich der Geisterfahrer bin, sondern das erdrückende Kollektiv der guten Menschen.
Wenn Politik- und Demokratieverständnis künftig so aussehen sollen, wie es die westliche Weltöffentlichkeit derzeit propagiert, dann muss ich mich davon aufs Schärfste distanzieren. Wenn alles nur noch an gesinnungsethischen Maßstäben ausgerichtet wird, dann wird die Demokratie zur Diktatur der Mehrheit. Dann gibt es nur noch Politik von den Guten für die Guten. Ekelhaft!!! Dann gehe ich auch nicht mehr wählen sondern werde Aktivist (im maas'schen Sinne), allerdings im Untergrund und gegen die Guten (gegen den maas'schen [Un]Sinn).