Zweifelhaft

Kostenfalle Kreditkarten-Telefon

Handy verloren oder Akku leer: Manchmal ist ein Kreditkarten-Telefon die letzte Rettung. Doch die Rechnung dafür fällt mitunter unerwartet hoch aus.
Von dpa / Marie-Anne Winter

Ein Multimedia-Telefon der Telekom. Hier sollte es keine bösen Überraschungen geben. Ein Multimedia-Telefon der Telekom. Hier sollte es keine bösen Überraschungen geben.
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Es ist eine Masche, die auch im Smartphone-Zeitalter zu ziehen scheint - gerade weil fast jeder nur noch mobil telefoniert. Handy verloren, kein Ersatz in Sicht, doch ein dringender Anruf ist nötig. Da ist die alte Festnetzsäule mit Kreditkarten-Schlitz am Bahnhof oder Flughafen die Rettung.

Wochen später wird beim Blick aufs Konto klar: Die Nothilfe war ein teurer Spaß, man hätte manchen Mobilfunk-Monatsvertrag von dem einen Kurzgespräch bezahlen können. Dass es so kostspielig wird, zumal für eine Verbindung über nur wenige Kilometer, war am Gerät auf den ersten Blick nicht erkennbar. Dabei ist an öffentlichen Säulen der Deutschen Telekom nicht immer nur Telekom drin, wenn außen Telekom dran steht. So kann der Kunde böse überrascht werden, wenn am Ende ein anderer Anbieter viel mehr abbucht als vor dem Gespräch gedacht. Ein Multimedia-Telefon der Telekom. Hier sollte es keine bösen Überraschungen geben. Ein Multimedia-Telefon der Telekom. Hier sollte es keine bösen Überraschungen geben.
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BBG Global ist keine Unbekannte

Die Firma, die hinter der Abrechnung solcher Tarife von bis zu 40 Dollar (33 Euro) pro Minute steckt, sitzt in der Schweiz, ist in mehr als 60 Ländern aktiv und auch unter US-Juristen keine Unbekannte: die BBG Global AG. Ein Unternehmen, das seinen Auftrag darin sieht, "das Kundenerlebnis durch kreatives Wissen zu verbessern". Als Zweck wird im Handelsregister des Kantons Zug "Anbieten, Fördern und Erbringen von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Telefon-Ferngesprächen" genannt. Die Einlagen der AG stammen aus Aktien einer BBG Holdings Limited, welche ihrerseits auf den Bermuda-Inseln registriert ist.

Geht es an den weltweit 350 000 Telefonen mit BBG-Angebot mit rechten Dingen zu? Diese Frage ruft jetzt deutsche Behörden auf den Plan. Man habe BBG "zur Stellungnahme unter Fristsetzung aufgefordert", heißt es aus der Bundesnetzagentur - auch um zu klären, warum Kunden bei bewusster Auswahl der Telekom in einem Sprachmenü diese nicht als Alternative, sondern ebenfalls den hohen BBG-Tarif angesagt bekamen. Der Konzern setzte die Vermittlung über die Schweizer vorerst aus.

Preise müssen nachvollziehbar sein

Die Netzagentur betont: "Nach dem Telekommunikationsgesetz müssen Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten dem Verbraucher in klarer, umfassender und leicht zugänglicher Form Informationen zu den Preisen zur Verfügung stellen." Mit der Deutschen Telekom bestehe Kontakt wegen "Sachverhaltsaufklärung".

BBG selbst sieht keine Versäumnisse. Dass Kunden Tarife wie "39,98 Dollar für die erste Minute" nur als Option am Ende eines englischen Sprachmenüs genannt werden, während außen am Gerät nichts auf einen weiteren Anbieter hindeute, sei "in Ordnung und transparent", meint das Management. Aber warum steht an der Telekom-Säule nicht wenigstens ein optischer Hinweis auf zwischengeschaltete Vermittler?

