Hintergrund

Bis hin zum Totalausfall: G.fast und Super-Vectoring vertragen sich nicht

G.fast soll in Deutschland schon bald mehr als 800 MBit/s bringen, setzt aber FTTB voraus. Die Telekom will Super Vectoring mit 300 MBit/s anbieten. Das Problem: Treffen die beiden aufeinander, geht unter Umständen nichts mehr.
Von Thorsten Neuhetzki

Glasfasern kommen sowohl bei Super Vectoring als auch FTTB zum Einsatz Glasfasern kommen sowohl bei Super Vectoring als auch FTTB zum Einsatz
Foto: M-net
In München wird in einigen Wochen erstmals in Deutschland G.fast zum Einsatz kommen. M-Net will seine Anschlüsse, bei denen die Glasfaserleitung bis in den Keller der Gebäude geht, mit G.fast schneller machen. Parallel dazu hat die Deutsche Telekom für das kommende Jahr Super Vectoring angekündigt. Hier wird vom Kabelverzweiger aus eine spezielle VDSL-Vectoring-Form angewendet und so die Leitung beschleunigt. Das Problem: Kommen G.fast und Super Vectoring im gleichen Ausbaugebiet zum Einsatz, kann es zu Störungen bis hin zum Totalausfall der Leitungen kommen.

Diese Erkenntnis basiert auf einer Studie, die Kristof Obermann, Professor für Informations- und Kommunikationstechnik und Leiter der DSL-Projektgruppe an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) im April auf der Glasfasermesse des Breko in Frankfurt vorstellte. Glasfasern kommen sowohl bei Super Vectoring als auch FTTB zum Einsatz Glasfasern kommen sowohl bei Super Vectoring als auch FTTB zum Einsatz
Foto: M-net

G.fast und Super Vectoring in der Praxis

Super Vectoring wird von der Telekom im kommenden Jahr als Erweiterung für das bestehende VDSL Vectoring eingesetzt. Die beiden Technologien können nebeneinander ohne Probleme existieren. Die Datenraten sollen damit auch ohne einen Glasfaserausbau bis in die Häuser erhöht werden. Wie bei VDSL Vectoring (Fachbegriff VDSL2 Profil 17a) wird Super Vectoring (Profil 35b) vom Multifunktionsgehäuse aus realisiert. Vom grauen Kasten auf dem Bürgersteig bis zum Kunden wird also die "gute alte Kupferleitung" genutzt.

Diese Kupferleitung kommt auch beim Glasfaserausbau bis in den Keller (FTTB) noch zum Einsatz, allerdings nur noch in der "Steigleitung" vom Keller bis zur Wohnung. Dieser Übergang erfolgt stets am "Abschlusspunk Linientechnik", kurz APL. Denn viele Eigentümer wollen nicht, dass innerhalb von Bestandsgebäuden Glasfaserleitungen verlegt werden, da dieses oftmals mit Arbeiten im Treppenhaus verbunden ist. So kommen bei FTTB auf den letzten Metern andere Kupfertechnologien zum Einsatz, zu denen jetzt auch G.fast gehört.

Setzt nun ein FTTB-Anbieter G.fast ein, nutzt er denselben Kupfer-Kabelbaum wie die Deutsche Telekom mit VDSL, VDSL Vectoring oder Super Vectoring. Dabei geht es ausdrücklich nur um die letzten Meter, da sich der FTTB-Anbieter erst im Keller des Gebäudes auf die Kupferleitung aufschaltet. Bislang geschieht das beispielsweise mit VDSL Profil 30a. Hier ist aber in der Regel bei 300 MBit/s Schluss.

VDSL und FTTB treffen im APL aufeinander (schematische Darstellung)

VDSL und FTTB treffen aufeinander VDSL und FTTB treffen aufeinander
Grafik: teltarif.de

Das Problem sind die Frequenzen

Wie so oft bei Übertragungen ist das Problem am Ende bei den Frequenzen zu suchen. Denn auch bei DSL-Übertragungen werden Frequenzbereiche genutzt, um die Daten zu den Kunden zu übertragen. Diese sind in den Standards definiert.

Super-Vectoring nutzt ein wesentlich breiteres Frequenzspektrum als das normale Vectoring. Das herkömmliche Profil 17a nutzt als höchste Frequenz 17,664 MHz, beim Profil 35b liegt diese bei 35,328 MHz. Als niedrigeste Frequenz kommen Bereiche von unter 1 MHz zum Einsatz.

G.fast macht sich auf dem Telefonkabel vergleichsweise breit und nutzt idealerweise den Bereich von 2,2 bis 106 MHz, ein nicht unwesentlicher Frequenzbereich wird also von beiden genutzt. Genau hier liegt das Problem.

Die G.fast-Frequenz ist das Entscheidende

In den Messungen der THM kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass eine weitgehend friedliche Ko-Existenz der beiden Systeme möglich wäre, wenn der G.fast-Betreiber etwas zurücksteckt. Benutzt er nämlich den vollen Frequenzbereich für G.fast, so bricht das Super-Vectoring-Signal in sich zusammen. Dazu müsste G.fast allerdings auch das Spektrum bis 35 MHz verzichten, was zu Lasten der Perfomance der G.fast-Leitungen ginge. Dabei kann es um mehrere hundert Megabit pro Sekunde gehen.

Wird als Startfrequenz wahlweise 2,2 oder 17,7 MHz eingestellt, so haben die Messsysteme der THM in vielen Fällen nicht synchronisiert. Je größer jedoch der verwendete Frequenzbereich bei G.fast ist, desto massiver sind die gegenseitigen Störungen. Je länger jedoch die Leitung des Super-Vectoring-Kunden vom Anschluss bis zum Kabelverzweiger ist, desto geringer werden die Störungen auf der Super-Vectoring-Leitung. Das allerdings kommt erst bei Längen von 500 Metern und mehr zum Tragen, wo wiederum die mögliche Datenrate von Super Vectoring kaum noch zum Tragen kommt.

Fazit: Friedliche Ko-Existenz nur zu Lasten der G.fast-Datenrate

Super-Vectoring und G.fast können nebeneinander von unterschiedlichen Anbietern ohne Störung betrieben werden - allerdings darf das G.fast-Spektrum erst bei 35 MHz beginnen. Damit fehlen dem Anbieter einige hundert Megabit pro Sekunde Datenrate. Hinter vorgehaltener Hand ist aus der Branche aber auch zu hören, dass man die Leistung am APL hochschrauben könnte und so "der Stärkere" im Kampf zwischen Super Vectoring und G.fast sein könnte.

Würde die Telekom auf den Einsatz von Super Vectoring in Gebieten mit G.fast verzichten, so könnte der Glasfaseranbieter G.fast voll ausschöpfen und die Telekom könnte die Leitung als Vorleistung einkaufen und sogar noch mehr Bandbreite bieten, als es mit Super Vectoring möglich wäre.

Übrigens: In einem Hintergrund sehen Sie, wie der Glasfaserausbau in München genau funktioniert.

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