Vorschlag

o2 möchte Frequenzvergaben für 700/800 MHz vorziehen

Der Netzbetreiber Telefónica o2 hat sich Gedanken gemacht, wie die Wünsche nach flächendeckender Versorgung mit 4G/5G und physikalische Gesetzmäßigkeiten unter einen Hut zu bekommen wären.
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Der Netzbetreiber Telefónica o2 setzt sich erneut mit dem Papier der Bundesnetzagentur auseinander und hat auch konstruktive Vorschläge, wie der politische Wunsch nach maximaler Netzversorgung so umgesetzt werden kann, so dass die Netzbetreiber das auch noch leisten können.

Zunächst hält Telefónica fest, dass die von der BNetzA vorgeschlagene Versorgungsauflage von 100 MBit/s für 98 Prozent der Haushalte nur unter Rückgriff auf Flächenfrequenzen (unter 1 GHz) umsetzbar wäre, aber die sind gar nicht Gegenstand des aktuellen Verfahrens. Somit wäre diese Vorgabe eine rechtswidrige, nachträgliche Verschärfung von bereits bestehenden Auflagen.

300 oder 100 MBit/s nur mit 4G erzielbar?

Telefonica o2 hat sich Gedanken gemacht, wie der Wunsch nach maximaler Flächendeckung und physikalische Gesetzmäßigkeiten unter einen Hut zu bekommen wären. Telefonica o2 hat sich Gedanken gemacht, wie der Wunsch nach maximaler Flächendeckung und physikalische Gesetzmäßigkeiten unter einen Hut zu bekommen wären.

Foto: Telefonica o2
Die 100 MBit/s könnten aktuell nur mit 4G-Technologie erreicht werden. Dafür müssten die 700-MHz-Frequenzen, die eigentlich später für 5G vorgesehen sind, sofort für 4G (LTE) genutzt werden. Das wäre langfristig eine "technologische Sackgasse" und würde den 5G-Ausbau in Deutschland massiv behindern. Die vom Beirat geforderten Übertragungsrate von 300 MBit/s wären nur mit Investitionen von rund 76 Milliarden Euro - pro Netzbetreiber - oder mindestens 120 MHz zusätzlichen für die Fläche brauchbaren Frequenzen erreichbar. Eine Verhandlungs­pflicht für den Dienste­anbieter­zugang würde den in Infrastruktur investierenden Mobil­funk­netz­betrei­bern nachhaltig schaden und damit auch dem Netzausbau in Deutschland.

Ein neuer Aspekt: Die vorgeschlagenen Zahlungs­bedingungen hätten unnötige Zinskosten im dreistelligen Millionen­bereich zur Folge. Daher müsse "Zahlung ab Verfügbarkeit" und "Ratenzahlung" ins Verfahren eingebaut werden. Ein Gesamtkonzept für die Flächenversorgung ist weiterhin möglich, wenn verfügbare Flächenfrequenzen verlängert und neues Spektrum bereitgestellt wird.

Komplizierte Gemengelage: Ziele nicht außer Acht lassen

Telefónica sieht die Gefahr, dass die Entscheidungen in der Gemengelage zwischen politischem Druck, Einzelinteressen und der Öffentlichkeit verwässert werden. Wichtig sei eine rechts- und zukunftssichere Frequenzvergabe, damit Deutschland die angestrebte Führungsrolle beim 5G-Ausbau wirklich einnehmen könne. Politik, BNetzA und die Netzbetreiber hätten gemeinsame erkannt, dass höhere Investitionen für den Ausbau von Mobilfunknetzen notwendig sind, um weiße Flecken zu schließen und den 5G-Leitmarkt Wirklichkeit werden zu lassen. Nur wenn die privaten Netzbetreiber die nötige Planungs- und Investitionssicherheit für den Infra­struktur­ausbau erhielten, sei diese Vision erreichbar.

Auflage zur Flächenversorgung faktisch unmöglich

Die von der BNetzA skizzierten Rahmenbedingungen sowie von Teilen der Politik geäußerte Anforderungen stünden dem massiv entgegen. Das vorliegende Vergabeverfahren mit Kapazitätsfrequenzen (für Ballungsgebiete) bei 2 GHz und 3,6 GHz bietet gar keine Möglichkeit, die bestehenden Auflagen zur Flächenversorgung über eine Anordnung signifikant anzuheben.

LTE auf 700 MHz?

Die von der BNetzA vorgeschlagenen 100 MBit/s für 98 Prozent der Haushalte wären nur unter Zugriff auf die 2010 und 2015 vergebenen 700- und 800-MHz-Frequenzen erfüllbar. Die BNetzA habe selbst darauf hingewiesen, dass solche nachträglichen Verschär­fungen Ent schädigungs­forder ungen der Mobil­funk­netz­betreiber in Milliarden­höhe nach sich ziehen könnten. Hinzu kommt, dass die 700-MHz-Frequenzen derzeit nur bis 2033 und die 800-MHz-Frequenzen sogar nur bis 2025 zugeteilt sind, sodass die nun von der BNetzA vorgeschlagene Auflage auch nicht dauerhaft erfüllbar wäre, weil dann, wenn der Ausbau fertig ist, die Lizenzen neu verlängert werden müssten.

