Discovery: "Schauen uns weiter relevante Sportrechte an"
Susanne Aigner ist für das Deutschland-Geschäft von Discovery verantwortlich
Foto: Discovery Communications Deutschland
US-Konzerne wie Amazon, Disney und Netflix mischen den deutschen Medienmarkt auf. Weniger beachtet wird dabei Discovery, obwohl das Unternehmen mit Sendern wie Eurosport, DMAX, TLC sowie den Pay TV-Sendern Discovery Channel und Animal Planet eine wichtige Rolle spielt. Hinzu kommt im Streaming die Zusammenarbeit mit ProSieben unter der Marke Joyn. Im Interview mit teltarif.de spricht Discovery-Geschäftsführerin Susanne Aigner über konkrete Pläne.
Susanne Aigner ist für das Deutschland-Geschäft von Discovery verantwortlich
Foto: Discovery Communications Deutschland
teltarif.de: Frau Aigner, der deutschen TV-Branche mangelt es auf den ersten Blick nicht an Inhalten. Von daher zunächst eine persönliche Frage: Was macht für Sie eigentlich gutes Fernsehen aus?
Susanne Aigner: Es muss die Zuschauer unterhalten und fesseln, das gilt für alle Genres und für fiktionale und nonfiktionale Formate gleichermaßen. Und dazu gehört für mich ein qualitativ hochwertig produzierter Content ebenso wie ein gutes Storytelling. Ein Anspruch, den Discovery bei all seinen Produktionen verfolgt.
teltarif.de: Discovery unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von den meisten anderen US-Medienkonzernen. Ihr Fokus liegt mit Dokumentationen bzw. Reportagen, Real-Life-Formaten und Sport stark auf non-fiktionalem Content. Wie behaupten sich diese Programme am Markt?
Susanne Aigner: Hervorragend. Discovery hat international und in Deutschland mit seiner Art, aus ungewöhnlichen Sichtweisen große Geschichten zu erzählen und Themen aufzubereiten, neue Maßstäbe für das Fernsehen gesetzt und verfügt damit bis heute über ein internationales Alleinstellungsmerkmal.
teltarif.de: Fast alle großen US-Medienkonzerne gehen mit eigenen SVoD-Services an den Start oder haben entsprechende Projekte in Planung. Discovery scheint hier eher zurückhaltend zu sein und setzt bei Joyn auf eine Kooperation mit ProSiebenSat.1. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden?
Susanne Aigner: Discovery geht in unterschiedlichen Märkten unterschiedliche und lokale Wege. In Deutschland setzen wir auf Joyn, das wir als gleichberechtigter Joint Venture Partner mit ProSiebenSat.1 betreiben. Das ist kein zurückhaltendes Projekt, sondern die größte deutsche Streamingplattform im deutschen Fernsehen. Joyn umfasst mittlerweile die Livestreams von über 60 privaten und öffentlich-rechtlichen Inhalteanbietern, das macht rund 67 Prozent des gesamten deutschen Free-TV-Marktes aus. Darüber hinaus bietet die Plattform ein breites Portfolio an On-Demand-Inhalten mit Serien, Shows und exklusiven Vorschauen, darunter rund 10.000 Episoden aus dem Content-Portfolio von Discovery und ProSiebenSat.1. Zusätzlich bietet Joyn PLUS+ seit Ende letzten Jahres noch mehr exklusive Inhalte, Joyn Originals, Top-Serien und -Filme und Live-TV in HD. Wir verstehen Joyn als eine wichtige Beteiligung, die nicht weniger als ein „Local Champion“ im OTT-Bereich und so etwas wie ein deutsches Hulu sein wird. Wir bringen hier umfassend Content aus unserem Programmstock ein, und dabei immer auch exklusive Inhalte, die so nicht auf unseren Sendern zu sehen sind. Hier liegt ein großer Mehrwert für uns: Wir können unser lineares Geschäft digital verlängern und ergänzen.
teltarif.de: Auffällig ist auch: Während US-Unternehmen wie Disney ihr lineares Geschäft zugunsten von Streaming zurückfahren, bauen Sie Ihr Free TV-Business in Deutschland sogar aus. Nach DMAX, TLC und Eurosport ging mit HGTV kürzlich sogar ein vierter frei empfangbarer Discovery-Kanal in Deutschland an den Start. Warum ist dieser Bereich nach wie vor interessant?
