Huawei Kirin 990: Smartphone-Power-CPU mit 5G & Dual-SIM
Die Performance der NPU des Kirin 990: Huawei sieht sich um den Faktor drei vor der Konkurrenz
Foto: teltarif.de
Traditionell hat
Huawei die große Bühne der IFA genutzt, um
die neueste Version des Smartphone-Prozessors Kirin vorzustellen.
Besonders stolz war Huawei-CEO Chengdong Richard Yu darauf, dass der
neue Kirin 990 in der
5G-Variante
erstmalig auch das komplette 2G/3G/4G/5G-Modem
enthält. Die Zahl der Transistoren des in einem 7-Nanometer-Prozess mit
EUV-Lithografie hergestellten SoCs (System-on-a-Chip) ist dadurch
noch einmal deutlich gewachsen: auf über 10,3 Milliarden.
Trotzdem ist der Chip kaum größer als mein Fingernagel, scherzte Yu.
Huawei kommt mit der Ankündigung des voll integrierten Kirin 990 der Konkurrenz zuvor, deren 5G-Smartphone-Chipsätze noch aus zwei SoCs bestehen: Dem Qualcomm Snapdragon 855 und dem 5G-Modem X50, bzw. dem Samsung Exynos 9825 ebenfalls samt separatem Modem. Von Apple gibt es dieses Jahr gar noch keinen 5G-Chip, auch das voraussichtlich schon kommende Woche vorgestellte neue iPhone muss noch mit 4G/LTE auskommen.
Die Performance der NPU des Kirin 990: Huawei sieht sich um den Faktor drei vor der Konkurrenz
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Der Kirin 990 unterstützt die beiden 5G-Betriebsarten NSA
("non stand-alone") und SA ("stand-alone"). NSA greift für Basisfunktionen,
insbesondere die Signalisierung, auf ein 4G-Netz zurück, 5G-SA-Netze
können hingegen auch unabhängig betrieben werden. Insbesondere viele
City-Carrier, die 5G als Festnetzersatz (FWA, "fixed wireless access")
anbieten wollen, können 5G mangels 4G-Netz nur im SA-Modus betreiben.
Dual-SIM: Zwei Datenverbindungen gleichzeitig
Der Kirin 990 unterstützt zwei SIM-Karten
(Dual-SIM), von denen allerdings nur eine im
5G-Netz eingebucht sein kann. Die zweite SIM-Karte ist auf 2G/3G/4G
limitiert. Allerdings kann von beiden SIM-Karten aus eine Datenverbindung
aufgebaut werden. Insbesondere ist es Smartphones auf Basis des Kirin 990
also möglich, einen VoLTE-Anruf mit der einen Karte zu führen, und einen
eingehenden VoLTE-Anruf auf der anderen SIM-Karte zu signalisieren, so
dass der Nutzer dann entscheiden kann, ob er den Anruf annimmt oder
nicht.
Dual-SIM-Fähigkeiten des Kirin 990 5G im Vergleich zur letzten Generation des 5G-Modems der Konkurrenz
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Noch schnellere neuronale Netze
Stark gestiegen ist auch die Leistungsfähigkeit der NPUs, mit denen
Berechnungen im Rahmen der "künstlichen Intelligenz" (kurz KI)
durchgeführt werden. Huawei sieht sich hier gar um einen Faktor drei vor
der Konkurrenz. Erstmalig hat Huawei zudem das von den CPUs
bekannte Big-Little-Konzept auch bei der NPU implmentiert: Der "kleine"
NPU-Kern ist für Standby-Aufgaben optimiert, die nur eine mittlere
KI-Leistung benötigen. Als Paradebeispiel für die Nutzung des
kleinen NPU-Kerns nannte Yu die Gesichtserkennung zum Unlock des
Smartphones.
