Anschlussfrei

Editorial: iPhone ohne Anschlüsse? Apple, bitte nicht!

Ende Juni kursierten Gerüchte um künftige iPhones ohne Anschlüsse. Das mag "cool" sein, praktisch ist das aber nicht. In vielen Situationen hätten Nutzer deutliche Nachteile.
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Apple ist bekannt dafür, bei seinen Produkten auch einmal ungewöhnliche Wege zu gehen. Nicht selten läutete der amerikanische Technologiekonzern damit einen Trend ein, dem später andere Hersteller folgten. Eines der Beispiele aus der jüngeren Geschichte ist der weggefallene Kopfhöreranschluss beim iPhone. Mittlerweile verzichten auch Hersteller wie Huawei auf die 3,5-Millimeter-Klinkenbuchse.

Die Meinungen in Fachkreisen sind nach wie vor geteilt. Manche Spezialisten stehen auf dem Standpunkt, ein Smartphone ohne Headset-Anschluss sei quasi undenkbar, andere Anwender meinen, diese Buchse sei ein Relikt aus der Vergangenheit, das heutzutage dank Bluetooth überflüssig sei.

Schon die weggefallene Klinkenbuchse war ein Rückschritt

Ein iPhone ohne Anschlüsse könnte für Frust sorgen Ein iPhone ohne Anschlüsse könnte für Frust sorgen
Montage: teltarif.de
Ich finde es nach wie vor unpraktisch, dass der Kopfhöreranschluss weggefallen ist. Bluetooth-Headsets mögen auf der einen Seite sinnvoll sein, weil der mögliche Kabelsalat entfällt. Wenn aber am Ende der Akkukapazität des Headsets noch viele Stunden Reisezeit verbleiben und man seinen Kopfhörer zwischendurch nachladen muss, dann zeigt sich die Kehrseite der "kabellosen Freiheit".

Mit den AirPods von Apple oder auch mit den Bose SoundSport Free komme ich auf Dienstreisen vom Rhein-Main-Gebiet gerade eben nach Berlin. Die ICE-Fahrt dürfte aber keine halbe Stunde länger dauern. Bei Flugreisen müsste ich nachladen, was zugegeben vor allem bei den AirPods innerhalb von weniger als einer halben Stunde erledigt ist.

Gerüchte um iPhone ohne Lightning-Port

Nun droht möglicherweise noch größeres Ungemach, denn im Juni machten Gerüchte die Runde, dass Apple das iPhone in Zukunft am liebsten komplett ohne Anschlüsse ausliefern möchte. Zumindest soll der Hersteller in diese Richtung forschen. In der Tat war auch auf Keynotes bereits die Devise zu hören, die Zukunft sei drahtlos. Das könnte bedeuten, dass auch der Lightning-Anschluss bei künftigen iPhone-Generationen wegfällt.

Wenn dann auch noch der SIM-Kartenslot wegfällt, weil ohnehin eine fest integrierte eSIM zum Einsatz kommt, könnte Apple das iPhone noch besser gegen Wasser und Staub abdichten. Außerdem könnte der Hersteller designtechnisch neue Akzente setzen. Und natürlich ist so ein Smartphone ohne Öffnungen sicher "cool". Damit enden aber auch schon die Vorteile, die einer ganzen Reihe von negativen Punkten gegenüberstehen.

Kabellose Aufladung ist nicht neu

Auch die aktuelle iPhone-Generation lässt sich bereits kabellos aufladen. Das ist über Nacht oder im Büro praktisch und wenn man am Flughafen-Gate einfach nur das Handy auf eine markierte Stelle auf dem Tisch legen kann, um frische Akkukraft zu tanken, ohne extra ein Kabel aus der Tasche zu kramen (das man vielleicht gar nicht dabei hat), dann ist das zweifellos eine gute Sache.

Geht es aber darum, dem iPhone kurz vor einem überraschenden Außentermin noch möglichst kurzfristig so viel Akkukapazität wie möglich zu spendieren, dann ist das klassische USB-auf-Lightning-Kabel nach wie vor erste Wahl. Auf diesem Weg ist der Ladevorgang deutlich kürzer als auf der drahtlosen Kabelmatte. Sicher wird sich die Technik weiterentwickeln, aber bis man annähernd die gleiche Ladegeschwindigkeit wie beim kabelgebundenen Ladegerät erreicht, dürften noch einige Jahre vergehen.

