Benutzer fanlog schrieb:
Ich bin ganz Deiner Meinung, dass das Internetradio zu Hause UKW und (!) DAB ersetzt. Für unterwegs ist heute noch ein alternatives Medium sinnvoll, ebenso für Notfälle wie Stromausfall.
Hier arbeiten ja beispielsweise die Mobilfunknetzbetreiber an Broadcasting-Lösungen, DVB-H gab es ja auch schon mal. Das Problem ist generell die Lobbyarbeit und die Unmöglichkeit für die verschiedenen Interessensgruppen, einen Standard zu etablieren. Eins meiner Lieblingsbeispiele ist ein Vergleich mit den Homecomputern in den 80ern und dem heutigen PC. Während man früher für jedes System ein eigenes Interface brauchte, kann man sich wohl heute kaum vorstellen, dass ein USB-Stück für ein Lenovo ThinkPad nur noch an disem und keinesfalls an einem Computer von HP oder Mac laufen würde. Der unsägliche Fehler war, keinen Standard unabhängig von Wirtschaftsinteressen festzulegen. In der analogen Funktechnik geht das auf einfache Weise, die Hersteller können daran entwickeln. Seit TechniSat haben wir es erlebt, dass der Hersteller selbst sich plötzlich stark macht un als Dienstleister (ADR) auftritt, um den Dienst voran zu treiben. Klar, das war bei Kassette und CD nicht anders, der MiniDisc hat genau dieser nicht vorhandene Standard das Genick gebrochen. Als Sony dann plötzlich mit Standards um die Ecke kam, war MP3 längst verbreitet und während Ende der 90er Jahre jede Mini-Anlage ienen MD-Recorder hatte, verschwanden die binnen Monate aus den Geräten zu Gunsten eines USB-Anschlusses.
Dabei ist es völlig egal ob UKW oder DAB. MW wäre wirklich nur für Notfälle und würde sich daher m.E. nicht rentieren.
Mit solchen allgemeinen Aussagen sollte man sehr vorsichtig sein. Wie würdest Du es finden, wenn beispielsweise die Rettungsdienste und Wehren Statistiken über die Einsatzhäufigkeit erstellen und Leitstellen an den Punkten ausdünnen, an denen es statistisch weniger Notfälle gibt? Das ist die vollkommen falsche Herangehensweise. Hier muss man sich fragen, welcher Standard ist am Längsten und Häufigsten etabliert und kann auf einfachste Weise genutzt werden. Da bleibt der analoge Rundfunk auch aufgrund des sehr großen Einzugsgebietes eines Senders übrig. Einen Detektorempfänger für Mittelwelle kannst Du mit wenigen Bauteilen sogar selbst bauen. Es ist daher doch klar, dass man das als gegeben nutzt, was vorhanden ist. DAB+-Empfänger verkaufen sich ja auch deshalb so gut, weil fast jedes Internet-Radio einen Multi-Empfangs-Chip enthält. Das freut auch die Lobby, weil das beschönigt die Verkaufszahlen. Effektiv ist die Frage aber viel interessanter, wie viele Hörer letztendlich das System auch nutzen. Auch die erwähnte Erfahrung der geringen Haltbarkeit von Digitalstandards lässt mich hier heute keines als gleichwertig sehen.
Längerfristig UKW und DAB parallel laufen zu lassen ist Unsinn.
Das ist kein Unsinn, weil im Rundfunkstaatsvertrag eindeutig die flächendeckende Versorgung festgeschrieben ist. Unsinn ist es, dass man hingegen nicht DAB+, oder auch schon DAB, konsequent ausgebaut hat. Viel mehr hat man - das macht die Lobby heute noch - immer damit geworben, wie toll das ist, genau wie DVB-T. Im Handel gab es dutzende tragbare Fernseher und ich kannte dort aktive Verkäufer die mir erzählten, dass sie schon beim Verkaufen gesagt haben, bringen sie das Teil am nächsten Tag einfach zurück, wenn es nicht geht. Du hast in diesem Laden faktisch kein original verpacktes Gerät mehr kaufen können. Hier hätte man auf politischer Ebene mit Unterstützung von Experten klar ermitteln müssen, wie viele Sendestandorte brauchen wir für eine flächendeckende Versorgung, was muss alles rein und wie regeln wir das. Dann hätte man das Netz innerhalb von fünf Jahren aufbauen können, weitere fünf Jahre als Übergangszeit und fertig. Das Problem ist aber, dass die Privatisierung den Nachteil der Gewinnmaximierung mitbringt, somit fragt sich ein Unternehmen, wie lange die Investitionsrückführung dauert. Bei einem Land wie Deutschland ist das nicht wirtschaftlich. Die Effekte sehen wir in Krankenhäusern, bei der Bahn und in der Pflege, wohin die Privatisierung führt und beim Radio schreibt sich das Desaster fort. Energie mit eingeschlossen, aber da hat der Gesetzgeber ja zumindest so halbwegs die Kurve gekriegt, um Kostenexplusionen nach jahrelangem Dumping zu vermeiden. Auch beim Telefonnetz ist das nicht anders, man hätte der Deutschen Telekom nie das Leitungsnetz übereignen dürfen. Das hätte in die Hand der Städte und Kommunen gehört, dann hätten wir nicht erst heute das Theater, dass wir im weltweiten Vergleich auf Platz 24, hinter den Niederlanden und Ungarn, stehen würden. Kommt auch mindestens 10 Jahre zu spät. Selbst in afrikanischen Ländern, in denen Nahrung und die medizinische Versorgung unterdurchschnittlich ist, besteht mit der Internetversorgung kein Problem.
