Fragen & Antworten

Wie ein Datendiebstahl die Republik in Aufruhr versetzt

Nach der massenhaften Veröffentlichung von persönlichen Daten ist die Betroffenheit unter Politikern groß. Während die Behörden mit Hochdruck versuchen, den Täter zu finden, bleiben einige Fragen immer noch offen.
Von dpa /

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
Bild: dpa
Wer private Daten von sich plötz­lich online findet, erlebt einen Schock wie bei einem Einbruch. Genau so erging es in den vergan­genen Tagen nicht nur Hunderten von Poli­ti­kern, sondern auch mehreren Promi­nenten aus dem Musik- und Fern­seh­ge­schäft. Ihre Handy­num­mern und manchmal auch ihre Fami­li­en­fotos, Konto­daten und Chats waren auf einem Twit­ter­konto veröf­fent­licht worden.

Wie wurden die Daten veröf­fent­licht?

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
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Über das inzwi­schen gesperrte Twitter-Konto @_0rbit hat ein Unbe­kannter im Dezember 2018 eine Art Advents­ka­lender veröf­fent­licht. An jedem Tag stellte er einen Link zu einem neuen Daten-Fundus online, anfangs zu promi­nenten Künst­lern wie Til Schweiger und Jan Böhmer­mann, ab dem 20. Dezember dann zu einzelnen Parteien. Manche Daten machte er auch schon vorher öffent­lich.

Wie wurde die Veröf­fent­li­chung den Behörden bekannt?

Am Donners­tag­abend erhielt der ehema­lige SPD-Kanz­ler­kan­didat Martin Schulz mehrere Nach­richten und Anrufe, darunter die Whatsapp-Nach­richt eines ihm Unbe­kannten. Da die Handy­nummer des SPD-Poli­ti­kers nicht öffent­lich zugäng­lich ist, verstän­digte ein Mitar­beiter von ihm die Polizei. Das rbb-Info­radio berich­tete als Erstes über die Veröf­fent­li­chungen auf Twitter.

Was weiß man über die Opfer des Angriffs?

Außer Schulz sind vom Bundes­prä­si­denten über Landes­mi­nister bis hin zu Fern­seh­mo­de­ra­toren mehrere Hundert Personen betroffen. Bei knapp der Hälfte von ihnen handelt es sich um CDU- und CSU-Poli­tiker, darunter Kanz­lerin Angela Merkel und die CDU-Partei­vor­sit­zende Anne­gret Kramp-Karren­bauer. Auf der SPD-Liste stehen 230 Namen, etwa Partei­chefin Andrea Nahles, bei den Grünen und den Linken je etwa 100, bei der FDP 28. Die AfD ist die einzige Partei, die nach derzei­tigem Stand nicht von dem Daten­klau betroffen ist.

Um welche Daten handelt es sich genau?

Die Band­breite ist groß: Von den aller­meisten werden nur Tele­fon­num­mern genannt, vor allem Handy­num­mern, oft auch interne Briefe und Bewer­bungs­schreiben. In wenigen Fällen wurden auch sehr private Infor­ma­tionen veröf­fent­licht, darunter Chats mit Fami­li­en­mit­glie­dern. Unklar ist, wie viel davon authen­tisch ist.

Viele dieser Daten sind vertrau­lich, andere wären ohnehin öffent­lich zugäng­lich. Einige sind auch veraltet. Im Eintrag zu Heiko Maas (SPD) findet man zum Beispiel die offi­zi­elle Nummer des Justiz­mi­nis­te­riums - nur arbeitet der heutige Außen­mi­nister Maas dort schon seit März 2018 nicht mehr. Auch bei dem eben­falls betrof­fenen Mode­rator Jan Böhmer­mann handelt es sich nicht um aktu­elle Daten. Böhmer­manns derzei­tige Adresse sei nicht dabei, sagte sein Manager.

Wie kam der Täter an die Daten heran?

