Editorial: Die USA betätigen den Huawei-Killswitch
Wie überleben Huawei-Smartphones ohne Google-Dienste?
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Ging es bisher bei dem Streit zwischen den USA und dem chinesischen
Mobilfunk-Ausrüster und Smartphone-Hersteller Huawei
um deren Netzwerktechnik, in der versteckte Abschaltvorrichtungen ("kill switches")
vermutet wurden, eskaliert dieser nun auch auf die Smartphone-Sparte:
Erst erklärt Trump den Telekommunikations-Notstand, dann
kündigt Google Huawei die Android-Lizenz. Entsprechend
schwer dürfte es Huawei fallen, künftig Smartphones auf den besonders lukrativen
westlichen Märkten anzubieten. Dabei war Huawei überhaupt erst in den letzten Jahren
zur Nummer drei und dann gar zur Nummer zwei des weltweiten Smartphone-Marktes
aufgestiegen.
Huawei wird künftig weiterhin Android auf seine Smartphones aufspielen können, denn Android ist wie das Android zugrundeliegende Linux freie Software (Open Source). Aber Huawei muss künftig für seine Smartphones auf die wichtigen Google-Apps wie den Chrome-Browser oder Google Maps verzichten. Auch der Google-Play-Store darf nicht mehr installiert werden. Für bestehende Smartphone-Modelle wie die aktuelle P30-Serie ändert sich zwar erstmal nichts. Aber auch hier muss Huawei ab dem nächsten Update auf die nächste Android-Hauptversion ohne die Google-Apps und den Play Store auskommen.
Wie überleben Huawei-Smartphones ohne Google-Dienste?
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In China ist es bereits üblich, Google-freie Android-Smartphones zu
verkaufen. Auf diesen sind statt der Google-Apps andere Standard-Apps und
ein alternativer App Store vorinstalliert. Huawei wird nichts anderes übrig
bleiben, als dieses Modell künftig auch bei den in Europa und Amerika vertriebenen
Geräten anzuwenden. Ob das gelingt, wird davon abhängen, wie gut diese Apps auf
die westeuropäischen Sprachen (vor allem Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Deutsch
und Italienisch) internationalisiert sind, und wie genau das Straßenverzeichnis
der alternativen Maps-App ist.
Sollten sich die alternativen Apps den Google-Vorbildern als gleichwertig erweisen, könnte das aber sogar zum Verkaufsvorteil für Huawei werden: Die mit den Google-Apps eingebaute NSA-Spionage ist seit den Enthüllungen durch Edward Snowden allgemein bekannt und stößt viele Handy-Nutzer ab. Groß angelegte systematische Spionage durch chinesische Smartphone-Hersteller oder App- und Plattform-Betreiber ist zwar wiederholt behauptet, aber nie bewiesen worden. In vielen Ländern, in denen sich die Bewohner von den USA gegängelt fühlen, und dazu gehören neben großen Teilen des arabischen Raums beispielsweise auch viele osteuropäische und südamerikanische Länder, könnten die zwangsweise Google- und NSA-freien Huawei-Smartphones künftig sogar besonders begehrt werden. Bisher hat Huawei in diesen Märkten mit Rücksicht auf die Interessen des Software-Hauptlieferanten keine Google-freien Smartphones angeboten. Jetzt müssen sie es.
Knackpunkt App-Store
Neben Ersatz für die Standard-Apps muss Huawei auch einen alternativen App-Store vorinstallieren. Zwar gab es alternative App-Stores zu Google Play schon immer, aber nicht jeder eignet sich als Ersatz: Der Zugang zum recht großen Amazon App-Store könnte beispielsweise für Huawei genauso versperrt werden wie der Zugang zum Google Play Store. Kritisch könnte für Huawei insbesondere werden, dass große App-Herausgeber wie Facebook oder Microsoft sich ebenfalls weigern könnten, ihre Apps in den Huawei-App-Store einzustellen. Dann müssten Huawei-Smartphone-Nutzer nicht nur auf Google Maps und Chrome verzichten, sondern auch auf den zum Facebook-Konzern gehörenden WhatsApp-Messenger oder die Microsoft-Office-Programme.
Je mehr US-Konzerne in den kommenden Wochen Huawei den Zugang zu ihrer Software sperren, desto schwieriger dürfte es für Huawei werden, passenden Ersatz für ihre Smartphones zu finden. Huawei-Handys hätten dann zwar die besten Kameras, aber die schlechtesten Apps. Hat die US-Administration also den "Huawei-Kill-Switch" gefunden, den Hebel, mit dem sie den erfolgreichen, aber ungeliebten chinesischen Konzern kleinkriegen? Möglicherweise. Doch die Eskalation ist nicht ohne Risiko: Sollte sich unter Huaweis Ägide ein Google-, Facebook- und Microsoft-Freies Software-Ökosystem auch außerhalb Chinas etablieren, könnte das verheerende Folgen für die erfolgsverwöhnten US-Tech-Konzerne haben. Der Handelskrieg, er hat gerade erst begonnen.