Raus aus Funkloch

Funklöcher durch schlechte Handys und langsame Bürokraten?

Viele Nutzer klagen über Funklöcher. Schuld sind fehlende Sender, aber auch schlechte Handyempfänger. Es gibt einiges zu tun.
Vom Telekom Symposium in Berlin berichtet

Bei einem Technik-Symposium der Deutschen Telekom in Berlin ging es um Funkfrequenzen, die kommende 5G-Versteigerung und den aktuell noch löchrigen Netzausbau. Wir haben schon darüber mehrfach berichtet. Offenbar behindern auch - trotz aller guten Absichten - die bundesdeutsche Bürokratie und "Bedenkenträger" einen schnelleren Ausbau.

Wichtige technische Details unklar

Die Deutsche Telekom baut weiter ihr Netz aus, in Städten und auf dem Land Die Deutsche Telekom baut weiter ihr Netz aus, in Städten und auf dem Land
Bild: Deutsche Telekom
Auf den neuen Frequenzen scheint noch strittig zu sein, ob man TDD- oder FDD-Technologie einsetzen kann. Würden beide Technologien parallel verwendet, könnten Interferenzen (Störungen) auftreten. Dazu müssten sogenannte Schutzabstände eingehalten werden, d.h. zwischen jedem Netzbetreiber werden 20 MHz (der Hersteller Huawei schlägt sogar 30 MHz vor) Schutzabstand gebraucht, wo keine eigenen Nutz-Signale ausgestrahlt werden können, wo aber störende Interferenz-Signale auftreten können. (Laienhaft erklärt: In einem Mietshaus wohnen lautstarke Mieter, weswegen immer eine Wohnung zwischen den Parteien leer bleiben muss, damit es keine gegenseitige Ruhestörung gibt.) Die Netzbetreiber müssen diese Schutzbänder mit ersteigern, können sie aber aktiv gar nicht nutzen.

Mehr Bandbreite durch "Zusammenkleben"

Um mehr nutzbare Bandbreite zu erhalten, werden Frequenzbänder "zusammengeklebt", der Fachmann spricht von "Carrier Aggregation". Hier ist die TDD-Technik interessant. Damit lassen sich auch Frequenzen wie 1500 MHz einsetzen, die nur für den Downlink (vom Sender des Netzbetreibers zum Nutzer) vorgesehen sind. Beim Mobilfunk sind die Download-Datenmengen derzeit noch wesentlich höher als im Festnetz, wo es durch die Cloud-Technologie teilweise schon in Richtung Symmetrie (Uploadgeschwindigkeit gleich Downloadgeschwindigkeit geht)

Neues bauen, wo das Alte noch nicht fertig ist?

Viele Beobachter kritisieren, dass bereits lautstark über 5G diskutiert wird, wo doch 4G noch gar nicht fertig ausgebaut ist.

Mit LTE sind derzeit laut Telekom-Deutschland Chef Dirk Wössner etwa 97,5 Prozent der Bevölkerung versorgt. 5G ist als Evolution (Weiterentwicklung) von 4G zu sehen, die Reichweite und die Bandbreite werden durch massive MIMO (verbesserte Antennen, die auf verschiedenen Ebenen zugleich senden), und durch Carrier-Aggregation (Zusammenkleben von Frequenzen) erzielt.

Im Zuge der permanenten Aufrüstung der bereits bestehenden Netztechnik werden viele vorhandene Antennen gegen 4x4-MIMO-Antennen getauscht. Bereits 50 Prozent der umgebauten Standorte sind auf Single-RAN umgestellt worden. Die Telekom will die Anzahl von derzeit bundesweit aufgebauten 27 000 Makrozellen auf 36 000 erhöhen. Dafür sollen neben klassischen Sendern (mit Mast und Antenne) auch sogenannte Small Cells (kaum sichtbare Mini-Sender zur Versorgung von stark belebten Plätzen) sorgen. Insgesamt etwa 80 Prozent aller Sender und 95 Prozent der LTE-Standorte der Telekom sind schon mit Glasfaser angebunden und somit "5G-ready". Sie können also recht einfach und kostengünstig umgerüstet werden.

Auf den Autobahnen verspricht die Telekom einen "100-prozentigen Ausbau", auch die ICE-Strecken sollen bis 2019 komplett fertig sein, insgesamt wurden schon 500 "Lücken" gefunden.