Daten­dieb­stähle werden häufig über Angriffe auf Mail-Konten ausge­führt. Die Täter könnten etwa versu­chen, schwache Pass­wörter zu erraten oder den Opfern über mit Schad­soft­ware infi­zierte E-Mails die Zugangs­daten abzu­luchsen. Haben die Täter dann einen Zugang zu dem E-Mail-Konto, stehen Tür und Tor offen. So kann man dadurch häufig auch die Pass­wörter von sozialen Netz­werken neu vergeben, wenn die nicht durch zusätz­liche Schutz­maß­nahmen abge­si­chert sind.

Die veröf­fent­lichten Daten stammen aller­dings nicht nur aus einer Quelle. Zum Teil geis­tern sie schon seit Monaten durch das Internet, zum Teil handelt es sich um Bestände, die erst vor kurzer Zeit erbeutet wurden. Ob der Nutzer des Twitter-Accounts, über den die Links verbreitet wurden, selbst an den verschie­denen Daten­ein­brü­chen betei­ligt war, ist derzeit noch nicht klar. Er könnte auch mit viel Aufwand Daten­be­stände zusam­men­ge­führt haben, die bereits zuvor im Netz standen.

Wie haben die Betrof­fenen reagiert?

Die Grünen-Poli­tiker Robert Habeck und Konstantin von Notz, zwei der Haupt­be­trof­fenen, haben Straf­an­zeige gegen unbe­kannt erstattet. Auch die FDP im Bundestag hat juris­ti­sche Schritte einge­leitet.

Was weiß man über den Täter?

Die Gene­ral­staats­an­walt­schaft Frank­furt am Main, deren Zentral­stelle zur Bekämp­fung der Inter­net­kri­mi­na­lität (ZIT) die Ermitt­lungen führt, will sich derzeit aus takti­schen Gründen nicht äußern. Auch das BKA weiß nach eigenen Angaben noch nicht, wer der Täter ist und aus welchen Motiven er gehan­delt hat.

Wie kann man in einem solchen Fall den Täter iden­ti­fi­zieren?

Die Ermittler werden sich unter anderem mit dem Twitter-Konto beschäf­tigen. Der Account wurde bereits 2015 einge­richtet und hat nach Infor­ma­tionen des Fach­por­tals heise.de ursprüng­lich dem Youtuber Yannick Kromer gehört, auch bekannt als Dezz­troyz. Später habe aber jemand anderes das Konto über­nommen. Ermittler versu­chen nun heraus­zu­finden, wer zuletzt das Konto kontrol­liert hat. Ob der aktu­elle Nutzer ermit­telt werden kann, hängt auch davon ab, wie viel Mühe sich der Täter bei der Verschleie­rung seiner Tat gemacht hat.

Andere Ermitt­lungs­ar­beiten werden sich auf die erbeu­teten Daten fokus­sieren. Wann und wie ist es den Angrei­fern beispiels­weise gelungen, das Mate­rial aus den Konten der Grünen-Poli­tiker Habeck und von Notz zu stehlen? Diese Täter müssen wiederum nicht unbe­dingt etwas mit dem Inhaber des Twitter-Kontos zu tun haben.

Wie können Daten­klauer straf­recht­lich belangt werden?

Laut dem soge­nannten Hacker­pa­ra­grafen im Straf­ge­setz­buch (§ 202a) ist es illegal, wenn sich jemand Zugang zu Daten verschafft, "die nicht für ihn bestimmt und die gegen unbe­rech­tigten Zugang beson­ders gesi­chert sind". Das StGB sieht dafür eine Geld­strafe oder bis zu drei Jahre Haft vor. Strafbar macht sich auch, wer Daten abfängt, entspre­chende Compu­ter­pro­gramme herstellt oder verbreitet oder mit ausge­spähten Daten handelt.

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Wurden Ihre Zugangsdaten schon einmal gehackt und möglicherweise missbraucht? Das können Sie hier überprüfen.

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