im Dschungel

Freinsheim: Eine Stadt im Breitband-Dschungel

Wer nahe dem HVt wohnt, bekommt flottes Kupfer-Internet zuerst. Wer im Außenbezirk wohnt, wird später superschnelle Glasfaser bekommen.
Aus Freinsheim berichtet

Die Stadt Freinsheim liegt in Rheinland-Pfalz und wurde 773 erstmalig urkundlich erwähnt. In Sachen Breitband ist sie zweigeteilt. Die Stadt Freinsheim liegt in Rheinland-Pfalz und wurde 773 erstmalig urkundlich erwähnt. In Sachen Breitband ist sie zweigeteilt.
Foto: Berthold Werner, Wikimedia Commons
Ganz Deutschland spricht von schnellem Internet und seiner Förderung. Überall wird gegraben und gebaut. Geht man in die Details, kann es ziemlich bizarr werden.

Die rheinland-pfälzische Stadt Freinsheim in der gleichnamigen Verbandsgemeinde kann auf eine wechselvolle Geschichte und eine weitestgehend erhaltene Altstadt zurückblicken. Klar, dass die Freinsheimer endlich schnelles Internet wollten. Internet per DSL gab es schon hier und da, doch die Geschwindigkeiten waren stark unterschiedlich.

Flächendeckend Breitband mit 50 MBit/s bis Ende 2018?

Die Stadt Freinsheim liegt in Rheinland-Pfalz und wurde 773 erstmalig urkundlich erwähnt. In Sachen Breitband ist sie zweigeteilt. Die Stadt Freinsheim liegt in Rheinland-Pfalz und wurde 773 erstmalig urkundlich erwähnt. In Sachen Breitband ist sie zweigeteilt.
Foto: Berthold Werner, Wikimedia Commons
2015 hatte die Bundesregierung beschlossen, die Breitband-Versorgung in Deutschland flächendeckend auf eine Übertragungsleistung von mindestens 50 MBit/s auszubauen. Mit den in Deutschland tätigen Netzbetreibern wurde vereinbart, dass Anschlüsse mit einer IST-Übertragungsleistung von weniger als 30 MBit/s, deren Ausbau für die Netzbetreiber nicht wirtschaftlich ist, durch Beihilfen ermöglicht werden. Die Netzbetreiber bauen im Gegenzug alle anderen Anschlüsse auf eigene Rechnung mit mindestens 30 MBit/s aus. Dabei werden grundsätzlich einzelne Anschlüsse betrachtet und betroffene Gebiete dann in zwei "Ausbaugebiete" zusammengefasst.

Das Gesamtprojekt "50 MBit/s" sollte ursprünglich bundesweit bis Ende 2018 umgesetzt sein. Für die einzelnen Kommunen (Gemeinden) bedeutet dies, dass vorhandene Anschlüsse je nach IST-Versorgung mit getrennten Projekten ausgebaut werden. Eine übergeordnete Abstimmung der Ausbaupläne war und ist nicht vorgesehen.

Förderrichtlinien für konkrete Ausbauziele

Die konkreten Ausbauziele werden bei den geförderten Projekten von den Kommunen auf der Basis der Förderrichtlinien bestimmt. Die Förderrichtlinien legen für die Übertragungsleistung keine technische Obergrenze oder Obergrenze für Ausbaukosten, sondern nur eine Obergrenze der von Bund und Land vorgesehenen Zuwendungen (Geldzahlungen) fest. Die Netzbetreiber planen dagegen, ihre Unternehmensziele so zu gestalten, dass sie mit minimalen Kosten maximale Umsätze erzielen können, was aus deren Sicht verständlich ist. Dies führt zwangsläufig zu völlig unterschiedlichen Ausbauzielen und Vorstellungen.

Die Verbandsgemeinde Freinsheim wollte mit der Telekom Deutschland den gesamten Ausbauplan der Ortsteile abstimmen. Der örtliche Bundestagsabgeordnete schrieb sogar extra an den Telekom-Vorstand. Die Telekom lehnte diese Idee ab, teilte aber die geplanten eigenen Ausbauziele mit. Glasfaseranschlüsse seien darin nicht enthalten. Stattdessen biete die Telekom Deutschland im Rahmen eines Marketingprogramms "Mehr Breitband für MICH" einzelnen Kunden Glasfaseranschlüsse unter Beteiligung an den Ausbaukosten an.