Susanne Aigner: Seit 14 Jahren sind wir mit Free-TV-Sendern auf dem deutschen Markt präsent und wir zeigen, wie man sich mit starken Content- und Sendermarken im umkämpften TV-Markt sehr erfolgreich behaupten kann. DMAX war 2006 der erste Sender einer neuen Sendergeneration, dem 2014 TLC folgte. Gemeinsam decken sie jeweils die Zielgruppen Männer bzw. Frauen ab. Mit Eurosport haben wir die in Europa führende Sportplattform im Portfolio, der wir in Deutschland bei unserem Free-TV-Sender Eurosport 1 ein verstärktes Lokalkolorit verleihen. Unseren jüngsten Sender HOME & GARDEN TV haben wir neben anderen Verbreitungswegen bewusst im Free-TV gestartet, weil wir glauben, dass dieser Verbreitungsweg besonders gut zu der Zielgruppe des Senders passt und uns hilft, eine starke Marke aufzubauen. Wir haben das Privileg, dass wir den Content selbst produzieren, die vollständigen Rechte daran besitzen und auf vielfältigen eigenen Wegen ausspielen können. Damit hat Discovery eine weitgehende Alleinstellung. Und auch in Deutschland profitieren wir natürlich davon, Teil eines führenden internationalen Medienunternehmens zu sein, das über vielfältige Inhalte, großes technologisches Knowhow und eine große Innovationskraft verfügt. All das zusammengenommen lässt unser lineares Geschäft für uns unverändert sehr lukrativ sein.
teltarif.de: Eurosport hatte sich umfassende Ausstrahlungsrechte an der Bundesliga, dem Supercup und der Relegationsspiele gesichert. Diese laufen aber nun nicht im Eurosport Player, sondern wurden an DAZN sublizenziert. Warum kam es zu diesem Schritt?
Susanne Aigner: Discovery und DAZN haben ihre Partnerschaft marktübergreifend für die Länder Deutschland, Österreich, Italien und Spanien geschlossen. Auf dieser Grundlage integriert DAZN die TV-Sender Eurosport 1 HD und Eurosport 2 HD mit allen ihren Top-Inhalten in ihr Sport-Streaming-Angebot. Für uns und Eurosport bedeutet diese Kooperation in den vier Ländern vor allem einen deutlichen Reichweitenausbau für die Sportinhalte von Eurosport. In Deutschland und Österreich hat DAZN von uns zudem eine Sublizenz für die Live-Übertragung der 40 Bundesligaspiele am Freitagabend, sonntags um 13:30 Uhr, montags um 20:30 Uhr sowie den DFL Supercup und die vier Relegationsspiele (Bundesliga/2. Bundesliga und 2. Bundesliga/3. Liga) erworben. Das bedeutet: DAZN produziert diese Spiele selbst und verbreitet sie über ihr eigenes Streaming-Angebot. Wir freuen uns über diese Partnerschaft, denn sie leistet in allen betroffenen Ländern einen wichtigen Beitrag für unsere Reichweiten und damit auch unserer Wertschöpfungskette.
teltarif.de: Wie sieht Ihre weitere Deutschland-Strategie aus? Es wurde zum Beispiel kolportiert, dass Discovery womöglich doch noch einen eigenen Streaming-Dienst startet.
Susanne Aigner: Das war eine Aussage, die den amerikanischen Markt betraf. In Deutschland fokussieren wir uns voll auf Joyn, das mit seinem umfassenden Angebot die größte deutschsprachige Streamingplattform ist.
teltarif.de: Die Abkürzung „TLC“ steht für „The Learning Channel“. Aber selbst, wenn man die Definition sehr großzügig auslegt, würde man den Sender nicht unbedingt in die Kategorie „Bildungsfernsehen“ einordnen. Die gesendeten Formate fallen womöglich eher in den Bereich Lebenshilfe. Es drängt sich zumindest der Eindruck auf, Sie zielen mit dem Sender eher auf Unterhaltung ab.
Susanne Aigner: Diese Herleitung von einer Abkürzung hat nie für die Markenpositionierung von TLC gestanden. TLC ist die weltweit größte Entertainment-Marke für Frauen und im deutschsprachigen Raum seit April 2014 über digitales Kabel, Satellit, Web TV und IPTV zu empfangen. TLC steht für 100 Prozent Real-Life-Entertainment und zeigt das wahre Leben in all seinen Facetten. „Überraschend und anders“ - mit diesem Anspruch gewährt der Sender Einblicke in unterschiedliche Lebenswelten und Lebensweisen. Ob bewegende Schicksale, außergewöhnliche Lebensentwürfe, Familiengeschichten, True-Crime-Serien, Mystery-Fälle oder Koch- und Back-Shows – auf TLC zeigen wir das pure Leben, echt und unverfälscht.
teltarif.de: Sie liefern Ihre Inhalte an verschiedene Plattformanbieter. Neben der eigenen Kooperation mit Joyn gehören dazu beispielsweise auch Sky oder Amazon. Wie entwickeln sich diese Partnerschaften?
