Thread
Menü

Der ÖR ist eine sehr wichtige Institution, aber ...


21.11.2019 10:16 - Gestartet von DL7FOS
Ja, ich bin ein Befürworter des ÖR und beteilige mich nicht an einseitig plumpen Bashing. Wer das nicht versteht, sollte mal den politischen und wirtschaftlichen Einfluss auf private Medien in der ganzen Welt untersuchen, da ist die angeblich von Populisten beschworene Einflussnahme der Politik auf ARD und ZDF ein Vogelschiss gegen, zumal es - sofern man informationsgewillt ist - genügend kritische Beiträge zu allen deutschen Parteien gibt. Das aber nur so am Rande, denn der ÖR ist weitaus mehr als politische Berichterstattung.

Daher müssen die folgenden Fragen erlaubt sein: Ist die heutige Medienlandschaft noch zeitgemäß, einschließlich missglückter Verjüngungsversuche und albernes Nacheifern des quotensüchtigen Privatfunks? Muss ein Thomas Gottschalk mit vermutlich unvergleichbarer Gage in Zeiten von Bayern 3 heute noch eine 80er-Show im ZDF moderieren? Braucht ein Landesfunkhaus fünf und mehr Radioprogramme, um alle Sparten abzudecken? Muss man sich an den realitätsfernen Preisen für Übertragungsrechte noch beteiligen und warum müssen diese europaweit sein, nur damit der Urlauber auf Mallorca Fußball schauen kann?

Es gab vor einigen Jahren mal ein öffentliches Forum, an dem sich Tom Buhrow und Lutz Marmor, die Intendanten des WDR und NDR, Fragen aus dem Publikum stellten. Auch Gehälter waren ein Thema und die Zusammenstreichung von Radiostationen. Dabei gab es viele Aspekte, die man als Außenstehender sicher so nicht im Blick hat, dennoch die Entscheidungen der Verantwortlichen beeinflussen. Was aber viele auch nicht im Blick haben ist die Zwangsbezahlung für das Privatvernsehen. Rund sechs Euro sind auf allen Übertragungswegen nötig, wenn die SD-Transponder verbraucht sind, dann sogar verpflichtend. Egal ob Magenta TV, Zattoo oder HD-Plus, man bezahlt sie auch. Nur welchen Schrott und haufenweise Werbeunterbrechungen bei rund 18 Sendern bekommt man? Ein wie ich finde deutlich schlechteres Preis-Leistungsverhältnis, bei dem ich mich nicht beteilige.

Klar kann man sich fragen, ob man für etwas zahlen sollte, was man nicht konsumiert. Aber mache ich das nicht in vielen Bereichen? Bezahle ich nicht für Autobahnen mit meinen Steuergeldern, obwohl ich gar kein Auto habe? Bezahle ich nicht auch für sinnfreie Anfragen zweifelhafter Parteien, die den Bundestag blockieren und im Ergebnis richtig viel Geld kosten? Was ist mit dem Werbeaufwand der Telekom und immer wieder missglückten Diensten, die ich nicht brauche, aber potentiell Gebührensenkungen verhindern? Was ist mit Hundebesitzern, die ihre Tiere auf die Straße kacken lassen, in freier Wildbahn entsorgter Müll und ähnliches, was auf Kosten der Allgemeinheit beseitigt werden mus?

Daher finde ich es zu kurz gedacht so zu tun, als sei der ÖR eine einzige Zwangsgebühr, auch wenn man über die Höhe und Investitionen durchaus diskutieren kann. Jedoch möchte ich mir persönlich ein Land ohne unabhängigen Journalismus nicht vorstellen, zumal es genügend davon auf der Welt gibt.
Menü
[1] klaus1970 antwortet auf DL7FOS
21.11.2019 10:49

einmal geändert am 21.11.2019 10:51
Danke für dein Post. Auch ich halte den öffentlch-rechtlichen Rundfunk für wichtig und zahle den Rundfunkbeitrag gerne. Das Bashing hier ist unerträglich, man meint, die AfD habe überall ihre Leute in öffentliche Foren eingeschleust.

