Einschätzung

Anwalt: GTCom-Nutzer haben weiterhin Anspruch auf E-Plus-Netz

Der SIM-Kartentausch mit Netzwechsel ist rechtlich umstritten. Nach vielen Anfragen von Betroffenen haben wir einen Anwalt zum Thema befragt: Er hält den unangekündigten Netzwechsel nicht für rechtmäßig und ermuntert Kunden, bei Ausfällen Schadensersatz zu fordern.
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Das sagt ein Rechtsanwalt zu SIM- und Netzwechsel bei GTCom Das sagt ein Rechtsanwalt zu SIM- und Netzwechsel bei GTCom
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Die Umstellungsmaßnahmen bei GTCom, die für die Kunden mit einem SIM-Kartentausch und einem Netzwechsel verbunden waren, dürften mittlerweile überwiegend abgeschlossen sein. Über die dabei aufgetreten Probleme hatte teltarif.de ausführlich berichtet und auch das neue Kundencenter getestet.

Während der Umstellungsphase berichteten teltarif.de-Leser im Forum und per E-Mail über ihre Erlebnisse und stellten auch vermehrt Fragen zur Rechtmäßigkeit der ganzen Aktion. Ist es rechtlich okay, dass ungefragter SIM-Karten-Tausch, Netzwechsel, Rufnummernportierung und Tarifänderung ohne Absprache mit dem Kunden durchgeführt werden? Müsste dem Kunden in dem Fall ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt werden? Ist es in Ordnung, dem Kunden gegenüber einen Netzwechsel zu verschleiern und diesen als "Tarifwechsel" zu verkaufen? Stehen den Kunden, die aufgrund der Rufnummernportierung stunden- oder tagelang telefonisch nicht erreichbar waren, irgendwelche Ansprüche zu? Wie können Kunden ihre Rechte geltend machen, wenn stundenlang kein Online-Kundenkonto zur Verfügung steht und Optionsbuchungen ggf. nicht richtig durchgeführt wurden?

Wir haben den Rechtsexperten Matthias Böse von der Kanzlei Dr. Rudel, Schäfer & Partner dazu befragt.

Nichterreichbarkeit des Kunden: GTCom müsste Schäden ersetzen

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Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Zu der Tatsache, dass während der Umstellung mit einer Portierung der Rufnummer von der alten auf die neue GTCom-Plattform viele Kunden mehrere Stunden oder Tage nicht erreichbar waren, schreibt der Anwalt:

Dass es durch (absehbare) Simkartentauschs zu Ausfällen kommt, ist [...] meines Erachtens nicht hinzunehmen und ein entstehender Schaden (z.B. keine Erreichbarkeit trotz geschalteter Zeitungsanzeige, Kosten durch Beschaffung einer Ersatz-Prepaid, Nachsenden von Karten ins Ausland bei längerer Abwesenheit) wären sicher durch den Vertragspartner zu ersetzen.

Ein Problem war auch, dass die Kunden zwar wussten, dass tarifliche Änderungen auf sie zukommen, die zum Teil auch mit Preissenkungen verbunden sind. GALERIAmobil hat den innerdeutschen Preis pro SMS beispielsweise von 10 Cent auf 5 Cent gesenkt. Trotzdem ist es ratsam, die komplette Preisliste aus dem neuen GTCom-Kundencenter herunterzuladen und die neuen mit den alten Preisen zu vergleichen, ob nicht doch in einigen Details Verschlechterungen vorgenommen wurden. Anwalt Böse schreibt dazu:

Tarifänderungen zu Lasten des Kunden bedürfen seiner Zustimmung. Viele Preisänderungsklauseln in AGB sind rechtlich zweifelhaft.

