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Thema unvollständig


18.09.2017 11:58 - Gestartet von comfreak
a) zunächst mal heißt die Technologie, bei der EVs (Elektrofahrzeuge) Strom ins Netz zurückführen Vehicle-to-Grid, kurz V2G (dt. ca. Fahrzeug an Netz).

b) laden EVs nicht immer, wenn sie angeschlossen sind. Oftmals steckt zwar der Stecker, aber prinzipiell kann man das Ladegerät sogar Strompreis-orientiert steuern, oder Zeit-orientiert oder wie auch immer der Nutzer es wünscht.

c) die aktuelle Generation EVs hat bereits Reichweiten (Renault Zoe ca. 300-350 km; Opel Ampera-e ca. 350-400km), durch welche sie bei durchschnittlicher Pendelentfernung ca. 1-2 mal pro Woche aufgeladen werden müssen. Das Problem ist daher eher: sie müssen beinahe nicht mehr oft genug an die Steckdose (Wallbox) um ständig für V2G zur Verfügung zu stehen. Zum Glück aber, schließen die meisten Leute sie doch immer an (siehe e)

d) die notwendigen Ladegeräte sind keinesfalls Zukunftsmusik. Es gibt mehrere Orte auf der Welt, wo sie sich bereits in der aktiven Erprobungsphase befinden und der neue Nissan Leaf wird ab Werk mit V2G-Technik ausgestattet sein. Reines Laden ist bereits heute sehr flexibel einstellbar.

e) die Fahrer machen bereits mit und das vom Autor skizzierte, angebliche andauernde "Volltanken" ist ein Murks-Argument:
1. wenn ich als Pendelweg nur 10% Batteriakapazität verbrauche, so kann ich auch nur diese diese 10% wieder aufladen um auf die vom Autor als zentrales Problem dargestellte 100%-Ladung zu kommen. Es wird also nicht wie beim Smartphone jeden Tag fast 100% nachgeladen, auch wenn ich dan Wagen jeden Abend anschließe z.B. um meinen selbst-generierten Solarstrom einzufangen.
2. Davon mal abgesehen lässt sich sehr penibel steuern, wie wann, wie viel und wie lange geladen wird. So stellt ein vernünftig-informierter EV-Nutzer sein Ladegerät auf den Bereich min. 20 - max. 80% ein, um die Akku-Lebensdauer zu maximieren und nutzt Schnelllader nur bei den wenigen notwendigen Langstrecken. Wobei es diese Schnellladestationen (150kW aufwärts) außerhalb von Teslas Superchargern ja immer noch kaum gibt. Aktuell gibt es primär 11kW, 22kW und 50kW Lader.

f) die bei V2G vom Fahrzeug entnommenen Mengen Strom bewegen sich im Bereich knapp unter 5% der Kapazität, in einem Spielraum also, der bei täglicher Nutzung vernachlässigbar ist. Noch dazu hat Nissan in einem Feldversuch im Süden von London herausgefunden, dass die Batterielebensdauer durch V2G sogar VERLÄNGERT wird (bzw. die sogen. Degradation vermindert). Also sogar positive Nebeneffekte. Jedenfalls scheint das Thema technisch grundsätzlich gelöst. Nun muss Geld investiert und reguliert werden.

g) hier stimme ich zu: Vehicle 2 Grid ist vor allem ein regulatorisches Thema: Ein Aspekt wäre bspw. dass EV-Hersteller zu V2G mit standardisierten Protokollen verpflichtet werden. Aktuell sträuben sich dagegen die meisten Hersteller, weil sie entweder keine Feldtests machen (Tesla) oder weil sie ihren eigenen Batterien noch misstrauen (VW). Wichtig wäre zu sagen: technisch machbar ist es bei jedem EV. Es ist vermutlich sogar via Firmware-Update freischaltbar. Daher muss das regulativ geregelt werden und es müssten vorhandene Protokolle ISO-standardisiert werden.

h) der bei der Beispielrechnung angenommene durchschnittliche Stromverbauch entspricht ungefähr einem voll beladenen, autobahnfahrenden Tesla Model X CUV. Es ist eher als der aktuelle Maximalverbrauch zu sehen. Angesichts dessen, können statt 1/3 bedeutend mehr als 2/3 der deutschen PKW durch EVs ersetzt werden, bevor irgendwelche Kapazitätsfragen entstehen (Stromverbrauch VW e-Golf: 15kW/100km). Dadurch aber fällt auch der Strom weg, der für die Reformierung von Öl zu Benzin/Diesel für 2/3 der PKW verbraucht wird. Das kann sich ggf. sogar 1:1 ausgleichen und dem letzten Drittel den Umstieg ermöglichen.

