Gastbeitrag

Frequenzauktion 2019: Rascher Lückenschluss im Mobilfunk?

Im September veröffentlichte die BNetzA ihren Entwurf für die Regeln zur Versteigerung von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz. Der Gastbeitrag von Torsten J. Gerpott analysiert den Vorschlag sowie die Kritik an ihm.
Gastbeitrag von Torsten J. Gerpott

Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott
Bild: Torsten J. Gerpott/Universität Duisburg-Essen
Bereits die letzte Bundesregierung verkündete im Juli 2017, dass sie Deutschland zum „Leitmarkt“ für Mobilfunknetze der fünften Generation (= 5G) entwickeln wolle. Die Bundesnetzagentur hat nun die (undankbare) Aufgabe, diese politische Vision in der für Anfang 2019 geplanten Versteigerung von Funkfrequenzen so zu unterstützen, dass „ein schneller, flexibler und bedarfsgerechter 5G-Rollout“ in Deutschland ermöglicht wird. Zur Vergabe per Auktion stehen insgesamt 60 MHz im 2-GHz-Band, von denen zwei Drittel ab 2021 und ein Drittel ab 2026 neu zugeteilt werden, sowie 300 MHz im 3,6-GHz-Band an, die ab 2021 oder 2022 verfügbar sein sollen. Außerdem ist geplant, im Bereich 3,7 bis 3,8 GHz Frequenzen im Umfang von 20 MHz (80 MHz) über Einzelzuteilungen für „lokal grundstückbezogene“ („regionale“) Nutzungen außerhalb von Gebäuden über Einzelzuteilungen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, die nicht bereits deutschlandweit Mobilfunknetze betreiben.

Eckpunkte der vorgeschlagenen Regeln

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Bild: Torsten J. Gerpott/Universität Duisburg-Essen
Am 17.09.2018 stellte die Behörde für das per Auktion zu vergebende Spektrum ihren Vorschlag zu den entsprechenden Vergabe- und Auktionsregeln vor. Als Versorgungsauflagen für die mit einer Laufzeit bis Ende 2040 versehenen Zuteilungen sieht die Bundesnetzagentur vor:

  1. 98 Prozent der Haushalte in jedem Bundesland mit mindestens 100 MBit/s im Downlink für etablierte Netzbetreiber bis Ende 2022 (50 Prozent für Neueinsteiger).
  2. Vollständige Abdeckung „fahrgaststarker Bahnstrecken“ mit 50 MBit/s im Antennensektor bis Ende 2022, sofern die Deutsche Bahn eine „geeignete unterstützende Infrastruktur“ zur Verfügung stellt.
  3. Vollständige Abdeckung von Bundesautobahnen/-straßen durch den Zuteilungsinhaber eines gepaarten 10-MHz-Blocks im Bereich 2 GHz mit 100 MBit/s im Antennensektor bis Ende 2022.
  4. Inbetriebnahme von 500 Basisstationen (2 GHz) mit mindestens 100 MBit/s in zuvor definierten „weißen Flecken“ bis Ende 2022.
  5. Inbetriebnahme von 500 Basisstationen (3,6 GHz) für 5G-Anwendungen bis Ende 2022.

Im Vergleich zur letzten Frequenzauktion im Juni 2015 sind die Versorgungsauflagen der Bundesnetzagentur als etwas strenger einzustufen. Damals war den Netzbetreibern vorgeschrieben worden, bis Ende 2020 in jedem Bundesland 97 Prozent der Haushalte mit mindestens 50 MBit/s im Downlink abzudecken. Zudem will man „harte“ Verpflichtungen zur Mitbenutzung bestehender bundesweiter Mobilfunknetze vor allem durch Neueinsteiger (sogenanntes Inlands-Roaming) sowie zur Weitervermietung von Funkkapazitäten an netzbetreiberunabhängige Wettbewerber (Diensteanbieterauflagen) mit den Frequenzzuteilungen nicht verbinden. Die Summe der vorgesehenen Mindestgebote für die insgesamt 31 angebotenen Frequenzblöcke liegt bei 1,101 Mrd. Euro.

Kritik an der Regeln

Die Gestaltung der Frequenzvergaberegeln wird gleichermaßen von Mobilfunkunternehmen, Politikern und Verbraucherschützern kritisiert. Die etablierten Spieler Telekom Deutschland, Telefónica Germany und Vodafone bemängeln, dass (1) die Versorgungsauflagen zu rigide seien, (2) die Vorgaben zum Inlands-Roaming und zur Zusammenarbeit mit netzbetreiberunabhängigen Diensteanbietern aufgrund ihrer Vieldeutigkeit Rechtsunsicherheit schaffen würden, sowie (3) die Reservierung von 100 MHz Spektrum für lokal grundstücksbezogene und regionale Outdoor-Nutzungen den bundesweiten Betreibern wichtige 5G-Kapazitäten entziehen würde und zudem aufgrund von Unklarheiten (z.B. Definition „regionaler Nutzungen“; Verknüpfung der Zuteilung mit 5G-Rollout-Auflagen) zur Verunsicherung der Anbieter beitragen würde.

Politiker und Verbraucherschützer stören sich vor allem daran, dass die Versorgungsauflagen nicht rasch schnelles Internet flächendeckend auch auf dem Land garantieren würden. Außerdem kritisieren sie, dass die Regeln dem Anliegen einer Intensivierung des Wettbewerbs im Mobilfunk durch Förderung des Markteintritts eines Neueinsteigers (United Internet) sowie durch Verpflichtungen zur Abgabe von Kapazitäten an netzbetreiberunabhängige Diensteanbieter nicht gerecht werden würden.