Du hast aber recht mit Dingen, welche die ARD gut einsparen könnte. Wozu braucht jede ARD-Anstalt eine Nachrichten-, eine Klassik-, eine Pop- oder eine Oldie-Welle? Kann man da nicht viel einsparen, indem man wie die US-Networks auf Syndication setzt, also nur noch regionale Nachrichten und Werbung, ansonsten Inhaltsgleichheit? Ich denke sogar, damit könnte man die Qualiät steigern und z.B. den angesprochenen Gottschalk bundesweit auf die Antenne bringen. Nach diesem Prinzip funktioniert auch der Lokalfunk hier in NRW: Nur wenige Stunden lokale Inhalte, den Rest liefert der Mantelprogrammanbieter. Es wäre eine gute Lösung, um regionale Identität zu behalten (die ARD darf ja offiziell auch nicht bundesweit senden) und trotzdem jede Menge einzusparen.

Ähnliches gilt für die Dritten Programme im Fernsehen. Von dem ganzen Verwaltungsapparat will ich mal besser mal gar nicht erst reden...
Menü
[1.1] DL7FOS antwortet auf klaus1970
21.11.2019 11:15
Benutzer klaus1970 schrieb:
Danke für dein Post. Auch ich halte den öffentlch-rechtlichen Rundfunk für wichtig und zahle den Rundfunkbeitrag gerne. Das Bashing hier ist unerträglich, man meint, die AfD habe überall ihre Leute in öffentliche Foren eingeschleust.

Vor Allem ist vielen nicht klar, wie Unternehmen durch Werbung private Medien deutlich stärker beeinflussen. Man schaue sich HiFi-Fachmagazine an und vergleiche die Testergebnisse mit den gebuchten Werbeseiten. Genau genommen gab und wird es immer Abhängigkeiten geben, das ist an sich nicht schlimm. Die Frage ist nur, in welchem Umfang und da ist ein freier Journalismus, den wir alle und nicht die Politik oder sonstwer bezahlt, eine wirklich unabhängige Lösung. Art und Umfang kann man daher diskutieren, so liegt es schlussendlich an den Verantwortlichen, was gesendet wird und was nicht oder wie. Dabei nimmt das jeder anders wahr, siehe die jüngst erfolgten Diskussionen über die Tagesschau auf Facebook. Schnell wird aber vergessen, dass jeder eine andere Informationsblase und vor Allem auch Bildungsstand genießt.

Du hast aber recht mit Dingen, welche die ARD gut einsparen könnte. Wozu braucht jede ARD-Anstalt eine Nachrichten-, eine Klassik-, eine Pop- oder eine Oldie-Welle? Kann man da nicht viel einsparen, indem man wie die US-Networks auf Syndication setzt, also nur noch regionale Nachrichten und Werbung,

Ich denke, dass die Nachrichtenvielfalt schon zur Objektivität beitragen kann, dass ARD und ZDF eigene Korrespondent*innen haben, ist sicher wichtig. Warum man aber in allen WDR- oder hr-Programmen Wortbeiträgen zu denselben Themen von 10 unterschiedlichen Leuten hören muss und Nachrichten stündlich von 10 Leuten (Redakteur und Sprecher) gestaltet werden, ist unverständlich. Der NDR hatte früher beispielsweise dieselben Nachrichten auf allen Wellen ausgestrahlt. Klar, nicht so eine Durchhörbarkeit und Format wie heute, aber ausreichend.

Es wäre eine gute Lösung, um regionale Identität zu behalten (die ARD darf ja offiziell auch nicht bundesweit senden) und trotzdem jede Menge einzusparen.

Regionalität finde ich eine gute Stärke, der NDR beispielsweise mit 90,3, Niedersachsen und Welle Nord macht das ganz hervorragend. Aber was sollen NDR Plus und Blue noch, wer soll das alles hören? WDR ist ein gutes Beispiel für das missglückte Verjüngungsprogramm. Heute gesehen, viele Moderator*innen von WDR 2 sind bei WDR 4 oder WDR 5, aber ich will nicht den ganzen Tag Oldies hören, aber auch nicht den sich stündlich wiederholenden Einheitsbrei. Ich will eigentlich Information und WDR 2 habe ich früher gerne gehört, seit der Programmreform von 2017 mit der Verjüngung schalte ich öfters um.

