BGH urteilt zu Kundenbewertungen auf Amazon
Wer haftet für leere Versprechungen in
Kundenbewertungen im Internet?
picture alliance/Sebastian Kahnert/dpa
Wer haftet für leere Versprechungen in
Kundenbewertungen im Internet? Dazu verkündete heute der
Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ein Urteil. In dem Fall geht es
um einen Händler aus Essen, der über die Plattform Amazon
Muskel-Tapes verkauft hatte. Mehrere Kunden schrieben unter sein
Angebot, das Tape helfe schnell gegen Schmerzen. Eine solche Wirkung
ist wissenschaftlich aber nicht nachgewiesen.
Händler durfte nicht mehr damit werben
Wer haftet für leere Versprechungen in
Kundenbewertungen im Internet?
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Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) hatte den Händler deswegen
schon vor längerem darauf verpflichtet, mit dieser Behauptung nicht
mehr zu werben. Durch die Bewertungen auf Amazon sieht der Verband
die abgegebene Unterlassungserklärung verletzt. Nun sollte der
Verkäufer Abmahnkosten und eine Vertragsstrafe zahlen. Nach Ansicht
des VSW hätte der Händler die Löschung der Bewertungen veranlassen
oder das Produkt gleich ganz von der Seite nehmen müssen.
Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg
In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Die Bewertungen seien keine Werbung, urteilte 2018 das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Der Verkäufer habe darauf keinen Einfluss, ihr Inhalt könne sich in kürzester Zeit verändern. Der Durchschnitts-Verbraucher wisse zudem ungefähr, wie Amazon und das Bewertungssystem funktionierten.
In Karlsruhe wurde der Streit im November verhandelt. Dabei hatte es zunächst so ausgesehen, als ob sich die obersten Zivilrichter dem OLG anschließen. Aber dann gab es auch kritische Nachfragen - zum Beispiel, ob der Verkäufer nicht doch verpflichtet sein könnte, die Seite mit seinem Produkt hin und wieder auf heikle Inhalte zu prüfen.
Der Anwalt des VSW vertrat die Auffassung, der Händler könne einen problematischen Eintrag direkt kommentieren oder im Angebotstext einen richtigstellenden Hinweis platzieren. Für den Anwalt der Gegenseite war das keine Option: "Es kann niemand verlangen, dass ich mein eigenes Produkt schlecht mache." (Az. I ZR 193/18)
Urteil: Händler haftet nicht für Kunden-Bewertungen
Damit unterlag in letzter Instanz der VSW, der erreichen wollte, dass Bewertungen zu einem Tape gelöscht werden. Nach Feststellung des BGH hatte der Händler aber nicht mit den Kundenbewertungen geworben.
Die höchsten deutschen Richter unterstrichen zudem, solche Bewertungen seien vom Verbraucher gewünscht und als Meinung verfassungsrechtlich geschützt. Für eine konkrete Gesundheitsgefährdung, die dieses Recht hätten aushebeln können, habe es jedoch keinen Anhaltspunkte gegeben.
Kommentar von Bitkom
Auch der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom) meldet sich zu Wort. Haupt-Geschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder erklärt dazu: "Der BGH hat mit seinem heutigen Urteil die Rechtssicherheit für Händler und Plattformbetreiber gestärkt und zugleich Vielfalt und Aussagekraft von Bewertungen gesichert. Transparente und unabhängige Bewertungen, die auf subjektiven Eindrücken und Erfahrungswerten beruhen, sind für Kunden mit die wichtigste Hilfe beim Online-Einkauf. Eine aktuelle Bitkom-Studie zeigt, dass 56 Prozent der Online-Shopper Bewertungen lesen, bevor sie sich entscheiden.
Viele Plattformen filtern bereits gefälschte, gekaufte und nicht vertrauenswürdige Bewertungen heraus. Weitere Eingriffe oder das Löschen einzelner Bewertungen, etwa durch Verkäufer oder Plattformbetreiber, würden Transparenz und Unabhängigkeit von Kundenbewertung insgesamt beschädigen.
Kundenbewertungen sind keine Werbung – sie sind Abbild zahlloser unabhängiger Meinungen, die Kunden zu einem Produkt mitgeteilt haben. Ob dieses Meinungsbild in den Bewertungen positiv oder negativ ausfällt, liegt nicht in der Hand des Verkäufers – sondern einzig und allein in der der Kunden. Es ist gut, dass der BGH dies heute in seinem Urteil klargestellt hat."