Mobilfunkmarkt Frankreich

Frankreich: Free Mobile entfacht Mobilfunk-Preiskampf

Für 19,99 Euro Flatrate in alle Netze inklusive SMS und Daten
Von Hans-Georg Kluge mit Material von dpa

Neuer Anbieter auf dem französischen Mobilfunkmarkt: Free will Preiskampf entfachen. Neuer Anbieter auf dem französischen Mobilfunkmarkt: Free will Preiskampf entfachen.
Screenshot: teltarif.de
Computerhacker, Peepshow-Betreiber, Internet-Milliardär und Miteigentümer der renommierten Tageszeitung "Le Monde": Der 44 Jahre alte Franzose Xavier Niel hat innerhalb von zwei Jahrzehnten eine beispiellose Karriere hingelegt. Seinen vielleicht größten Coup startete er allerdings erst vor rund einem Monat: Mit der Tochtergesellschaft Free des von ihm kontrollierten Medienkonzern Iliad stürmt der "Selfmademan à l'americaine" den bislang behäbigen französischen Mobilfunkmarkt. Er hat nicht weniger versprochen, als die Handyrechnungen seiner Landsleute zu halbieren.

Niel-Tweet: "the Rocket is on the launch pad"

Neuer Anbieter auf dem französischen Mobilfunkmarkt: Free will Preiskampf entfachen. Neuer Anbieter auf dem französischen Mobilfunkmarkt: Free will Preiskampf entfachen.
Screenshot: teltarif.de
Für die Branchenriesen Orange, SFR und Bouygues Telecom ist der aggressive Markteintritt des vierten Netzbetreibers eine mittlere Katastrophe. Die alteingesessenen Anbieter waren gezwungen, innerhalb weniger Tage ihre Preise anzupassen. Noch schwerer wiegt allerdings der Imageschaden. Viele Franzosen fragen sich, warum sie jahrelang so hohe Preise für die Handynutzung zahlen mussten. Knapp 80 Prozent der französischen Handynutzer haben laut einer Studie die Absicht, kurz- oder mittelfristig zu Free zu wechseln.

Die Tarife von Free

Das Hauptangebot umfasst für 19,99 Euro pro Monat eine Handy- und Festnetzflatrate, unbegrenzte Textnachrichten sowie drei Gigabyte für mobile Daten - ohne Vertragsbindung. Außerdem sind Telefonate in Festnetze 40 anderer Länder inkludiert. Bei einem alternativen Tarif gibt es 60 Freiminuten und 60 SMS für zwei Euro monatlich. "Sie können Ihrem Anbieter eine Lektion erteilen und ihn verlassen oder ihn auffordern seine Tarife zu senken", sagte der laut "Forbes"-Magazin 3,7 Milliarden Dollar reiche Niel bei der Vorstellung seiner Tarife.

Möglicherweise sind die angebotenen Konditionen jedoch nur für die ersten drei Millionen Kunden gültig, wie aus einer englischsprachigen Presseinformationsmappe hervorgeht.

Konkurrenz muss reagieren

Dass die Free-Angebote eingeschlagen haben, gilt als sicher. Die tägliche Zahl der Anträge auf eine Rufnummer-Mitnahme verdreifachte sich in den vergangenen Wochen. Free nennt zwar bislang keine Zahlen, nach Schätzungen von Branchenexperten könnte das Unternehmen in den ersten vier Wochen aber weit über eine Million Kunden gewonnen haben. Das ist selbst auf dem zweitgrößten EU-Markt, wo der Branchenführer Orange bislang auf rund 27 Millionen Kunden kam, nicht wenig.

Dessen Chef Stéphane Richard verteidigte jüngst die bisherigen Margen von rund 35 Prozent als vernünftig. Der aggressive Wettbewerb drohe sich negativ auf den Service, die Investitionen und die Arbeitsplatzsituation auszuwirken, sagte er in einem Interview der französischen Sonntagszeitung "JDD". "Es ist immer möglich es günstiger zu machen, aber meist ist es dann weniger gut."

Zweifel bestehen, ob Free diesen Preiskampf lange genug aufrecht halten kann. Free baut das Netz bereits seit 2009 auf, hat jedoch keine weitere Erfahrungen im Mobilfunkbereich. Auch bleibt fraglich, ob der neue Provider und sein Handynetz das starke Wachstum aushält.

Xavier Niel: Ein Mann mit schillernder Vergangenheit

Für Niel dürften Aufmerksamkeit und Erfolg Balsam auf der Seele sein. Ohne Uni-Abschluss und ohne millionenschweres Elternhaus hatte er es lange schwer, im französischen Establishment Anerkennung zu finden. Weil er zu Beginn seiner Karriere nicht nur auf Computer, sondern auch auf Geschäfte im Rotlicht-Milieu setzte, haftete ihm lange der Spitzname "Pornokönig" an. Wegen des Verdachts der Zuhälterei verbrachte er sogar einen Monat in Untersuchungshaft.

Einen großen Imagegewinn verschaffte ihm erst die Rettung des angeschlagenen Traditionsblatts "Le Monde". Zusammen mit dem linken Kulturmäzen Pierre Bergé und Banker Matthieu Pigasse übernahm er 2010 das angeschlagene Traditionsblatt. Schon damals war er Milliardär. In den 90er Jahren hatte Niel den ersten Internetanbieter Frankreichs aufgebaut. Später bot er als erster Breitband-Internet, Telefon und Fernsehen über die sogenannte Freebox an.

Eine Preis-Revolution auch in Deutschland möglich?

In Deutschland werden revolutionäre Entwicklungen wie in Frankreich derzeit für eher unwahrscheinlich gehalten. "Die Preise sind so niedrig wie vermutlich kaum irgendwo anders in Europa", sagt Rudolf Boll von der Bundesnetzagentur. Auch seien aktuell keine neuen Mobilfunkfrequenzen zu vergeben. Auf dem deutschen Mobilfunkmarkt werden Preiskämpfe vor allem über die Mobilfunkdiscounter ausgetragen. Daher wäre ein ähnliches Vorhaben in Deutschland wohl nicht erfolgsversprechend.

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