Die Tatsache, dass die BNetzA nun - entgegen der von ihr vorher geäußerten Bedenken - doch eine Versorgungsauflage für die Fläche vorschlägt, zeige, wie sehr die Behörde unter politischem Druck steht.

Technologische Sackgasse

Aus Gründen der Signalausbreitung können 98 Prozent der Haushalte in allen Bundesländern bis Ende 2022 nur mit Flächenfrequenzen unterhalb von 1 GHz realisiert werden. Zur Erzielung von 100 MBit/s müssen dort jedem Netzbetreiber mindestens 20 MHz Spektrum zur Verfügung stehen. Hierfür kämen nur das 700-MHz- und das 800-MHz-Band infrage, denn dort verfügt jeder Netzbetreiber jeweils über 10 MHz. Für die erforderlichen 20 MHz müssten die 10 MHz im 700-MHz-Band (mit Laufzeit bis Ende 2033) und die 10 MHz im 800-MHz-Band (mit Laufzeit bis Ende 2025) zusammengeführt werden, also eine neue gemeinsame Frequenzlaufzeit, damit die Bänder verbunden werden könnten.

Das 800-MHz-Band wird seit der Vergabe im Jahr 2010 mit 4G (LTE) ausgebaut. Das 700-MHz-Band – das übrigens immer noch nicht bundesweit zur Verfügung steht (dort funken noch TV-Sender) – erlaubt zwar technisch 4G (LTE), ist als EU-5G-Prioritäts-Band für den Ausbau von 5G in der Fläche vorgesehen. Funktionen zur Bündelung von Bandbreiten auf 4G und 5G sind auf dem Markt (noch) nicht verfügbar, weder in der Netztechnik noch in den Endgeräten.

Der Ausbau des 4G-Netzes bei 700 MHz würde den Ausbau von 5G in diesem Band blockieren und auf Jahre unmöglich machen. Zudem müsste jeder Netzbetreiber für den zusätzlichen 4G-Ausbau ungeplanten rund eine Milliarde Euro extra aufwenden. Dieses Geld fehlt dann später für den 5G-Ausbau in der Fläche. Das Geld, das für den 4G-Ausbau bei 700 MHz ausgegeben würde, wäre langfristig nicht für höhere Bandbreiten oder kürzere Latenzzeiten nutzbar (da schon ausgegeben). Dafür braucht man aber 5G. Die Ausbau­verpflich­tung der Haushalte behindert das Ziel der Politik und der Betreiber, 5G großflächig zeitnah auszubauen. Wenn diese Auflage trotzdem erfüllt werden muss, werde die Zukunft verbaut und knappes Geld verbraten.

Um 300 MBit/s bei den Kunden zu erreichen, wäre mit den derzeit verteilten Frequenzen über 200 000 Mobilfunk­standorte in Deutschland erforderlich. Die Forderung des Beirats vom 25. Juni dieses Jahres, bis Ende 2025 dann 98 Prozent der Bevölkerung mit 300 MBit/s zu versorgen, sei also mit den vorhandenen Frequenzen faktisch nicht zu erfüllen, weil einfach viel zu wenig Frequenzen unter einem GHz verfügbar ist.

70 000 Stationen extra aufbauen?

Würde man dafür Kapazitäts­frequenzen (oberhalb 1 GHz) verwenden, die wesentlich weniger Fläche erreichen, müssten nach Berechnungen von Telefónica rund 70 000 zusätzliche Basisstationen aufgebaut werden, was pro Netzbetreiber nochmal über 25 Milliarden Euro extra kosten würde. Inklusive der vom Beirat gewünschten Versorgung der Verkehrsinfrastruktur mit 5G müsste allein Telefónica insgesamt also rund 76 Milliarden Euro investieren und über 200 000 Mobilfunk­standorte in Deutschland betreiben. Nur Telefónica wohlgemerkt. Vodafone und Telekom müssten nochmal die gleiche Menge an Stationen aufbauen und die gleiche Summe ausgeben.

Es gäbe auch eine Alternative: Die 300 MBit/s Übertragungsrate könnten nur erreicht werden, wenn mindestens 120 MHz zusätzliche Flächen­frequenzen (unter 1 GHz) für den Mobilfunk verfügbar wären. Telefónica geht auch auf das Schreiben der CDU/CSU-Abgeordneten an Mitglieder der Bundesregierung und das Präsidium der BNetzA ein: Die Erwartungen seien unrealistisch, da diese ökonomisch und rechtlich nicht erfüllbar seien. Am Ende bringt Telefónica das Thema auf den Punkt: Es bleibt die Frage völlig offen, wie der politisch geforderte Netzausbau finanziert werden soll.

Wie die Zahlungsbedingungen die Kalkulation verhageln und wie eine vorzeitige Frequenzverlängerung das Problem entschärfen könnte, lesen Sie auf der nächsten Seite.

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