Telekom baut HVt-Nahbereich

Die Deutsche Telekom machte sich bald ans Werk, um VDSL-Vectoring im inneren Ortsbereich (auf der Karte rosa) zu realisieren. In Freinsheim werden so etwa 960 Anschlüsse im sogenannten HVt-Nahbereich erreicht. Diese Anschlüsse können dann Geschwindigkeiten von 50 bis 100 MBit/s übertragen. Sobald in naher Zukunft auf Super-Vectoring nachgerüstet wird, sollten auch 200 bis 250 MBit/s möglich sein. Mehr gibt diese Glasfaser- und Kupferbasierte Technik nicht her (den noch schnelleren Standard G.fast setzt die Telekom noch nicht ein, wohl aber einige private Mitbewerber). Für private Nutzer sollten 100 bis 200 MB/s auch in den allermeisten Fällen ausreichen, für Unternehmen aber nicht immer.

Wer baut im Fördergebiet?

Stadtplan der Stadt Freinsheim. Im Ortskern baut die Telekom rund um den HvT Internet FTTC mit zunächst bis zu 100 MBit/s Stadtplan der Stadt Freinsheim. Im Ortskern baut die Telekom rund um den HvT Internet FTTC mit zunächst bis zu 100 MBit/s
Grafik: Verbandsgemeindeverwaltung Freinsheim
Drumherum (in der Landkarte "grün" eingezeichnet) rechnet sich der Ausbau für die Telekom vorne und hinten nicht, also wären hier massive Fördermittel gefragt. Und jetzt wird es kompliziert.

Knapp 3600 "nicht förderfähige" Anschlüsse befinden sich in den anderen Ortsgemeinden. Etwa 1600 Anschlüsse in allen Gemeinden der Verbandsgemeinde, seien "beihilfefähig". Welcher Netzbetreiber ausbaut, wird aktuell über eine Ausschreibung durch den Landkreis ermittelt. Die Verbandsgemeinde hatte nach enger Abstimmung mit den Kommunen ein Ausbauprogramm mit 25 Prozent der Anschlüsse auf mindestens 50 MBit/s und 75 Prozent auf mindestens 100 MBit/s sowie 54 echte Glasfaseranschlüsse mit einer Übertragungsleistung von 1000 MBit/s = 1 GBit/s (symmetrisch) für Unternehmen in der Ausschreibung.

Politik will Cluster

Wohl um Kosten zu sparen, gab die Politik in Rheinland-Pfalz vor, dass sich betroffene Gemeinden erst einmal zu "Clustern" zusammen schließen sollten. Vom Bund sollte es dann 50 Prozent Förderung der Ausbaukosten geben und vom Land weitere 40 Prozent, die restlichen 10 Prozent sollten die Gemeinden aus eigenen Mitteln bestreiten. Die Koordination soll beim Landkreis stattfinden, der aber selbst - da finanziell chronisch klamm - kein Geld dazu beisteuern kann und will.

Noch ist unklar, wer den Ausbau im "Außenring" am Ende wirklich stemmen wird. Wer im Innenteil also dem "Telekom-Gebiet" wohnt oder arbeitet, bekommt FTTC, also Kupfer bis zum Straßenverteiler. Natürlich können interessierte Unternehmen oder auch Privatpersonen sich von der Telekom ein Angebot für einen direkten Glasfaseranschluss machen lassen, um so auf eigene Kosten einen Glasfaseranschluss ins Haus zu bekommen.

Ungerechtigkeiten: Hier geförderte Glasfaser - dort nur gegen massiven Eigenanteil

Der Inhaber eines Weinbaubetriebes wohnt im Außenring, wo ihm als Unternehmen 1 GBit/s symmetrisch per Glasfaser angekündigt wurden. Er betreibt aber auch ein gut besuchtes Hotel im Innenbereich, wo seitens der Telekom derzeit maximal 100 MBit/s möglich sind. Ist sein Hotel voll belegt und wollen alle Gäste gleichzeitig surfen oder TV-Streams schauen, wird das mit den 100 MBit/s etwas "dünn", klagt er. Er fragte also bei der Telekom an, ob sie ihm auch direkt eine Glasfaser ins Haus legen könnten. Die Antwort: "Ja, das können wir machen, das wird aber 37 000 Euro (einmalig) kosten."

Es gibt nicht überall Fördermittel

Fördermittel für seinen Anschluss bekommt der Hotelier hingegen nicht, weil er in einem "ausgebauten" Gebiet wohnt, wo die sogenannte "Aufgreifschwelle" gilt. Diese besagt, dass Internetgeschwindigkeiten über 30 MBit/s "gut genug" sind. Wäre sein Anschluss bei unter 30 000 kBit/s vielleicht bei 16 000 kBit/s gelegen, hätte man die Erweiterung hingegen fördern können. Ein konkurrierendes Hotel im Außenring wird hingegen voll versorgt und das ohne Extra-Kosten. Unser Hotelier findet das ziemlich ungerecht und sann auf Abhilfe.