Ähnliches gilt für die Dritten Programme im Fernsehen. Von dem ganzen Verwaltungsapparat will ich mal besser mal gar nicht erst reden...

Die finde ich aber auch schon berechtigt, hier schaltet man zumindest (siehe NDR und Radio Bremen) mehr zusammen. Fernsehen ist natürlich vom Aufwand eine ganz andere Größenordnung.
Menü
[2] Martn antwortet auf DL7FOS
21.11.2019 10:59

einmal geändert am 21.11.2019 11:01
Dem ist wenig hinzuzufügen.
Bin sehr sparsam und knirsche bei jeder
Abbuchung mit den Zähnen. Aber dahinter steckt ein wesentlicher, oben beschriebener Nutzen, der mir das Geld wert ist. Eine freie Presse sichert unsere Demokratie.
Ich möchte keinen "Stürmer", "Aktuelle Kamera", "Neues Deutschland" oder TV von Berlusconi, Murdock oder ähnliche. Wenn du in die Zukunft schauen willst, lerne Geschichte. Alles schon Mal dagewesen.
Und das Alles für unter 20 Euro.....ist doch geschenkt...;-0
Menü
[2.1] DL7FOS antwortet auf Martn
21.11.2019 11:05
Benutzer Martn schrieb:
Dem ist wenig hinzuzufügen.

Danke, das kann ich zurückgeben, auch sehr wichtige und spannende Aspekte, die von Dir genannt wurden.

Ich möchte keinen "Stürmer", "Aktuelle Kamera", "Neues Deutschland" oder TV von Berlusconi, Murdock oder ähnliche.

An dieser Stelle hilft die ARD aus, dieses Feature kann ich jedem ans Herz legen:
https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-dok5-das-feature/audio-das-ard-radiofeature-wie-putin-deutschland-spaltet-100.html

Ein schönes Beispiel übrigens, wie freier Journalismus funktioniert, auch eine Quelle: www.welchering.de.

Und das Alles für unter 20 Euro.....ist doch
geschenkt....😁

Das finde ich ist die Frage. Geschenkt vielleicht nicht und Optimierungsbedarf ist immer möglich und hier sollte man sich verstärkt fragen, ob man den Privaten nacheifern will, ob so ein wirtschaftlich übertriebener Sport wie Fußball noch finanziell zu rechtfertigen ist, da gäbe es durchaus Einsparpotential. Schaue ich die letzten 30 Jahre zurück, wurde das Programmangebot stetig erweitert, der hr sendete zeitweise mit acht Radioprogrammen. Was ist bspw. mit Radio Bremen und rbb, müssen die wie der SR überhaupt eigenständig noch aggieren?
Menü
[2.1.1] Martn antwortet auf DL7FOS
21.11.2019 11:53
Ja, könnte vielleicht 5 €uronen geringer sein, der Beitrag. Dann wäre das Geschrei aber nicht geringer.
Was mir mehr Sorge bereitet, ist, dass die SchwachfugTV-Gucker das Bildungsangebot der ÖR nicht nutzen. Ich glaube nicht, dass die Höcke-Jünger die historischen Berichte des "Großen Krieges", (Erster und Zweiter Weltkrieg) und die Zusammenhänge schauen, geschweige denn verstehen. Es wird von denen geguckt, die eh Bescheid wissen und über politische Bildung verfügen.
Des weiteren bereitet mir Sorge, dass die Ablehnung gegen den ÖR sich mittelfristig verstärken wird, weil die künftigen Beitragszahler gar kein TV mehr nutzen.
Meinen Jungs brauch ich mit TV- Verbot nicht kommen, die lachen mich aus.
Menü
[2.1.1.1] DL7FOS antwortet auf Martn
21.11.2019 12:24
Benutzer Martn schrieb:
Meinen Jungs brauch ich mit TV- Verbot nicht kommen, die lachen mich aus.