Sinnvoll wäre ökologisch (aufgrund der verbeitetenden Menge) DAB wieder einzustampfen und UKW als Ersatzmedium zu behalten.
Dazu ist es inzwischen zu spät, das hätte man vor fünf Jahren machen müssen. Dagegen sprechen auch die Verkaufszahlen und dass heutzutage die meisten Geräte DAB+-Empfänger sind. Man kann schließlich nicht über Jahre aggressiv die Sinnhaftigkeit von DAB+ proklamieren und schon wieder ein digitales System einstampfen, nur weil man das Ganze ergonomisch nicht sinnvoll installiert kriegt.
Wirtschaftlich ist das aber nicht umsetzbar, da würde die Industrie Sturm laufen.
Lobby trifft es besser. Es gibt ja unterschiedliche Interessenvertreter, wobei natürlich allen Wirtschaftsunternehmen die Gewinne wichtig sind. Dazu zählen Unternehmen, die auch gar nichts anderes als Digitalradio beherrschen. Gerade Privatsender, die jetzt ihre seltsamen, werbefinanzierten Programme bundesweit abstrahlen, wären sicher dagegen. Schwarzwaldradio beispielsweise, braucht m. E. kein Mensch, ist aber sicherlich gute Werbung für die Touristik dort. Ein Problem ist ohnehin, dass wir solch einen Überfluss an Radiosendern haben, die sich an Qualität so unterbieten, dass sie mich - und sicher viele andere auch - gar nicht mal interessieren. Dann lieber Streaming, dann habe ich ein auf mich zugeschnittenes Musikprogramm, das nicht durch Flachwitze unterbrochen wird. Wenn die Branche nämlich nicht aufpasst, steuert sie künftig auf ganz andere Probleme zu, als die Frage der Verbreitung. Das ist auch ein Nachteil von Digitalradios, die Usability. Es gibt nämlich nicht nur alte, sondern auch behinderte und kranke Menschen, die mitunter komplexe Geräte dieser Art nicht bedienen können.
Meiner Meinung nach könnte man mit Blick auf die Autos und Tante Erna in den nächsten 10-12 Jahren die UKW Programmzahl bis auf 2-3 langsam runterfahren (und mit ÖR beginnen). Damit würde automatisch die Attraktivität von DAB steigen. Und wenn der Durchdringungsgrad von DAB ausreicht (und DAB in der Fläche verfügbar ist), UKW abschalten.
Tja - wenn... Dass es noch nicht geschafft wurde, es flächendeckend auszubauen, ist eigentlich die Schlappe schlecht hin. Wie lange soll ich denn noch warten? Meinen ersten DAB-Empfänger habe ich 2005 gekauft, sogar damals in den Vertrieb aufgenommen. Das System kenne ich aktiv seit Mitte der 90er, Ende der 80er wurde es bereits auf der IFA vorgestellt. Mein DAB-Radio hatte ich dann 2008 verkauft und der Käufer hat diese Absicht als argwöhnisch gesehen, weil er bei der Landesmedienanstalt in Schleswig-Holstein nachfragte und erfuhr, dass man in DAB nicht weiter investieren würde. Zugleich gab es Meldungen, das dies die Zukunft wäre. Der Kardinalsfehler ist eigentlich, dass man nicht mit einer Stimme spricht, sondern sich gegenseitig versucht, in Argumenten zu überbieten und diese Diskussionen in den eigenen Reihen öffentlich führt. Das ist nämlich neu, als GSM Ende der 80er eingeführt wurde, standen Alternativen gar nicht zur Disposition und man kann es heute noch nutzen. Selbst das C-Netz wurde so spät abgeschaltet, dass die Akkus der Geräte längst erledigt waren.