Editorial: Die ewige Migration
Telekom testet IPv6 im Mobilfunknetz
Bild: dpa
Seit über einem Jahrzehnt wird in den Fachmedien für Internetprovider
regelmäßig über den Umstieg vom "alten" Internetprotokoll IPv4 auf das
"neue" IPv6 diskutiert. Vor über einem
halben Jahrzehnt wurde der jeweils letzte große IPv4-Adressblock an
die übergeordneten Registrare (wie die RIPE für Europa) vergeben.
Seitdem herrscht Knappheit an IPv4-Adressen, die Firmengründungen im
Bereich der Internetdienste (Internetprovider, Serverfarmbetreiber,
Cloudanbieter etc.) deutlich erschwert. Der IPv6-Umstieg würde
das Problem schlagartig lösen, aber er kommt nur sehr langsam
voran.
Am Amsterdamer Internetknoten AMS-IX liegt der Anteil des IPv6-Traffics am gesamten Datenverkehr bis heute bei lediglich 3 Prozent. Unzählige große Websites wie amazon.de, bild.de, ebay.de, gmx.de, spiegel.de, twitter.com, web.de oder zeit.de sind bis heute nur über IPv4 erreichbar. Selbst die Portale der großen Telekommunikationsanbieter telekom.de, vodafone.de und o2.de sind allesamt nicht via IPv6 im Netz. Auch viele Provider bieten IPv6 weiterhin nicht an, beispielsweise das o2-Mobilfunknetz.
Telekom testet IPv6 im Mobilfunknetz
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Selbst, wenn die Deutsche Telekom bei der IPv6-Migration noch
lange nicht so weit ist, wie sie sein könnte, ist sie dennoch so etwas
wie die Vorreiterin auf diesem Gebiet in Deutschland:
Sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunk verwendet sie
standardmäßig den Dual Stack, ermöglicht ihren Kunden also die
gleichzeitige Nutzung von IPv4 und IPv6. Als nächsten Schritt testet sie
aktuell im Mobilfunk die Migration auf IPv6 only.
Aber keine Angst, auch IPv6-only-Kunden werden weiterhin BILD- und
Twitter-Nachrichten lesen können: Die IPv4-Adressen deren Server werden
auf IPv6-Adressen abgebildet, und spezielle Gateways im Telekom-Netz
setzen dann IPv6-Pakete zu IPv4-Paketen um. Diese Gateways sind technisch
sehr ähnlich den NAT-Gateways, die die Telekom schon derzeit verwendet,
um dem IPv4-Adressmangel zu begegnen. Sie sollten also keinen zusätzlichen
Nachteil für die User bedeuten.
Dennoch dürfte der absehbare IPv6-only-Betrieb von Mobilfunknetzen in der Zukunft den Druck auf Website-Betreiber erhöhen, ihre Server auch via IPv6 erreichbar zu machen. Immerhin wird so die zusätzliche Latenz der genannten IPv6-zu-IPv4-Gateways vermieden. So erhöht sich hoffentlich der Anteil des IPv6-Traffic in den Backbones weiter, und das Thema IPv6 wird von sich aus wichtiger.
Freilich: Bis die IPv6-Migration so richtig Fahrt aufnimmt, vergeht wahrscheinlich nochmal ein halbes Jahrzehnt. IPv4 funktioniert ja für die meisten Dienste weiterhin.