Probleme hatten Kunden, die an den Umstellungstagen neue Optionen buchen oder gar ihren Prepaid-Vertrag kündigen wollten. Das alte Kundencenter stand kurz vor der Abschaltung und das neue war für viele Kunden noch nicht zugänglich, weil das neue Passwort noch fehlte oder noch nicht funktionierte. Trotzdem haben Kunden teilweise noch im alten Kundencenter Optionen gebucht, wobei es hinterher unklar war, ob diese Buchung überhaupt angekommen ist. Die Einschätzung des Anwalts hierzu:

Kunden sollten ihren Vertragspartner schriftlich zur Einrichtung von Optionen auffordern. Sollte keine Reaktion [erfolgen], wäre es denkbar, dass der darauf entstehende Schaden (angefallene Kosten statt Flatratepaket) von diesem zu ersetzen sind. Rechtsprechung gibt es hierzu jedoch nicht.

Netzwechsel und Vertrags-Übergabe an Drillisch rechtmäßig oder nicht?

Viele Kunden sind sich unsicher, ob die Übergabe des Vertragsverhältnisses an Drillisch und die Migration ins o2-Netz vom Kunden hingenommen werden müssen. Anwalt Böse räumt ein, es sei nicht vollkommen ausgeschlossen, dass der Netzwechsel dann zu schlucken ist, wenn in den AGB kein bestimmtes Netz zugesichert worden ist.

Ein Blick in die alten AGB von GALERIAmobil offenbart allerdings, dass GTCom dem Kunden dort explizit eine Leistungserbringung im E-Plus-Netz zugesichert hat. Unter dem Punkt "2. Vertragsschluss und Vertragslaufzeit" heißt es:
"2.2 GTCom stellt dem Kunden eine SIM-Karte zur Verfügung. Die Nutzungsmöglichkeit der SIM-Karte in dem von der E-Plus Mobilfunk GmbH ("EPM") betriebenen Mobilfunknetz wird mit Erstnutzung durch den Kunden eingeräumt."

Auch im Punkt "3. Leistungserbringung" ist zweimal ausdrücklich das E-Plus-Netz und seine Frequenzen als Vertragsgegenstand genannt, z. B. im Punkt 3.5: "GTCom erbringt ihre Leistungen im Rahmen der Kapazitätsgrenzen des E-Plus-Mobilfunknetzes."

Mobilfunk-Provider sichern sich manchmal in den AGB das Recht, den Vertrag ohne Rücksprache mit dem Kunden auf einen anderen Vertragspartner zu übertragen. Dies ist auch ein für den Kunden nicht unwichtiger Passus, damit im Fall einer Insolvenz oder Pleite des Providers die Weiterversorgung des Kunden sichergestellt wird. Schon im ersten Punkt der AGB hat sich GTCom eine Übertragung des Vertragsverhältnisses auf einen anderen Vertragspartner vorbehalten. Hier ist aber nur die E-Plus-Mobilfunk GmbH genannt. Und diese gehört mittlerweile zu Telefónica. Einer Übertragung an Drillisch mit Wechsel ins o2-Netz hat der Kunde also nicht automatisch zugestimmt, lediglich einer Übergabe an Telefónica könnte er wohl kaum widersprechen. Gekauft wurde GTCom allerdings nicht von Telefónica, sondern von Drillisch. Anwalt Matthias Böse sagt dazu:

Sollte[n] das die AGB sein, die damals mit einbezogen wurden, hat der Kunde ein Recht auf die Nutzung des Netzes von E-Plus. Die "Übertragung" ist daher nicht zulässig. Das mag sich nach vollständigem Übergang von E-Plus zu Telefónica ändern, ist aber heute noch nicht zulässig. Der Simkartentausch ist vermutlich aber nicht angreifbar, dieser wäre möglicherweise auch ohne Netzwechsel denkbar gewesen. Für die Zukunft haben Kunden jedoch Anspruch auf Nutzung des E-Plus-Netzes. Erfüllt der Vertragspartner dies nicht, kommt ein außerordentliches Kündigungsrecht oder Schadensersatz in Frage. Schadensersatzansprüche aufgrund z.B. schlechterer Abdeckung sind für mich aber nur in Ausnahmefällen denkbar (Kosten für eine Zweitkarte, für Rufumleitungen).

In einer weiteren Meldung haben wir die Problematik mit LTE bei GTCom erläutert und sind auf interessante Details in den AGB gestoßen.

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