Die Telekom prüft noch

"Das Problem ist, dass Schilder durch Vandalismus oder Verschleiß beschädigt wurden. Zudem gibt es nicht genug Platz, um detaillierte Angaben zu allen Preisen zu machen", so BBG. Die Tarife - im Testfall immerhin ein Minutenpreis von rund 20 Euro - orientierten sich an den Betriebskosten, die in Zeiten abnehmender Nachfrage nun mal stiegen.

Bei der Telekom führte das Gebaren des Geschäftspartners zu internen Nachforschungen. Deren Abschlussergebnis ist noch nicht bekannt. Nach Rücksprache mit der zuständigen Fachabteilung berichtete ein Sprecher aber schon: "Den Dienst haben wir zum Schutz unserer Kunden bis auf weiteres gesperrt." Gleiche Preise für BBG und Telekom lägen wohl an "technischem Fehlverhalten". "Bevor die Fehler nicht nachweislich behoben sind, werden wir den Dienst nicht wieder freigeben."

Die Bundestnetzagentur auch

Laut Telekom-Konditionen fallen bei Kreditkarten-Nutzung pauschal ein Euro pro Verbindung sowie im deutschen Festnetz 50 Cent in der ersten Minute an. Eine BBG-Tarifansage war demgegenüber 25 Mal so hoch. Die Schweizer hätten nun "zugesichert, etwaige fehlerhaft abgerechnete Transaktionen den Kunden gegenüber entsprechend zu bereinigen".

Verbraucherschützer sehen die Methoden skeptisch. Christine Steffen, Fachanwältin der Verbraucherzentrale NRW, hat bisher keine dezidierten Beschwerden über BBG gehört. "Allerdings sollte gegenüber Verbrauchern, die auf die Nutzung einer öffentlichen Telefonstelle angewiesen sind, nicht über Gebühr abkassiert werden", mahnt die Juristin. "Die Bundesnetzagentur prüft den Sachverhalt und kann erforderlichenfalls die geeigneten Maßnahmen ergreifen, um verbraucherfeindliches Vorgehen abzustellen. Dies begrüßen wir."

Sammelklagen aus den USA

Ihre Kollegen in Rheinland-Pfalz kritisieren die Ansage: "Verbraucher können erwarten, dass sie Preishinweise in Deutsch und Euro erhalten. Eine Ansage nur in Englisch und Dollar ist nicht zu akzeptieren."

In den USA sorgten die Firma und ihr Partner BBG Communications schon für Ärger, im Internet finden sich viele Beschwerden erboster Kunden. Der Vorwurf: Abzocke. Amerikanern kommt die Kreditkarten-Variante im Ausland, wo US-Mobilfunkverträge häufig keinen Empfang bieten, gelegen. "Passt auf!", warnt ein Leidtragender etwa unter einem Blog der New York Times. Einige Rechtskonflikte gab es ebenfalls.

Sammelklagen reichten Anwälte im Namen von Soldaten ein, die sich am Flughafen Leipzig - bei Irak-Einsätzen der US-Luftwaffe zum Auftanken genutzt - bei Ferngesprächen in die Heimat über den Tisch gezogen fühlten. Weitere Verfahren wurden im Auftrag von Reisenden gestartet.

Rechtlich war nichts auszurichten, die letzte Sammelklage in den USA wurde 2012 abgewiesen. Entscheidend waren jedoch Verfahrensgründe. Am Ende ging es nicht um die umstrittene Geschäftspraxis, sondern um die Zuständigkeit des Gerichts und die Frage, ob die US-Gesellschaft BBG Communications oder der Schweizer Ableger BBG Global der richtige Adressat waren. In der Schweiz verteidigt sich BBG: Das alles liege lange zurück - und sei auch Ausdruck des US-Justizsystems, in dem Klägeranwälte "alle möglichen Forderungen stellen" könnten.

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