Stromersparnis durch den Tiny-NPU-Core
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Kernaufteilung 4 - 2 - 2
Wie schon bei der letzten Kirin-Generation verbaut Huawei beim Kirin 990 5G insgesamt drei veschiedene Typen von CPU-Kernen: Zwei große ARM Cortex A76 mit je 2,86 GHz, zwei etwas kleinere ARM Cortex A76 mit je 2,36 GHz Takt und vier kleine ARM Cortex A55 bei je 1 ,95 GHz. Beim Kirin 990 ohne 5G-Unterstützungs liegen die Taktraten der "mittleren" A76-Kerne mit 2,09 GHz und der A55-Kerne mit 1,86 GHz jeweils etwas niedriger. Hintergrund hierfür ist der etwas andere Herstellungsprozess, der zwar ebenfalls eine Strukturgröße von 7 Nanometer verwendet, aber ohne die besonders hochauflösende EUV-Lithografie.
Durch den Verzicht auf die Logik zur Umsortierung der Maschinenbefehle ("out-of-order-execution") benötigen die vier kleinen A55-Kerne zusammen in etwa dieselbe Chipfläche wie einer der großen. Die Verarbeitung ist in den kleinen Kernen aber deutlich langsamer, weil sie deutlich mehr Taktzyklen mit dem Warten auf Daten zubringen: Die großen Kerne können in dem Fall, dass einzelne benötigte Werte noch nicht bereitstehen, andere Berechnungen vorziehen, die sich auf bereits verfügbare Daten beziehen, die kleinen Kerne hingegen nicht. Im Vergleich zu einem Snapdragon 855 soll Huaweis Achtergespann sowohl Single- als auch Multi-Core etwa zehn Prozent mehr Performance liefern.
16 Kerne für die GPU
Im Vergleich zum Vorgänger Kirin 980 wurde die Graphikeinheit (GPU) von 10 auf 16 Mali-G76-Kerne erweitert. Huawei spricht auch hier von einem "World's First". Die Performance liegt laut den Huawei-eigenen Benchmarks trotz des großen Sprungs bei der Zahl der Kerne dennoch nur 6 Prozent über dem Snapdragon 855, die Performance pro Watt (Effizienz) immerhin um 20 Prozent. Offensichtlich ist auch die Konkurrenz nicht untätig.
Zentraler L4-Cache
Alle gennanten Prozessoren - NPU, CPU und GPU - greifen über jeweils eigene Caches auf den Hauptspeicher zu. Um letzteren zu entlasten, hat Huawei einen weiteren "Smart Cache" dem System hinzugefügt, dessen Inhalt für alle Einheiten sichtbar ist. Hierdurch verringert sich die Zahl der Zugriffe auf den Hauptspeicher um 15 Prozent, wodurch dessen Stromverbrauch wiederum um 12 Prozent sinkt.
Alle Effizienzmaßnahmen zusammen führen zu niedrigerem Stomverbrauch und längerer Akkulaufzeit. Huawei zeigte eine Spiele-Demo mit im Vergleich zur Konkurrenz noch etwas besserer Framerate (das Optimum von 60 Hz wurde seltener verfehlt) und ca. 10 bis 20 Prozent niedrigerer Leistungsaufnahme.
"Sofort lieferbar"
Huawei bezeichnet den Kirin 990 als "ab sofort verfügbar", was freilich dahingehend eingeschränkt ist, dass Huawei die Kirin-Prozessoren nur für die eigenen Smartphones verwendet und nicht an die Konkurrenz liefert. Die größten Fortschritte wurden mit dem 7-Nanometer-EUV-Prozess erzielt, der im Vergleich zum 7-Nanometer-Prozess ohne EUV höhere Taktraten bei gleichem Stromverbrauch ermöglicht. Durch die Integration weiterer Einheiten konnte die Performance nochmals kräftig gesteigert werden, aber auf Kosten einer deutlichen Steigerung der Zahl der Transistoren. Letztere drückt Erfahrungsgemäß auf die Ausbeute - der Kirin 990 dürfte daher kein billiger Prozessor sein.
Erstes Smartphone mit dem Kirin 990 bzw. dem Kirin 990 5G wird das Mate 30 werden, das am 19. September in München vorgestellt wird.