Inlands-Roaming als Patentrezept

Etliche Politiker vermitteln den Eindruck, dass mit einer Verpflichtung zum Inlands-Roaming bei der Auktion 2019 ein simpler Ansatz für eine lückenlose Versorgung mit leistungsstarken Netzen zur Verfügung stehen würde, der von der Bundesnetzagentur – unverständlicherweise – nicht aufgegriffen worden sei. So verkündeten etwa die Bündnis 90/DIE GRÜNEN Vertreter Robert Habeck und Oliver Krischer am 09.10.2018 in einem Gastkommentar im Handelsblatt: „Inlands-Roaming ist das Zauberwort, und zwar als Pflicht. … Es gibt in einem Gebiet dann nur noch eine Funkanlage, die von allen Wettbewerbern genutzt wird. Der Aufbau der Sendeanlagen erfolgt entweder durch ein Gemeinschaftsunternehmen der Konkurrenten oder es gibt eine geographische Aufteilung nach Netzbetreibern.“

Leider ignorieren die beiden Politiker (und ebenso Vertreter der Bundesregierung wie Andreas Scheuer, Peter Altmaier und Helge Braun) mit ihrem „Patentrezept“ unumstößliche Fakten: Die jetzt zur Versteigerung anstehenden Kapazitätsfrequenzen sind zur ökonomisch effizienten Abdeckung ländlicher Regionen viel weniger geeignet als Flächenfrequenzen unterhalb von 1 GHz. Inlands-Roaming-Auflagen würden also bei der Auktion 2019 lediglich dazu führen, dass unangemessen viel in den Ausbau von 4G/LTE- oder 5G-Netzen auf dem Land investiert wird. Die „Digitalexperten“ unter den Politikern haben es schlicht verschlafen, bei der letzten Versteigerung von Flächenfrequenzen in den Bereichen 700 MHz und 900 MHz im Jahr 2015 politisch für sinnvoll gehaltene anspruchsvollere Versorgungsziele in die Auktionsregeln einfließen zu lassen.

Wenn Politiker jetzt auf Biegen und Brechen ihre frühere Untätigkeit kaschieren wollen, ohne Investitionen der etablierten Anbieter abzuwürgen, dann sollten sie dafür nicht die Auktion 2019 missbrauchen, denn auch Inlands-Roaming-Verpflichtungen stellen nicht sicher, dass ein lückenloser 4G-/5G-Netzaufbau betriebswirtschaftlich vertretbar wird. Sinnvoller ist stattdessen, dass Bund und Länder rasch Förderprogramme auflegen, mit denen Wirtschaftlichkeitslücken beim Aufbau von 4G- und 5G-Basisstationen in dünn besiedelten Regionen gezielt geschlossen werden. Solche Programme machen eine Verschärfung der Versorgungsauflagen und eine Androhung höherer Bußgelder im Rahmen der aktuellen Versteigerung von Kapazitätsfrequenzen überflüssig. Sie haben nicht zuletzt den Charme, im deutschen Mobilfunksektor die Rückkehr zu planwirtschaftlichen Monopolnetzen alter Zeiten zu vermeiden und die seit fast 30 Jahren klar erkennbaren Stärken einer (eingehegten) wettbewerblichen Marktordnung nicht zu unterminieren.

Trotz Detailkritik ein positives Gesamtfazit

Insgesamt ist der Bundesnetzagentur zu bescheinigen, dass sie einen guten Mittelweg zwischen den Extrempositionen der etablierten Anbieter auf der einen Seite und der Netzpolitiker auf der anderen Seite beschritten hat. Vor allem ist zu begrüßen, dass sie sich bei Vorgaben zum 5G-Rollout zurückgehalten hat, weil vor 2021 kaum marktreife 5G-Netzelemente und -Endgeräte in großer Stückzahl verfügbar sein werden und Vorschriften zum 5G-Einsatz für eine wirtschaftlich effiziente Verbesserung der Versorgungslage beim schnellen mobilen Internetzugang nicht jetzt, sondern erst bei der wohl 2023 anstehenden Versteigerung von 800-MHz-Flächenfrequenzen geboten sind. Zwar gibt es Ansatzpunkte für Detailkritik. So wird nicht überzeugend dargelegt, warum die Behörde bei Diensteanbieterverpflichtungen keine wettbewerbsfreundlichere Position eingenommen hat. Ähnlich ist nicht ersichtlich, warum sie darauf besteht, dass der Preis für ab 2021 nutzbare Frequenzen schon spätestens 65 Bankarbeitstage nach Zuschlag zu entrichten ist, und warum sie für die Fälligkeit von Zahlungen für ab 2026 nutzbare 2-GHz-Blöcke nicht klar einen Termin im Jahr 2025 vorgibt. Dennoch besteht bei Zugrundelegung der jetzt von der Bundesnetzagentur erarbeiteten Regeln kein Anlass, die Auktion nicht – wie geplant – im Frühjahr 2019 abzuwickeln.

Zur Person

Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott leitet den Lehrstuhl für Unternehmens- und Technologieplanung an der Mercator School of Management Duisburg der Universität Duisburg-Essen.

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