Susanne Aigner: Partnerschaften sind ein wichtiger Bestandteil unserer Unternehmensstrategie, unsere Inhalte auf so vielen Plattformen wie möglich auszuspielen und damit einer breiten Zuschauerschaft verfügbar zu machen. Viele unserer Partnerschaften bestehen schon seit langem – wie z.B. mit Sky – und sind für beide Seiten von großem Vorteil. Wir schätzen unsere Partner und werden diesen Weg, mit Partnern zu wachsen, weiterverfolgen.
teltarif.de: Betrachtet man Discovery in allen Segmenten – also lineares Fernsehen, Pay-TV und letztendlich auch On Demand – wo liegt aus Ihrer Perspektive das größte Wachstumspotenzial und vor allem bei welchen Inhalten?
Susanne Aigner: Auf der einen Seite sind unsere linearen Angebote für uns weiterhin essenziell und eine tragende Säule. Im Vergleich zu allen anderen Plattformen und Medien hat das lineare TV immer noch hohe Nutzungszahlen und erzielt die höchsten Netto-Reichweiten. Aber natürlich ist nicht zu übersehen, dass die Nutzungszahlen insbesondere bei den Jüngeren rückläufig sind. Gleichzeitig sehen wir, dass die Umsätze in Paymodellen in Deutschland kontinuierlich wachsen und die Zahlungsbereitschaft und Nachfrage der Menschen nach TV-Inhalten kontinuierlich weiter ansteigt. Insofern sind wir, was dieses Thema anbelangt, optimistisch und sehen gerade auch für Joyn noch Platz im Medienbudget der Konsumenten. Wir haben mit Discovery den großen Vorteil, dass wir schon lange hybrid aufgestellt sind und mit unseren Angeboten von Anfang an konsequent alle Plattformen und Verbreitungswege besetzen.
teltarif.de: Welches Gewicht wird das Thema Sport im Gesamtportfolio von Discovery künftig einnehmen?
Susanne Aigner: Unverändert ist das Thema Sport im linearen Bereich, wie aber auch im Streaming-Bereich, für Discovery ein sehr wichtiges Thema. Als Teil des globalen Discovery-Konzerns ist Eurosport die führende Multi-Sport-Marke in Europa und bietet eine Fülle an großen Sporthighlights wie kein anderer Sender – Olympia, Tennis Grand Slams, Radsport mit allen Höhepunkten, den kompletten Wintersport, die Frauen-Bundesliga in Deutschland, Motorsporthighlights wie die Formel E oder die 24h von LeMans bis zu Nischensportarten wie Snooker. Wir schauen uns weiterhin relevante Sportrechte an und wollen wie bisher unsere lokalen Produktionen fortsetzen, und den Fans die beste Berichterstattung und Analysen bieten, dank Top-Experten wie Boris Becker oder Sven Hannawald.
teltarif.de: Es gibt immer Raum für Verbesserungsmöglichkeiten. In welchen Bereichen ist Discovery Ihrer Meinung nach noch nicht optimal aufgestellt bzw. wo würden Sie sich auf dem deutschen Medienmarkt insgesamt Veränderungen wünschen?
Susanne Aigner: Weltweit und in Deutschland verfolgt Discovery eine konsequente Wachstumsstrategie, indem wir uns auf allen Plattformen mit neuen Angeboten zunehmend auf spitze Zielgruppen mit passionierten Interessen an bestimmten Themen ausrichten. In Deutschland hat Discovery im letzten Jahr seine Position als führender Medienkonzern für Factual- und Lifestyle-Entertainment ausgebaut und sein bestehendes Portfolio um HOME & GARDEN TV als eine weitere Marke ergänzt. Auch die Inhalte des Food Network rollen wir zunehmend digital aus, sie sind u.a. Bestandteil der von Discovery zugelieferten Inhalte für Joyn. Zudem treiben wir unsere Strategie der „Verticals“ auch im Sport weiter voran. Nach dem Start von Golf TV und der Übernahme der Radsport-Community Play Sports Group haben wir auf Joyn den Themenchannel MotorTrend gelauncht und präsentieren diese Programmmarke in Deutschland erstmals den Zuschauern. Mit solchen Angeboten für passionierte Fans wollen wir in Deutschland auch in Zukunft weiterwachsen.
teltarif.de: Frau Aigner, vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person: Susanne Aigner
Susanne Aigner verantwortet als Geschäftsführerin Discovery Deutschland, Österreich und Schweiz die Sender DMAX, TLC, HOME & GARDEN TV, Eurosport 1, Discovery Channel, Animal Planet und Eurosport 2. Die studierte Kommunikationswissenschaftlerin arbeitet seit 2006 für das TV-Unternehmen mit Sitz in München. Bevor sie im Mai 2011 in die Geschäftsführung berufen wurde, verantwortete sie fünf Jahre lang die Werbezeitenvermarktung von DMAX. Seit 20 Jahren ist die 50-jährige Managerin damit in leitenden Funktionen in der Medienbranche tätig. Vor ihrer Tätigkeit für Discovery war sie unter anderem Bereichsleiterin Marketing und Vertrieb bei Sport 1 (ehemals DSF) und Geschäftsführerin der Mediaagentur Media Plan.