Ja, das ist leider so und auch eines der Problemzonen des ÖR. Es ist ja bekannt, dass man vor 20 Jahren noch dachte, das Internet ist ein Phänomen und geht wieder weg. Zugleich hat man, Ausnahmen gibt es wie die Landesmedienanstalt in Bayern, tatenlos zugesehen, wie sich der Markt hier entwickelt. Anstatt die Chance zu nutzen und beispielsweise eigene soziale Netzwerke aufzubauen, hechelt man heute Facebook, Twitter und YouTube nach und glaubt allen Ernstens im Zuge des gescheiterten Verjüngungsprogramms, dass das ausreicht, junge Leute wieder zum TV Gucken zu animieren.

Aber, das mal als Kritik von und für Eltern, liegt es auch an uns Allen, den Bildungseinrichtungen und anderen Stellen, die alle haben tatenlos zugesehen, wie YouTube, Instagram und Co. ins Kinderzimmer wandern. Wer hat denn die Medienkompetenz vor 10 Jahren gehabt, das Internet mit den Kindern zu nutzen bzw. zu gestalten? Wer sichert Kindercomputer vernünftig ab, kann ja kaum jemand. Da kommt dann YouTube Kids und Amazon mit dem Kindle. Sorry, ich hätte lieber ein Ki.Ka-Tablet oder meinetwegen eins von der Deutschen Telekom gesehen, aber Geräte wie das Puls waren ja schon vor der Erstauslieferung für die Tonne.

Geredet wird immer viel, geschrien auch und es ist sicher richtig, dass man auch bei 10 Euro monatlich meckern würde. Davon abgesehen, dass die AfD bei aller Propaganda immer vergisst, dass ihr Klientel, wie Geringverdiener und Stützenbezieher, ohnehin befreit sind. Das meine ich aber jetzt auch nicht als schreibe ich mal Scherenerweiterung zwischen Arm und Reich, natürlich ist nicht jeder so gebildet, dass er eine vom Deutschlandradio produzierte Sendereihe auch intellektuell aufnehmen kann. Viel mehr ist es aber doch so, dass Bildungsfernsehen, was man früher Schulfernsehen nannte (wo die Leute im Gegensatz zum Tatort ihre Autos immer brav abgeschlossen haben) aus dem Programm verschwanden. So Leute wie Ranga Yogeshwar waren dafür verantwortlich, dass Sendereihen, wie der WDR Computer-Club, abgesetzt wurden. Da gab es vieles, siehe Knoff-Hoff-Show, für das es niemals adäquate Nachfolgeformate gab. Stattdessen nur noch Talk, Raten, Krimi, Punkt. Eben Programme für die seichte Unterhaltung und die Zielgruppe jenseits der 50, auch wenn das Alter nicht immer der Maßstab für anspruchsvolles Programm ist. Dass man im Schlafanzug mit Knabberzeug vor der live übertragenen Samstag-Abend-Show mit Freude saß, ist 20 bis 30 Jahre her, das Überangebot ist sicher auch eines dieser Gründe - macht ja jeder das Gleiche.

Ganz gefährlich finde ich die Abschaffung der Fachjournalistenabteilungen. Die so genannten Experten sind meist nur Schreibtischjournalisten, die ihr Wissen, wie jeder von uns, irgendwo aus dem Netz bezieht und sich dann als Fachmann verkauft. Dabei muss der Kram so schnell auf den Sender, dass die Redaktion schon vorher überlegt, welche Antwort soll es denn sein und was ist meinungskonform, das finde ich das Problem. Die Wächterfunktion innezuhaben bedeutet auch, Für- und Gegenstimmen zu finden und eben nicht nur einen Konsens. Aber das könnte ja Zuhörer und Zuschauer kosten, von daher bleibt man in Erklärungen eben einfach, weil Radio hört man nebenbei. Wo es konkret und tief in die Materie geht, ist dann Nachts oder in Spartenkanälen.