Von Flächendeckung und Flächendeckung

Bei der Flächendeckung sprechen die Netzbetreiber einmal von der Bevölkerung und das andere Mal von der Fläche. Das stiftet bei Beobachtern viel Verwirrung.

Das nächste Ausbauziel der Telekom sind 98 Prozent der Bevölkerung, was in etwa 80 Prozent der Flache entspricht. Als nächste Stufe sollen bis zum Jahr 2020 bundesweit 99 Prozent der Bevölkerung erreicht werden und im Jahr darauf sollen auch in allen Bundesländern (also jedes Bundesland für sich alleine betrachtet) dann 99 Prozent der Bevölkerung versorgt sein. Die im Eckpunkte-Papier geforderten 500 neuen 5G-Stationen bis 2022 sind nur ein Aspekt, denn die Politik verlangt ja bis dahin auch eine flächendeckende Versorgung mit 100 MBit/s, was schon eine Herausforderung sei.

National Roaming stoppt Netzausbau, Funklöcher an den Grenzen

Kürzlich hatte der Verband der Automobil-Industrie (VDA) sich lautstark darüber beschwert, dass im Grenzbereich zwischen Deutschland und Frankreich zwischen Kehl und Strasbourg auf 12-15 km Streckenlänge ein einziges Funkloch sei. "Ja", sagt man bei der Telekom, "das stimmt." Eine Ursache sei die komplizierte Frequenz-Abstimmung mit den Nachbarländern. In den Grenzzonen zu unseren Nachbarstaaten strahlen ausländische Anbieter oft stärker ein, als deutsche Netze verfügbar sind. Während in Deutschland Grenzwerte penibel genau beachtet würden, sähen die Nachbarländer das viel lockerer und sendeten munter drauflos.

Funklöcher durch schlechte Handys?

Funklöcher können durch fehlende Sendemasten, aber auch schlechte Empfangsqualität oder falsche Handytechnik entstehen. Funklöcher können durch fehlende Sendemasten, aber auch schlechte Empfangsqualität oder falsche Handytechnik entstehen.
Bild: teltarif.de
Immer wieder wird über Funklöcher und schlechte Verbindungen geklagt. Schon länger berichten Brancheninsider über die teilweise "katastrophale Empfangsqualität" aktueller und angesagter Smartphones. Bei der Telekom spricht man das Thema erstmalig offen an: "Neue Handys und Smartphones sind heute wesentlich schlechter, was Sprachtelefonie betrifft, die Call-Drop-Rate (das Verhältnis von erfolgreichen Verbindungen zu den durch das Netz oder das Handy abgebrochenen Anrufen) ist spürbar höher."

Als Ursache wird die immer komplexere Technik ausgemacht, die in die aktuellen Smartphones integriert werden müsse. Dabei machten die Hersteller Kompromisse und vernachlässigten den Sprachteil. Konkrete Herstellernamen oder Modellreihen wollte man nicht nennen, aber im Vergleich zu einem "klassischen Nokia-GSM-Telefon mit Außenantenne" seien die Unterschiede deutlich spürbar, so Technik-Chef Walter Goldenits in Berlin.

Ein weiterer Grund für abbrechende Verbindungen kann sein, dass die Kunden ältere Handys nutzen, die nicht (mehr) alle angebotenen Netztechnologien beherrschen (GSM only oder GSM/UMTS only), oder der gebuchte Mobilfunkvertrag erlaubt beispielsweise keinen Zugriff auf LTE.

Problemfall Eisenbahn

Angesprochen wurde der streckenweise ungenügende Netzausbau in den Zügen der deutschen Bahn oder ihrer privaten Mitbewerber. Beim Versuch, die Situation zu verbessern, träten teilweise Interferenzen mit dem Bahnfunknetz nach GSM-R-Standard (bei 800 MHz) auf. GSM-R ist für die Bahn aber existentiell wichtig, da darüber auch Züge gesteuert werden. Deswegen sei die Bahn hier sehr vorsichtig unterwegs. Da die wichtigen Zugstrecken stark befahren sind, bleibe wenig Zeit zum Aufbau der notwendigen Sendeanlagen. Da müsse noch einiges getan werden.

Wäre National Roaming die Lösung?

Wer kennt nicht die Situation, wenn das Handy "kein Netz" oder "Nur Notrufe" anzeigt. Gerade "Nur Notrufe" zeigt ja, dass ja ein anderes Netz empfangbar wäre, aber dafür hat man vielleicht keine passende Karte oder Vertrag zur Hand, sprich Telekom-Kunden dürfen nicht zu Vodafone oder o2 rein und umgekehrt. Da wäre doch "National Roaming", wie in den USA oder Kanada eine optimale Lösung. Oder nicht?