Kann die Politik helfen?

Der gut vernetzte Hotelier wandte sich an die Politik in Mainz. Die fanden vollstes Verständnis für sein Problem, sahen sich aber außerstande, helfend einzugreifen und verwiesen auf den Bund, der gerade neue Förderrichtlinien ausarbeite.

Dabei ist die Verbandsgemeinde Freinsheim noch vergleichsweise gut beraten. Sie konnte einen ehemaligen hochrangigen leitenden Angestellten der Deutschen Telekom, heute im Ruhestand, als "Breitbandberater" gewinnen, der den Politikern vor Ort die verschlungenen Pfade der Netzinfrastruktur und des Subventions- und Förderdschungels entwirren und für einige Gemeinden wenigstens überhaupt ein einigermaßen passables Internet auf den Weg bringen konnte.

Bei der Ungerechtigkeit beim Glasfaserausbau sind aber auch seine Grenzen überschritten. Wobei die 37 000 Euro für den Glasfaseranschluss, wie er im Hintergrundgespräch mit teltarif.de einräumte, ein durchaus realistischer Preis seien. Schließlich müsse das "private Unternehmen Telekom" ja wirtschaftlich arbeiten. (Die Telekom arbeitet als privates Unternehmen, auch wenn die Bundesrepublik Deutschland über die Bank KfW noch große Anteile besitzt.)

Gemeinde sinnt auf Abhilfe

Für die Gemeinde ist klar, dass im geförderten Ausbaugebiet Glasfaseranschlüsse für Übertragungsraten über 1 GBit/s für Unternehmen aus Steuermitteln bereitgestellt werden. Im eigenfinanzierten Ausbaugebiet der Telekom sind Glasfaseranschlüsse nur durch sehr erhebliche Investitionen zu bekommen. Ob im Raum Freinsheim jemals andere Wettbewerber der Telekom auftreten werden, ist derzeit nicht bekannt.

Für die Gemeinde hat das negative Auswirkungen: Unternehmen mit einem Bedarf über 200 MBit/s im "eigenfinanzierten Gebiet" werden gegenüber ihren Wettbewerbern im geförderten Gebiet massiv benachteiligt (z.B. Hotels, Gästehäuser, Weingüter, aber auch Werbe- und Internetagenturen, Fotostudios oder beratende Ingenieure). Hier entstehe eine steuerfinanzierte Verzerrung des Wettbewerbs, heißt es in einem internen Papier, das teltarif.de vorliegt.

Diese einseitige und zufällig entstandene schlechte Ausstattung mit Glasfaseranschlüssen schwäche die Ortsgemeinden im Wettbewerb um die Ansiedlung moderner Dienstleistungsunternehmen. Um diese Unternehmen bemühe sich die Gemeinde, denn die hohe Lebensqualität in den Ortsgemeinden sei erst zusammen mit einer zukunftssicheren Breitbandversorgung ein Alleinstellungsmerkmal der Region.

Auch die Gemeinde hat diesen Umstand dem Wirtschaftsministerium des Landes Rheinland-Pfalz vorgetragen und um Klärung gebeten. Der Themenkomplex wurde sodann im „Förderbeirat Breitband“ des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur beraten. Eine offizielle Antwort gibt es noch nicht, zwischen den Zeilen wurde aber bestätigt, dass es diese "Ungerechtigkeiten" tatsächlich geben könne.

Eigene Firma gründen?

Für die Verbandsgemeinde bleibt die Überlegung, ob man unterschiedliche Versorgung der Haushalte und Betriebe akzeptieren will oder ob man den Ausbau im Fördergebiet von einer (förderrechtlich zulässigen) Ko-Finanzierung der Unternehmen (und bei Bedarf auch der Haushalte) abhängig macht.

Denkbar wäre auch, dass die Verbandsgemeinde eine "Firma" gründet, die dann (alternative) Netzbetreiber beauftragt, die bereit sind, in den von der Telekom nur mit Kupfer ausgebauten Gebieten die benötigten Glasfaseranschlüsse bedarfsgerecht auszubauen und zu marktüblichen Preisen anzubieten.

Sollte ein solches Unternehmen wirklich gefunden werden, könnte das auch bei der Telekom zu einem Umdenkprozess führen, die Geschichte bleibt also spannend.

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