Einblick

Datenerfassung überall: Angestellte als gläserne Menschen

Datenerfassung ist allgegenwärtig - auch im Job. Viele Chefs können sich ein genaues Bild von den Leistungen ihrer Mitarbeiter machen und bekommen auch Einblicke in deren Privatleben. Gewerkschafter fordern deshalb geeignete Spielregeln.
Von Rita Deutschbein mit Material von dpa

Datenerfassung überall: Angestellte als gläserne Menschen Angestellte als gläserne Menschen
Bild: dpa
Die Gewerkschaft Verdi warnt vor einem wachsenden Kontrolldruck auf die Beschäftigten durch die Datenflut in der digitalen Arbeitswelt. "Wir haben eine Totalität des Zählbaren, alles wird überall erfasst", sagte der Experte Karl-Heinz Brandl von der Verdi-Bundes­verwaltung der Deutschen Presse-Agentur anlässlich eines IT-Forums in München. Das führe dazu, dass Leistungs­druck und Profitdenken in den Unternehmen steigen und gelegentlich auch Arbeit­nehmer­rechte ausgehebelt würden.

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Brandl kennt viele Fälle: Ein Beschäftigter, der wegen zweier "Inaktiv-Zeiten" innerhalb weniger Minuten von seinem Arbeitgeber abgemahnt wurde. Bei seinem Arbeitgeber würden routinemäßig Bewegungs­profile über GPS erfasst, berichtete Brandl. Oder ein IT-Unternehmen, dessen Beschäftigte sich permanent über ihre Mitarbeiter­profile für Projekte bewerben müssten und nur so Arbeiten übertragen bekämen. Das führe zu einem permanenten Zwang, sich selbst zu präsentieren, sagt der Experte. Wer über längere Zeit nicht ausgewählt wird, gerate schnell ins Abseits. Grundsätzlich ziehe sich das Thema durch alle Branchen und Betriebsgrößen. Probleme gebe es gerade auch in kleinen und mittel­ständischen Unternehmen, weil sie häufig keinen Betriebsrat haben.

Lösung: Einvernehmliche Betriebs­verein­barungen

"Leistungs­kontrolle ist nicht verboten, aber mit­bestimmungs­pflichtig", betonte Brandl. Das Betriebs­verfassungs- und Daten­schutz­gesetz ist aus Gewerk­schafts­sicht deshalb in der digitalen Arbeitswelt gefragter denn je. Auf EU-Ebene macht sich Verdi zudem dafür stark, dass die deutschen Datenschutz-Regelungen nicht durch eine neue europäische Verordnung aufgeweicht werden.

In den Unternehmen wiederum ließen sich in vielen Fällen auch einvernehmliche Betriebs­verein­barungen treffen, sagte Brandl. So geschah es auch bei einem Logistik­unternehmen, welches das Fahrverhalten seiner Lastwagen­fahrer verein­barungs­gemäß zentral erfasst und sie schult, wenn sie beispielsweise zu viel Diesel verbrauchen. In dem Fall profitiere nicht nur das Unternehmen durch niedrigere Kosten, sondern auch die Umwelt, sagte der Verdi-Experte. Arbeits­rechtliche Konsequenzen dagegen müssten die Beschäftigten bei ineffizienter Fahrweise nicht fürchten.

Arbeitnehmer: Vorsicht bei Postings im Netz

Immer wieder geraten Arbeitnehmer aber auch durch den unbedachten Umgang mit privaten Daten im Netz unter Druck. Wer unflätige Kommentare oder die Fotos von der letzten Kneipentour mit Freunden auf Facebook postet, muss ohnehin damit rechnen, dass der Arbeitgeber kritisch hinschaut.

Überraschter dürfte dagegen eine Frau gewesen sein, als ihr klar wurde, warum ihre Firma ihren Tele­arbeits­vertrag trotz Antrags nicht verlängerte: Ihr Facebook-Profil zeugte von den häufigen Fernreisen der Frau - deshalb sei ihr Chef zu dem Schluss gekommen, dass sie auch die nötige Flexibilität mitbringe, längere Anfahrten zum Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen, sagte Brandl. "Wir müssen viel Aufklärung betreiben." Die vielen Fallstricke der Datenflut seien Arbeitnehmern häufig nämlich nicht bewusst.

Doch nicht alle Bürger fürchten sich offenbar davor, zum gläsernen Menschen zu werden. Zumindest weist ihr Verhalten nicht darauf hin. Viele machen vielmehr den Trend der Datensammelei mit: Mit Fitness-Trackern werden Bewegungen erfasst, auf die zum Teil sogar die Kranken­kassen Zugriff haben, über Facebook wird gepostet, was man gerade wo zu sich nimmt, per Twitter gibt es Kommentare darüber, wo man sich gerade befindet und wie die aktuelle Stimmung ist.

Wir lassen unsere Mitmenschen oft gewollt an unserem Leben teilhaben, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Doch was einmal im Netz gepostet wurde, lässt sich so leicht nicht wieder entfernen. Die Polizei hatte unlängst im Zuge einer Kampagne via Facebook dazu aufgerufen, das Posten von Kinderfotos auf sozialen Netzwerken zu stoppen. Schließlich würden Eltern nie wissen, wer was mit den Fotos anstellt.

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