i) Das Hauptproblem in Sachen EV ist der Ausbau der Ladennetze. Auf jede 10 Parkplätze im Innenstadtbereich müssen 3 mit langsameren Ladern kommen (11kW, besser aber 22kW). Die reichen bei den üblichen Standzeiten (mal eben 30 Minuten zu Aldi) aus, um den üblichen Wochen-Strom-Bedarf eines EVs nach zu laden. Wo möglich (am Arbeitsplatz/Menschen mit festem Parkplatz am Wohnort) müssten Wallboxen vorgeschrieben sein (bei Arbeitgebern anfangs in bestimmten Quoten). Und für Langstrecken braucht es an jeder aktuellen Autobahntankstelle 3-4 Schnellladestationen mit 150kW Leistung aufwärts. Sind diese beiden Themen gelöst, dann setzen sich EVs quasi von selbst durch. Denn ihre Vorteile sind extrem überzeugend: nahezu keinerlei zu wartende Teile außer Bremsen und Reifen, keine lokalen Emissionen, kein Lärm (auch innen), kein Benzin-Gestank, kein Öl im Fahrzeug (was das Anlegen von Parkplätzen und Garagen enorm verbilligt), keine Verschmutzung des Fahrzeugs durch eigene Abgase, kein Einatmen der eigenen Abgase (z.B. beim Rangieren), kaum Teile, die defekt sein können (kein Auspuff, Getriebe, Lichtmaschine, kaum Bremsverschleiß, damit also kaum Verbrauchskosten außer Strom.

Eine vermutlich erst in 5 Jahren zu vermutenden Revolution der Batterietechnik braucht man jedenfalls nicht mehr abzuwarten. Die Ladetechnik und Batteriesteuerung eines EVs ist bedeutend besser als eines Smartphones. Aktuell gibt es Nutzungserfahrungen von e-Taxen mit Nissan Leafs und Tesmal Model S mit je nach Bsp. mehr als 500.000km und einer Batteriedegradation gerade mal 6-7%, bei grundsätzlicher Ladbarkeit innerhalb von 30 Minuten. Li-Ion reicht zunächst völlig. Nur die eingebaute Batteriegröße muss mind. 40kW, besser 60kW entsprechen. Alles andere ist nur begrenzt alltagstauglich.
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[1] Kai Petzke antwortet auf comfreak
18.09.2017 14:09
Benutzer comfreak schrieb:

c) die aktuelle Generation EVs hat bereits Reichweiten (Renault Zoe ca. 300-350 km; Opel Ampera-e ca. 350-400km), durch welche sie bei durchschnittlicher Pendelentfernung ca. 1-2 mal pro Woche aufgeladen werden müssen.

Diese Autos habe ich nicht berücksichtigt, da der Ampera-e hierzulande so gut wie nicht verkauft wird. Selbst, wenn man ihn bei Opel bestellt, erhält man ihn nicht. Der Zoe kommt in der Basisversion mit einer 22-kWh-Batterie, mit der man zumindest im Winter nur ungern von "täglich nachladen" abweichen wollen wird.

d) die notwendigen Ladegeräte sind keinesfalls Zukunftsmusik. Es gibt mehrere Orte auf der Welt, wo sie sich bereits in der aktiven Erprobungsphase befinden und der neue Nissan Leaf wird ab Werk mit V2G-Technik ausgestattet sein.

Das ist gut und die Branche scheint etwas weiter, als ich dachte.

1. wenn ich als Pendelweg nur 10% Batteriakapazität verbrauche, so kann ich auch nur diese diese 10% wieder aufladen

Das ist klar. Mit "Volltanken" war nicht gemeint, dass 100% nachgeladen werden, sondern, dass die Batterie auf 100% geladen wird.

h) der bei der Beispielrechnung angenommene durchschnittliche Stromverbauch entspricht ungefähr einem voll beladenen, autobahnfahrenden Tesla Model X CUV.

Ich denke das Model X kommt bei Tempo 180 auf der Autobahn auch auf noch höhere Werte.

Es ist eher als der aktuelle Maximalverbrauch zu sehen. Angesichts dessen, können statt 1/3 bedeutend mehr als 2/3 der deutschen PKW durch EVs ersetzt werden, bevor irgendwelche Kapazitätsfragen entstehen (Stromverbrauch VW e-Golf: 15kW/100km).

Man muss dann auch noch die Verluste im Ladegerät und im Niederspannungsnetz einrechnen, so dass man auch beim e-Golf am Ende eher auf 18 bis 20 kWh Bruttoverbrauch auf 100 km kommt. Zudem gilt der Golf noch als Kompaktwagen, der Durchschnittsbürger kauft ein etwas größeres Auto. Gemeinerweise (für den Durchschnittsverbrauch) ist dann auch noch die durchschnittliche Fahrleistung der großen, schweren Autos höher als die der kleinen, leichten, effizienten.

