Editorial: Fehlstart für Galileo
Der Headline mangelt es nicht an Selbstironie: Galileo-Navigationssatelliten verfliegen sich. Gut, am Ende hat wahrscheinlich die Navigation der russischen Trägerrakete und nicht die der Satelliten versagt. Aber unabhängig von der Schuldfrage wirft der Fehlstart erneut ein Schlaglicht auf das von Pannen, Verzögerungen und Kostensteigerungen geplagte Galileo-Projekt.
Galileo-Launch
Bild: dpa
Fest steht: Navigationssysteme sind seit alters her integraler
Bestandteil der öffentlichen Infrastruktur. Im Altertum waren das
vor allem Wegmarkierungen und Wegweiser, des Nachts auch vereinzelte
Leuchtfeuer. Mit der Erfindung der Glühbirne wurden Leuchttürme an der
Küste zur Standardausstattung. Heute sind die meisten Leuchttürme schon
wieder außer Dienst gestellt, denn Funknavigationssysteme wie LORAN
(landgestützt) oder GPS und Glonass (satellitengestützt) bieten vielfach höhere
Genauigkeit und Verlässlichkeit, gerade auch bei schlechtem Wetter.
Nun ist es verständlich, dass die EU bei einem so wichtigen Infrastrukturprojekt wie der Satellitennavigation nicht von zwei Systemen abhängen will, die vom US-Militär (GPS) bzw. dem russischen Militär (Glonass) betrieben werden. Beide Anbieter behalten sich ausdrücklich vor, das Signal zu verschlüsseln, wenn es den eigenen Interessen dient.
Sollte zum Beispiel in einigen Jahren die Meldung die Runde machen, dass die Hamas Israel mit GPS-gesteuerten Raketen beschießt, dann wäre es nicht unwahrscheinlich, dass die USA bei sämtlichen GPS-Satelliten, die von Israel aus sichtbar sind, jeweils die Verschlüsselung aktiviert, um die Hamas-Raketen irrezuleiten. Damit wäre aber auch hierzulande die GPS-Genauigkeit reduziert, denn ein Teil der GPS-Satelliten, die von Israel aus sichtbar sind, steht auch hier jeweils über dem Horizont.
Unabhängigkeit um welchen Preis?
Will die EU ein in der EU verlässliches Navigationssystem, dann kommt sie nicht umhin, eigene Satelliten in den Orbit zu schießen. Galileo soll dieses Ziel erreichen, doch ganz offensichtlich ist dieses Projekt vom Weg abgekommen. Der Nachrichtensender n-tv spekuliert inzwischen über Gesamtkosten von über 10 Milliarden Euro. Das wären über 330 Millionen Euro für jeden der benötigten 30 Satelliten.
Zum Vergleich: Die Wissenschaftsmission "Mars Express" der ESA hat auch 300 Millionen Euro gekostet, der Nachfolger "Venus Express" 220 Millionen Euro. Da es sich hier um Einzelsatelliten handelt, die zudem für die Mission zu dem jeweiligen anderen Planeten speziell angepasst werden mussten, und die vielfältige wissenschaftliche Experimente mit sich tragen, sind die 30 Galileo-Satelliten im Vergleich überteuert.
Verständlich wäre, wenn die ersten Vorserien-Satelliten von Galileo inklusive Einzelstart jeweils 300 Millionen Euro kosteten, da für diese auch jeweils für die europäische Satellitenindustrie neue Technologien erprobt werden, insbesondere die an Bord befindlichen hochgenauen Uhren. Die eigentliche Serienfertigung müsste aber deutlich günstiger vonstatten gehen. Auch die Möglichkeit, jeweils zwei Satelliten auf einer Sojus-Rakete oder (künftig geplant) vier Satelliten auf einer Ariane 5 ES gleichzeitig zu starten, sollte die Kosten pro Galileo-Satellit drücken.
Galileo gehört, wie die Elbphilharmonie in Hamburg, der Tiefbahnhof Stuttgart 21, der Großflughafen in Berlin oder das Mautsystem Toll Collect, zu der langen Liste von großen Infrastrukturprojekten, die aus dem Ruder gelaufen sind. Da jeweils schon mit dem Bau und der Installation begonnen wurde, möchte die Politik nicht komplett die Altverträge kündigen und neu ausschreiben. So wird ein kostentreibender Nachschlag nach dem nächsten bewilligt.
Auch in der Vergangenheit gab es bereits einige Fehlstarts von Navigationssatelliten auf russischen Raketen. Mehr dazu sowie zu den möglichen Fehlern, die zum aktuellen Rückschlag geführt haben, lesen Sie auf der nächsten Seite.