Kabellose Zukunft auf Reisen: Frust statt Lust

Auf Reisen in der Bahn oder im Flugzeug mag ich mir die kabellose Zukunft überhaupt nicht vorstellen. Ladematte auf dem Schoß, die dann doch wieder mit der Steckdose verbunden werden muss und los geht's? Unbequemer geht es nicht. Generell passt ein Ladekabel inklusive Netzteil eher ins Reisegepäck als ein drahtloses Ladegerät.

Apple mag sich die Zukunft vielleicht so vorstellen, dass in Hotelzimmern, an Bahnhöfen oder in Flugzeugen entsprechende Ladematten bereitstehen. Schließlich verwenden hier alle Hersteller den gleichen Standard, sodass keine iPhone-Eigenlösung erforderlich ist. Wenn ich andererseits sehe, dass es auch heute noch Übersee-Flüge gibt, auf denen man keinen USB-Anschluss zur Verfügung hat und auf denen kein WLAN-Internet verfügbar ist, könnte ich mir vorstellen, dass es in den kommenden zehn bis 20 Jahren auch mit kabellosen Ladehalterungen "eng" wird.

Für neues iPhone bald auch ein neues Auto erforderlich?

Der Kopfhöreranschluss ist bereits Vergangenheit Der Kopfhöreranschluss ist bereits Vergangenheit
Foto: teltarif.de
Erste Autos bieten bereits die Möglichkeit, Handyakkus drahtlos aufzuladen. Das ist aber nur bei neuen Fahrzeugen der Fall und oft aufpreispflichtiges Zubehör. Dementsprechend gering dürfte die Verbreitung sein. Auch Apple-CarPlay-Nutzer, die Musik, Navigation und Telefon vom iPhone über den Bordcomputer im Auto nutzen möchten, hätten ein Problem. Zwar gibt es inzwischen drahtloses CarPlay - allerdings nur in sehr wenigen PKWs. Mein im November 2017 gekaufter Neuwagen ist für CarPlay geeignet, allerdings funktioniert das nur über das Datenkabel.

Die iTunes-Synchronisation am Windows-PC oder Mac mag in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren zu haben. Zudem funktioniert der Datentransfer zwischen Computer und Handy mittlerweile auch über WLAN. Wer größere Datenmengen - etwa HD- oder 4K-Videos zwischen den Geräten austauscht, hat mit dem Kabel jedoch eine schnellere und stabilere Verbindung zur Verfügung.

Nicht zuletzt kann sich auch die stabilste Software einmal "aufhängen". Das passiert auch beim iPhone. Kein Problem, den das Handy kann in den Wartungsmodus versetzt und über die iTunes-Software am Rechner wiederhergestellt werden. Das funktioniert aber nur über eine Kabelverbindung und nicht per WLAN. Soll die Alternative künftig ein Termin im nächsten Apple Retail Store sein, der dem Gerät mit Spezialwerkzeug neues Leben einhaucht?

Nicht alles Neue ist auch zwingend ein Fortschritt

Man kann nur hoffen, dass Apple diese und weitere Probleme bei seinen Planungen mit einbezieht. Nicht alles, was auf den ersten Blick fortschrittlich erscheinen mag, ist auch wirklich ein Gewinn für den Nutzer. Apple, Ihr habt uns bereits den wechselbaren Akku weggenommen, was dazu führt, dass man als Hardcore-User heute sein Smartphone mit einem Ladecase verunstalten oder einen noch unpraktischeren externen Akku zum Nachladen mitführen muss. Ihr zwingt einem zur Nutzung eines Bluetooth-Headsets (es sei denn, man nutzt einen Adapter für den Lightning-Anschluss), dessen Akkulaufzeit begrenzt ist.

Bitte behaltet wenigstens den Lightning-Port bei, der auch heute noch unbedingt erforderlich ist. Wenn Ihr mit Innovationen überzeugen wollt, dann bringt doch wirklich ein iPhone mit Dual-SIM-Unterstützung, baut vielleicht ein kleines UKW/DAB+-Radio oder sogar einen DVB-T(2)-Empfänger ein oder bringt ein Pro-Modell mit physischer Tastatur auf den Markt. Das kann ein Mehrwert sein, während der wegfallende Anschluss ein Rückschritt wäre.

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