Unter "National Roaming" verstünden gerade die neuen Anbieter nicht die Nutzung von 5G, sondern ein denkbarer neuer Betreiber wolle das bereits bestehende 4G-Netz mitnutzen. "Wenn es dafür eine kommerzielle Einigung gibt, ist das ok und die Bundesnetzagentur soll auch der Schiedsrichter sein", findet Dirk Wössner von der Telekom.

Beispiel Kanada: National Roaming stoppt den Netzausbau

National Roaming kann den Netzausbau in der Fläche zum Erliegen bringen. Wössner, der vorher beim kanadischen Netzanbieter Rogers in leitender Position gearbeitet hatte, berichtete, dass in Kanada etwa 7000 Senderstandorte für die landesweite Netzversorgung reichten, das hänge dort mit der Besiedlung und den vergebenen Frequenzen zusammen. Kanada ist "viel urbanisierter". In Deutschland stehen wesentlich mehr Stationen (alleine bei der Telekom ca. 29 000) und dennoch gibt es immer noch gewaltigen Nachholbedarf.

In Kanada sei genau das passiert, was in Deutschland nicht passieren dürfe: Im Jahre 2015 wurde "national Roaming" eingeführt, um einen vierten Betreiber in den Markt zu bringen. In Folge hörten die vorhandenen führenden Netzbetreiber (Bell und Telus) mit dem Ausbau in der Fläche auf, weil "das lohnt doch nicht mehr, denn es gibt ja National Roaming". In Folge hat der damals neue Betreiber "Wind" (heute "Freedom Mobile") nur noch die lukrativen Städte ausgebaut und sich komplett auf die anderen "verlassen". Auch nach mehreren Jahren werde von Wind außerhalb von Ballungsgebieten nichts zusätzliches ausgebaut. Der Wettbewerb zwischen Anbieter drei (Rogers) und vier (Wind / Freedom Mobile) ging deutlich zurück.

Besseres Netz bei einem bestimmten Anbieter war auf einmal kein Argument mehr für die Kunden, da sie ja automatisch über das "National Roaming" zu Nutznießern des Netzausbaus der anderen Anbieter wurden. Die "unwirtschaftlichen ländlichen Gebiete" mussten darunter leiden. In Deutschland befürchtet Wössner genau den gleichen Effekt.

Denkbare Lösung Network-Sharing

Wössner ist zu Network-Sharing bereit: "Du baust 100 Sites (=Stationen) hier, ich baue 100 Sites da". Aber: Ein regulierten Preis wäre nur ein Durchschnittspreis aus der dicht besiedelten Stadt. Nur auf dem Land ist der Ausbau viel teurer, das kann sich mit regulierten Preisen gar nicht rechnen.

Durch Fusionen können Preise sinken

Es klingt verblüffend, aber Fusionen können durchaus Vorteile für die Kunden bringen. Durch Zusammenlegung von Anbietern und deren bisherigen getrennten Netzen sinken die Kosten, wie am Beispiel von Orange und Drei in Österreich oder E-Plus und o2 in Deutschland zu sehen ist. Unterstellt, ein gutes GSM-GPRS Netz kostet 100 Prozent, dann sinken alleine durch den Einsatz von EDGE die Kosten auf 50 Prozent. Mit UTMS (3G), HSDPA und HSPA+ (3,5G) und schließlich LTE sind es nur noch wenige Prozent der ursprünglichen Investitionen für ein Netz. In Österreich wurden die Datenpreise der letzten Jahre von der staatlichen Regulierungsbehörde RTR und dem Weltverband GSMA untersucht. 2010 lag der Preis pro MB noch bei 10 Cent und sank 2012 zum Zeitpunkt der Fusionsankündigung Orange.At/Drei.at auf etwa 5 Cent. Er sank seitdem weiter, Ende 2012 (die EU hatte die Fusion genehmigt) waren es schon 3 Cent und aktuell (2017) liegt das MB in Österreich bei 2 Cent.

Deutschland als Leitmarkt für 5G?