Selbst, wenn man aber Ihre Zahl von 15 kWh/100 km nicht, kommt man bei 13400 km durchschnittlicher Fahrleistung aber "nur" auf 27,6 Mio. Autos, die sich umstellen lassen, also weniger als 2/3, nicht mehr.

Dadurch aber fällt auch der Strom weg, der für die Reformierung von Öl zu Benzin/Diesel für 2/3 der PKW verbraucht wird.

Der Stromverbrauch von Raffinerien wird von E-Auto-Lobbyisten gerne überschätzt. Beispiesweise hier die Zahlen für diel BayernOIl:
http://www.bayernoil.de/fileadmin/downloadpool/Broschuere/Umwelterklaerung_2017_Ansicht.pdf

Dem Bericht zufolge wurden 10,5 Mio. Tonnen Raffinerie-Produkte hergestellt, wofür 460 GWh Strom benötigt wurden. Also 44 kWh Stromverbrauch pro Tonne Benzin/Diesel/Heizöl/Jet A-1/Bitumen/etc., oder 0,033 kWh pro Liter Benzin. Mit einem Liter Benzin kommt ein herkömmliches Auto 10 km weit, mit dem für die Nicht-Herstellung des Liter Benzins gesparten Strom das E-Auto dann gut einen bis zwei Kilometer (je nachdem, ob man meinen oder Ihren Stromverbrauchswert ansetzt). Man kann also mit dem in der Raffinerie gesparten Strom nochmals 12,2 % bis 22 % zusätzlich umrüsten, und mit dem bei der zusätzlichen Umrüstung gesparten Strom dann nochmals 1,5 % (12,2% * 12,2%) bzw. 4,8% (22% * 22%), was dann (als Kettenbruch) zu ziemlich genau 1/7 bzw. 2/7 zusätzlicher Umrüstung führt. Bei meiner Zahl (15,3 Mio. Kfz) also am Ende effektiv 17,4 Mio., bei Ihrem Verbrauchswert (15 kWh/100 km, 27,6 Mio. Autos) am Ende effektiv zu 35,4 Mio. Autos. Es reicht also selbst mit Ihrem (m.E. zu optimistischem) Verbrauchswert nicht für den Bestand von 45 Mio. Kfz, aber man kommt schon "verdammt nah ran".

Die oft in Foren genannten 1,2 bis 1,5 kWh pro Liter Benzin (siehe beispielsweise hier: http://gatewayev.org/how-much-electricity-is-used-refine-a-gallon-of-gasoline ) rühren wohl daher, dass dort der gesamte Energieeinsatz in der Raffinerie in elektrische Energie umgerechnet wird. Nur: Der überwiegende Energieeinsatz in der Raffinerie ist zum Heizen, und das erfolgt, in dem ein Teil des Rohöls oder alternativ Erdgas (je nachdem, was gerade billiger ist) verbrannt wird, NICHT durch die Verwendung von Strom.

Am Beispiel der Zahlen von Bayernoil: CO2-Emmissionen von 1,8 Mio. Tonnen entsprechen beim Strommix in Deutschland (534 g / kWh) der Erzeugung von 3370 GWh Strom, also dem mehr als Siebenfachen des tatsächlichen Stromverbrauchs der Raffinerie. Somit lässt sich sagen: Bei der Produktion von 10 Litern Benzin in der Raffinerie wird so viel Strom verbraucht und zusätzlich so viel CO2 erzeugt, dass man damit beim derzeitigen Strommix ein E-Auto 100 km (mein Verbrauchswert) bzw. sogar 180 km (Ihr Verbrauchswert) weit fahren kann. Und da sind die Emissionen aus dem Auspuff selber noch gar nicht bei ;-)

nahezu keinerlei zu wartende Teile außer Bremsen und Reifen,

Und selbst die Bremsen haben beim E-Auto weniger Verschleiß als beim herkömmlichen Fahreug.

Eine vermutlich erst in 5 Jahren zu vermutenden Revolution der Batterietechnik braucht man jedenfalls nicht mehr abzuwarten.
[...] Li-Ion reicht zunächst
völlig. Nur die eingebaute Batteriegröße muss mind. 40kW, besser 60kW entsprechen. Alles andere ist nur begrenzt alltagstauglich.

Aber 60 kWh sind aber derzeit noch recht schwer und teuer, so dass ich schon denke, dass wir auf Akkus mit Energiedichten von über 350 Wh/kg und Produktionskosten von unter 80 €/kWh warten müssen, bevor die Kfz-Verkäufer ihre Kunden regelmäßig fragen: "Wollen Sie wirklich noch einen Stinker? Hier haben wir für 3000 € weniger was g*scheits für Sie".