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Kontra etwas zu kurz gedacht


02.08.2018 15:52 - Gestartet von DL7FOS
Ich muss leider etwas die einseitige Kontra-Darstellung kritisieren, weil sie auf mich nicht ganz glaubwürdig und authentisch wirkt. Viele der Punkte sind zwar richtig, aber offenbar bewusst zu oberflächlich interpretiert, um das Kontra nicht als Solches zu verschlanken. Als Nutzer und anfänglicher Kritiker haben wir das Thema Smart Watches mehrfach in unserem merkst.de-Podcast besprochen, ein notwendiger Background ist also vorhanden.
Fangen wir mal ganz vorne an: Die LG G Watch war meine erste Smart Watch. Googles Wear-Betriebssystem, Mikrofon, Touchscreen und ein bei Weitem nicht klobiges Gehäuse mit einer Laufzeit, die sich auch stark an der Benutzung orientiert. Hier ist ein Vergleich mit einer Solaruhr absolut unsinnig, denn es ist klar, dass ein Computer mit Drahtlosfunktionen mehr Energie benötigt und somit auch alle paar Tage aufgeladen werden will. Ich habe die G Watch für nicht viel benutzt, was auch auf fehlende Accessibility-Features zurückzuführen ist, die ich persönlich benötige. Anrufe erfolgten im Blindflug, weil ich das Display nicht ablesen konnte.

Als damaliger Gegner der Apple Watch ob des hohen Preises war allerdings die nahtlose Integration, VoiceOver und die Möglichkeit, Nachrichten auch abseits vom iPhone zu empfangen, das nicht am Körper getragen wird, für mich überhaupt der Grund zum Umstieg auf Apple. Telefonieren am Handgelenk, diskreter Vibrationsalarm und schlussendlich auch eine sprechende Uhr, die als eigenständiges Produkt in einem Spezialversand für Blinden- und Sehbehindertenprodukte auch über 150 Euro kosten würde. Auch das direkte Beantworten per Siri auf Nachrichten ist ein sehr sinnvoller Punkt für mich, die mangelnde Unabhängigkeit und relativ kurze Laufzeit bei dauerhafter Nutzung hatte ich zu kritisieren.

In der Apple Watch 3 Cellular fand ich nun das Produkt, das für mich eigentlich die Endstufe meiner Erwartungen bedeutet. Aufladen alle zwei bis drei Tage, das geht für mich in Ordnung. Immerhin trage ich die Uhr nicht nachts und auch ist sie in maximal zwei Stunden wieder voll. IN Verbindung mit den AirPods ist sie für mich der unkomplizierteste Music Player mit 16GB RAM, die Mobilfunkfunktion sorgt dafür, dass ich das iPhone im Rahmen meines Wohnorts überhaupt nicht mehr einstecke. Interessanterweise kommt es sogar, seitdem ich die Watch 3 habe, zu mehr Anrufen und selbst bei schwachem Akku reicht das für ein kurzes Telefonat, ich muss unterwegs nicht lange telefonieren. Benachrichtigungen werden durchgereicht, obgleich es bei meiner Apple-ID hier ein Problem gibt, das noch zu lösen wäre. Normalerweise werden diese weitergeleitet, allerdings lässt sich mit ihnen nur dann etwas anfangen, wenn die Apps auch zur Watch mit LTE kompatibel sind. Das ist eigentlich das Kernproblem, so dass ich Anwender verstehen kann, die sich gegen die eSIM entscheiden.

Es gibt dennoch einige Punkte, die mich stören. Siri und die Aktivierung ist unzureichend, das wird aber in WatchOS 5 behoben, dann muss ich die Watch nur noch zum Mund führen und kann direkt sprechen. Auch eine Fahrplanauskunft fehlt mir in der Navigation, so dass ich selbst für kürzere Strecken dann doch das iPhone alleine nur deshalb mitführen muss. Das nervt mich und wäre noch zu verbessern, liegt allerdings an den App-Entwicklern.

Als Fazit ist für mich die Apple Watch 3 mit LTE unerreicht, natürlich macht das tatsächlich nur bei bestimmten Mobilfunkanbietern auch Sinn. Das liegt aber nur zum Teil an Apple, einheitliche Standards sind immer die beste Verbreitungsmöglichkeit. Wem die AirPods übrigens zu teuer sind, kann auch andere Bluetooth-Geräte an die Watch koppeln und Musik hören. Jedoch derzeit begrenzt auf iTunes, weshalb das Produkt hauptsächlich nur für Nutzer Sinn macht, die sich für das Ökosystem von Apple entscheiden. Für Android allerdings ist mir kein vergleichbares und vor Allem barrierefreies Produkt bekannt.

Wer sich für eine Smart Watch entscheidet, das ist auch der gravierende Unterschied zu einem Mode-Accessoire Namens Uhr, sollte schon wissen, was er von dieser erwartet. Uhren trägt man heute aus Gründen der Mode, als Zeitmessinstrument sind sie fast inzwischen obsolet. Eine Smart Watch aber stellt mir einen Werkzeugkasten an Tools bereit, die ich entweder brauche, oder eben nicht. Dabei werden Sportler am Meisten angesprochen und die Aussage, Fitnessbänder könnte man vernachlässigen, ist aus diesem Grunde auch inzwischen unrichtig. Sie sind heute bei Weitem funktionsreicher, als noch vor fünf Jahren. Ich war zu Anfang stets der Ansicht, die Apple Watch sei viel zu teuer, das war ich auch bei den AirPods. Beide Produkte haben mir aber im Alltag gezeigt, dass sie in gewissen Teilen alternativlos sind. So ist die Apple Watch die beste sprechende bzw. vibrierende Uhr, die ich je hatte und nicht einmal schwerer, als eine typische Blindenuhr. Die AirPods hingegen im Vergleich zu teuren HiFi-Hörern relativ günstig und die Einzigen, die keine Ohrkanalhörer sind. Daher fallen für mich alle anderen Produkte raus, weil ich diese nicht gut vertrage. Das Zusammenspiel hat mit rund 680 Euro einen hohen Preis, aber dafür nutze ich mein iPhone deutlich weniger ab. Der einzige richtig große Kritikpunkt ist die mangelnde Nachhaltigkeit, aus Umweltgründen müsste man auf Produkte von Apple nämlich verzichten, die vermeintliche Ökologieausrichtung ist nämlich bei genauer Betrachtung nur Augenwischerei.