Über solche Sendetürme wie in Kyritz (Brandenburg) wird die Fläche erschlossen. Über solche Sendetürme wie in Kyritz (Brandenburg) wird die Fläche erschlossen.
Foto: Deutsche Telekom
Die Politik wünscht sich Deutschland als Leitmarkt für 5G. Dafür sei eine verlässliche und lückenlose Mobilfunkversorgung, besonders im ländlichen Raum ein absolutes Muss.

Doch die wirtschaftliche Realität sehe anderes aus, rechnet Wössner vor: Stetiger Preis- und Umsatzverfall, trotz rasant wachsendem Datenverkehr. Deutschland sei der größte Markt für Mobilfunkdiscounter in Europa und Schlusslicht bei den Mobilfunkerlösen (ARPU) pro Kunde.

Dem Argument, dass "Deutschland superteuer" sei, stehe ein monatlicher Umsatz pro Kunde (ARPU) von 12,90 Euro gegenüber. In Großbritannien seien es 18 Euro, in Frankreich 19 Euro und den USA sogar 35 Euro. Wirklich günstiger sei es beispielsweise in Portugal oder in Griechenland.

Explodierende Datenmengen

Schaut man sich die übertragene Datenmenge im Jahre 2005 an, so waren das 0,2 Millionen Gigabyte, die auf 1350 Millionen Gigabyte im Jahre 2017 anstiegen. Und die Mengen steigen weiter, etwa 45 Prozent pro Jahr.

Gleichzeitig gingen die Preise im Mobilfunk von 2010 bis 2017 um 16 Prozent nach unten. Allgemein stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland seit 2010 um 9 Prozent, Bahnfahrkarten wurden 24 Prozent teurer und die Stromkosten kletterten um 28 Prozent nach oben. Die Mobilfunkumsätze lagen 2007 bei 25,8 Milliarden Euro, 2012 und 2027 bei 26,5 Milliarden, aber um die Inflation bereinigt, sanken sie auf 24,4 und 23,3 Milliarden Euro, also am Ende um rund 10 Prozent.

Citibank sieht schwarz

Der Kapitalmarkt denkt, dass Europa auf 5G "schlecht vorbereitet" sei. Das Forschungsinstitut der renommierten Citibank hatte herausgefunden, dass Spektrum in Deutschland teurer als in Asien sei und habe - anders als in den USA - eine begrenzte Laufzeit, muss also andauernd frisch gekauft werden. Die hiesige Regulierung sei "weitreichend" und begrenze die "Monetarisierung" (die Möglichkeit Geld zu verdienen), die Pro-Kopf-Erlöse lägen um weniger als die Hälfte im Vergleich zu USA, Japan oder Südkorea.

Wössner machte deutlich, dass bei 5G gewaltige Investitionssummen auf dem Spiele stünden. "Die Bereitschaft ist da, wenn die Rahmenbedingungen dafür klar sind."

Bürokratie verhindert den Ausbau

In Kleßen-Görne (Brandenburg), so Technik-Chef Walter Goldenits, habe die Deutsche Telekom gezeigt, wie schnell man eine Station aufbauen könne, wenn alle an einem Strang ziehen. Vom Entschluss, etwas zu bauen, bis zur Einschaltung habe es nur 14 Tage gedauert. Zur Einweihung war auch Infrastrukturminister Scheuer mit einem Bus voll Journalisten nach Kleßen-Görne gekommen. Eine "normale" Sendestation habe heute von der Planung bis zur Einschaltung eine "Durchlaufzeit" von 18 Monaten, das sei eigentlich viel zu lang. Es geht auch anders: Für Sicherheitskräfte könne ein (provisorisches) Netz im Ernstfall in 5 Stunden aufgebaut werden.

Schon länger klagen Insider gegenüber teltarif.de, dass die weitverzweigte deutsche Bürokratie ein wesentliches Hindernis sei, bis eine Station laufen könne. Neben der Bundesnetzagentur müssten noch zig andere Gremien und Behörden darüber entscheiden. In Deutschland rechnet der Netzbetreiber die Grenzwerte aus und gibt die Ergebnisse an die Bundesnetzagentur. Die rechnen nochmal nach und dann müssen die Ergebnisse erst koordiniert werden. In Frankreich beispielsweise rechne der Netzbetreiber (wie z.B. Orange) den Grenzwert aus, baut auf und schaltet sofort ein.

Und trotz aller Diskussion über "Funklöcher" und "weiße Flecken" stünden sofort Bürgerinitiativen auf der Matte, die sich vehement gegen die Sendemasten vor Ort aussprächen, aber gleichzeitig eine bessere Versorgung forderten.

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